Vernünftiger Austausch von Argumenten


Gemeinde INFO aus dem Gemeindeblatt Münsing Aktuell 2/2017

Bürgerversammlung am 24. April 2017 im Gemeindesaal:

Die in der Gemeinderatssitzung vom 14. 2. 17 beschlossene außerordentliche Bürgerversammlung zur Neubebauung des Geländes der ehemaligen Wiedemann-Klinik durch das Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) fand großen Widerhall in der Münsinger Bevölkerung. Unter der Moderation von Bürgermeister Michael Grasl entspann sich eine lebhafte Diskussion, an der sich neben Mitgliedern des vollständig angetretenen Gemeinderats auch zahlreiche Bürger beteiligten.

 

Zunächst begrüßte Bürgermeister Grasl die zahlreich anwesenden Vertreter des KWA, darunter die Vorstände Dr. Stefan Arend und Horst Schmieder und den Architekten und Stadtplaner Christian Weigl vom Büro Goergens, Miklautz und Partner.

In einer kurzen Einführung bittet Bürgermeister Grasl um eine faire Diskussion, ehe er sich auf die fachliche Ebene begibt: Zu einer Wiederbelebung des seit zwölf Jahren brachliegenden Areals sollten Interessenten angehört werden und eine verträgliche Klinik-verwandte Nachnutzung geprüft werden. Diese Bemühungen seien allgemein bekannt gewesen, und niemand hätte sich daran gestört, aber, so Grasl: „Seit etwa einem Jahr gibt es eine teilweise aufgeheizte Diskussion, ohne dass ein Verfahren in Gang gesetzt wurde. Ein Zeit- und Aktionsdruck wurde von der Gemeinde nicht aufgebaut.

 

Die öffentlichen Gemeinderatssitzungen vom 14. Februar und 7. März 2017 dienten einer ersten Information für Gemeinderat und Öffentlichkeit über die grundsätzliche Eignung des Grundstücks, ein Areal, das über Jahrzehnte eine Sonderfunktion hatte und auch unter den Augen der Anwohner und Behörden erweitert worden ist. Es ist aufwändig, die vielen Maßnahmen zu rekonstruieren, denn die Planunterlagen liegen nicht vollständig vor. Nach all den Jahren hat nun ein Käufer, das KWA, Hauptflächen dieses Grundstücks erworben.

KWA hatte noch nie die Gelegenheit, sich öffentlich einem größeren Zuhörerkreis vorzustellen. Das soll heute nachgeholt werden.” Im Folgenden Auszüge aus dem von Schriftführer Stefan Lanzinger erstellten Protokoll des Abends:

Präsentation des Kuratoriums Wohnen im Alter: Das KWA wird anhand verschiedener Themen, wie z. B. Rechtsform, Geschäftszahlen, Unterschiede eines Wohnstifts zu anderen Senioreneinrichtungen und Statistiken zu den Bewohnern vorgestellt.

Das Leben im Rupertihof, einem KWA-Stift in Rottach-Egern, schildert die Hausleitung, Frau Brandl-Thür, mit einer PowerPoint-Präsentation. Danach beantworten Vertreter des KWA Fragen aus dem Publikum und verweisen zusätzlich auf das am Eingang ausgelegte Informationsmaterial.

Erläuterungen zum Testentwurf durch Christian Weigl

Im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit beschränkt sich Herr Weigl auf die wesentlichen Aussagen des Testentwurfs. Ergänzt werden die Ausführungen zum Testentwurf mit einer überschlägigen Flächenermittlung samt einer Gegenüberstellung der Grundfläche, der Kubatur, der Wohneinheiten und der Stellplätze im Bestand, im Vorbescheid sowie im Testentwurf. Ebenfalls neu ist eine Zusammenstellung aller bisher vorgebrachten Bedenken, Einwände, Anregungen und Fragen sowie eine gemeinsame Stellungnahme aus Sicht des Stadtplaners und der Bauverwaltung hierzu.

Erläuterungen durch Architekt Sebastian Wiedemann von der „Initiative Ambach” 

Herr Wiedemann stellt zunächst klar, dass die Initiative Ambach nicht grundsätzlich gegen das geplante Wohnstift der KWA sei. Aus Sicht der Initiative ist das „Wie“ entscheidend. Es handle sich um das größte Bauvorhaben in der Geschichte der Gemeinde Münsing, gibt Herr Wiedemann zu bedenken. Er kritisiert die Höhenentwicklung und verweist darauf, dass eine Baugenehmigung aus dem Jahr 1998 nicht realisiert wurde. Somit dürfe diese Genehmigung nicht im Vergleich zwischen Bestand und Neubebauung als Grundlage dienen. Er stellt fest, dass auch unterirdische Gebäudeteile Teil der überbauten GR sein müssen. Er gehe ferner davon aus, dass die im Testentwurf dargestellten Stellplätze nicht ausreichen. Anhand einer Präsentation spricht er sich in seinem Fazit für maximal 55 bis 60 Wohnungen in einer offenen Bauweise aus, die sich in Dichte, Größe und Höhe in das Ortsbild eingliedert. Zwei der bestehenden Gebäude könnten aus seiner Sicht für das Wohnstift umgenutzt werden. Er fordert mit Nachdruck einen Realisierungswettbewerb – für ihn die einzige Möglichkeit, eine qualitativ hochwertige Planung sicherzustellen.

Im Anschluss an die Ausführungen von Herrn Wiedemann regt Bürgermeister Grasl dringend an, dass eine sachliche Diskussion zwischen den Fachleuten geführt wird, damit alle Einwände, Anregungen und Fragen geprüft bzw. beantwortet werden können. Er gehe davon aus, dass das KWA und die Gemeinde Münsing weiterhin kompromissbereit bleiben und hoffe auf eine Annäherung aller Beteiligten.

Wortmeldungen, Wünsche und Anträge:

 Martin Ehrenhuber, CSU Ortsvorsitzender:

Herr Ehrenhuber erkennt eine große Chance für die Gemeinde durch das geplante Vorhaben und bezeichnet das KWA als einen seriösen und zuverlässigen Partner. Er fragt, ob ein Kontingent für Gemeindebürger, ggf. auch sozial Schwächere, Berücksichtigung finden könne, mit wie vielen Mitarbeitern die KWA rechnet und wo diese wohnen sollen. Er verweist auf die höheren Lebenshaltungskosten am geplanten Standort und fordert, dies in einer entsprechenden Lohnstruktur zu berücksichtigen. Abschließend möchte er noch wissen, was passiert, wenn der ambulante Pflegedienst bzw. die Tagespflege nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben ist.
Antwort des KWA:
Ohne eine Tagespflege oder einen ambulanten Dienst funktioniert ein Wohnstift nicht. Somit können diese Leistungen dauerhaft garantiert werden. Ausreichendes und geeignetes Personal ist nur zu finden, wenn faire Löhne bezahlt werden. Im Rupertihof Rottach-Egern sind z. B. Dienstzimmer vorhanden. 

Mechthild Felsch, Seniorenbeirätin:

Frau Felsch verweist auf den sehr angespannten Arbeitsmarkt im Bereich Pflege, sieht aber auch dringenden Bedarf für eine Kurzzeittagespflege. Im AK Soziales wurde zudem wiederholt der Wunsch nach Seniorenwohnungen geäußert. Insbesondere sollte aber auch für sozial schwächere Personen eine gewisse Anzahl an Wohnungen reserviert werden.
Antwort des KWA:
Plätze mit Sonderkonditionen gibt es z. B. bereits in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt in München. Solche Regelungen sind auch mit der Gemeinde Münsing denkbar. Auch Mitarbeiterwohnungen sind an anderen Standorten vorhanden.

Waldtraud Bauhof, Herausgeberin Seniorenkompass und Mitglied des Seniorenbeirats des Landkreises:

Frau Bauhof bezweifelt, dass die vorhandenen Kapazitäten der ambulanten Pflegedienste für das geplante Vorhaben ausreichen.
Antwort des KWA: Die KWA wird selbstverständlich einen eigenen ambulanten Pflegedienst gründen. Dennoch haben alle Bewohner die freie Wahl, welchen ambulanten Dienst sie wählen.

Josef Bierbichler, Ambach:

Herr Bierbichler verweist auf den Widerspruch des geplanten Vorhabens zum Rahmenplan. Aus seiner Sicht ist das Vorhaben nicht verträglich bzw. unverhältnismäßig für Ambach. Zudem wird der Ort „verschandelt“. Er verweist auf zahlreiche schlechte Beispiele rund um den See. 150 Neubürger sind deutlich zu viel für Ambach. Er vergleicht das mit einer „feindlichen Übernahme“. Zudem fürchtet er Folgen für die benachbarten, derzeit noch landwirtschaftlich genutzten Flächen. Wie will die Gemeinde verhindern, dass auch diese bebaut werden?

 

Architekt Christian Weigl:

Herr Weigl verweist auf die Bestandsbebauung und den genehmigten Vorbescheid für eine Kliniknutzung. Die vorhandene Bebauung ist schon bisher eine Sonderform, die deshalb im Rahmenplan nicht abgebildet wurde. Dieser befasst sich hingegen mit der ortstypischen Bebauung entlang des Seeufers. Die Gemeinde versucht nun, die bestehende Situation ortsplanerisch aufzuwerten. In diesem Zusammenhang wiederholt Herr Weigl, dass der sog. Testentwurf das Ziel habe, zu klären, ob die vom Eigentümer gewünschte Nutzung nach städtebaulichen Gesichtspunkten auf vertretbare Weise umsetzbar ist, und welche Vorgaben von der Gemeinde für eine spätere Planung gemacht werden müssen. Der Testentwurf stelle keine vollständige oder abgeschlossene Planung dar, vielmehr solle lediglich die Machbarkeit des Vorhabens überprüft werden. Überdies solle der Testentwurf die öffentliche Diskussion anhand eines konkreten Beispiels ermöglichen.

 

Dr. Kurt Gustav Neumeister, München

Herr Dr. Neumeister sieht keinerlei Notwendigkeit für eine neue „Bausünde“. Der Gemeinderat kann aus seiner Sicht völlig frei entscheiden, inwiefern er eine Wohnbebauung zulassen will. Der Grundstückseigentümer habe keinen Anspruch darauf, da die vorhandene Bestandsbebauung keinerlei Auswirkungen auf eine künftige Bebauung hat. Zudem laufe die Gültigkeit des Vorbescheids in fünf Monaten ab. Die Gemeinde könne hingegen prüfen, eine eigene Einrichtung zu schaffen und somit unabhängig von einem Investor zu sein. Sofern das KWA weiterhin auf mindestens 80 Wohnungen besteht, ist der Standort in Ambach aus Sicht von Dr. Neumeister nicht geeignet. Er regt an, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vom KWA zu fordern.

 

Peter Hacker, Münsing:

Auf das erforderliche Bebauungsplanverfahren, das bis ins Detail vorgeschrieben sei, verweist Herr Hacker. In diesem Verfahren würden standardmäßig alle Einwände und Anregungen geprüft sowie alle Fragen beantwortet.

Dadurch werde eine qualitativ hochwertige Planung garantiert. Der vorliegende Testentwurf könne diesen Planungsprozess nicht vorwegnehmen. Er verweist auf den Architektenwettbewerb,der Ende der 90er Jahre für das Sportzentrum durchgeführt wurde sowie auf die sehr aufwändigen Formalitäten die ein Wettbewerb mit sich bringe. Die Erfahrungen aus diesem Verfahren seien vielen Beteiligten noch bestens vertraut. Mit den Folgen dieses Wettbewerbs habe die Gemeinde lange zu kämpfen gehabt.

 

Johannes Umbreit, Weipertshausen:

Herr Umbreit hält das geplante Schwimmbad für verzichtbar und erinnert an die Bewertung von Schwimmbädern im Zusammenhang mit privaten Bauvorhaben. Der Gemeinderat habe diese in der Vergangenheit stets kritisch beurteilt.

 

Martin Ehrenhuber, CSUOrtsvorsitzender:

Herr Ehrenhuber verweist auf den Konflikt zwischen der Wirtschaftlichkeit des Betriebs und der Verträglichkeit der hierfür notwendigen Baumasse.

 

Sebastian Wiedemann, Ambach:

Herr Wiedemann erkennt im Gegensatz hierzu ein Risiko, sofern die KWA ein Überangebot an Wohneinheiten schaffen würde.

 

Helge Strauß, Gemeinderat aus Ammerland:

Herr Strauß erkennt bei einer Nutzung als Wohnstift keinen Unterschied zur früheren Klinik im Hinblick auf die Baumasse und ihre Wirkung auf das Ortsbild. Er spricht sich unabhängig hiervon vehement für einen Realisierungswettbewerb aus, da er Alternativplanungen für zwingend notwendig halte.

 

Dieter Wiedemann, Ambach:

60 Wohnungen müssten aus Sicht von Herrn Wiedemann auf jeden Fall auskömmlich sein. Die Forderungen des KWA müssten deshalb vom Gemeinderat noch einmal hinterfragt werden.

 

Ursula Scriba, Gemeinderätin aus Ammerland:

Für einen Wettbewerb spricht sich auch Frau Scriba aus. In einer Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten könnten dann alle Bürgerinnen und Bürger die beste Lösung besichtigen.
Antwort des KWA: Man sei weiterhin bereit für einen Realisierungswettbewerb. Dass verschiedene Ideen bzw. Varianten geprüft werden, kann KWA garantieren. Auf Grund der Erfahrungen an anderen Standorten geht KWA von maximal 90 bis 95 Bewohnern aus. Ein Wohnstift mit 80 Wohnungen wäre das kleinste, das die KWA jemals gebaut hat. 80 Einheiten seien wegen der notwendigen Infrastruktur das Minimum für einen funktionierenden Betrieb. Unter dieser Mindestgröße könnten auch die gewünschten Leistungen der Gemeinde, wie beispielsweise Tagespflege oder ambulanter Pflegedienst, nicht angeboten werden.

 

Arch. Norbert Koch:

Herr Koch empfiehlt der Gemeinde einen beschränkten Architektenwettbewerb. Um 23:30 Uhr schließt der Bürgermeister die rundum gelungene Bürgerversammlung mit einem Dank für die Aufmerksamkeit und die sehr lebhafte und faire Diskussion.

 

Bürgerversammlung

am 30. 5. 2017

KWA erneut Thema

Neben anderen Themen wie der Wohnbebauung am Pallaufhof trat die geplante Nutzung des ehemaligen Sanatoriumsgeländes in Ambach auch bei der Bürgerversammlung in den Mittelpunkt der Diskussion.

Es wurde von Seiten einiger Bürger der Wunsch nach mehr Dialog in Form z. B. eines Runden Tisches geäußert, was von KWA-Vorstand Dr. Arendt als durchaus sinnvoll bewertet wurde. Der Gemeinderat wird auf die diversen Anregungen eingehen und dafür sorgen, dass weitere Projektvarianten von anderen Planern erarbeitet werden. Die Gemeinde wird auch mit allen Beteiligten – in welcher Form auch immer – im Gespräch bleiben.

Leserbrief zur Berichterstattung über die Bürgerversammlung in Münsing am 30.05.2017, betreffend das KWA-Projekt

 

„Was sagt der OSV zum Projekt des Seniorenstifts der KWA in Ambach?“ war die mehrfach formulierte Frage. Der Vorstand des OSV befürwortet den von Fritz Noppes, Degerndorf, vorgeschlagenen Runden Tisch. Das Vorhaben ist sehr komplex, Grund und Boden sind kostbar und nicht vermehrbar. Deshalb muss mit den vorhandenen Ressourcen verantwortungsvoll und qualitätsbewusst umgegangen werden. Wir haben die Erde von unseren Vorfahren geerbt und müssen sie für unsere Kinder, Enkelkinder und Urenkel mit Bedacht verwalten, anstatt sie durch ungezügelte Bebauung zu verbrauchen. Deshalb ist es unfair den künftigen Generationen im Übermaß die Möglichkeit zu nehmen, selbst zu entscheiden, was in ihrer Zeit zu tun ist.

Die bevorstehende Arbeit des Runden Tisches, die auch Bürgermeister Grasl begrüßt, sollte aus unserer Sicht durch fachkundige, professionelle Moderation unterstützt werden. Es sollten folgende kardinale Fragen bearbeitet werden: Einfügen in die bauliche Umgebung Ambachs, Erhalt des Baumbestandes, neue verkehrliche Belastung von Münsing, Holzhausen und Ambach, Parkplätze, Folgen für die Landwirtschaft, Soziale Auswirkungen wie Bedarf von Pflegekräften sowie notwendigen weiteren Arbeitskräften und deren Wohnbedürfnisse bei derzeit knappsten Angebot im Landkreis, realistische Abschätzung wirtschaftlicher Erfolge etc., das Bauchgefühl reicht nicht!

Die grundlegende Vorbereitung eines Wettbewerbs als einzig empfehlenswertem Mittel bei der Vielzahl an Fragen, mit einer fundierten Auslobung, verbunden mit dem Angebot verschiedener Vorschläge erfahrener Architekturbüros, idealerweise einem Städtebaulichen Ideenwettbewerb und einem nachfolgenden Realisierungswettbewerb rückt eine wünschenswert gestaltete Erweiterung Ambachs näher.

Ein besonderes Augenmerk legt der OSV dabei auch auf die Frage und Sorge: Entsteht neues Baurecht um das ehemalige Klinikgelände? und: Wie groß soll Ambach werden und wie schnell wachsen?

Ursula Scriba,

  1. Vorsitzende des OSV