Denkmalschutz kontra Profitgier

Der Druck auf historische Immobilien steigt
Ostufer Schutzverband will mit Gabriel-von-Max-Preis ein Zeichen setzen

Münsing – Der Gabriel-von-Max-Preis des Ostuferschutzverbands für besonders liebevoll gepflegte Denkmäler hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Zu groß ist der Druck, den ein überhitzter Immobilienmarkt auf Städte wie München und sein Umland ausübt. Die Preise steigen ins schier Unermessliche. So mancher Hausbesitzer macht das günstig erworbene Anwesen der Großeltern aus den Fünfziger Jahren zu Geld und streicht einen satten Gewinn ein. Dieser Druck macht auch vor Baudenkmälern nicht mehr halt, wie vor wenigen Monaten ein besonders krasses Beispiel in der Landeshauptstadt zeigte. Im Stadtteil Giesing hat der Eigentümer das „Uhrmacherhäusl“ aus dem Jahr 1840 platt gemacht. Dass das einstöckige, ortsbildprägende Gebäude unter Denkmalschutz stand, war für ihn kein Hinderungsgrund. Zu verlockend scheint die Aussicht zu sein, am Immobilien-Hype mitzuverdienen. Fassungslos und mit Tränen in den Augen standen die Anwohner vor den Trümmern.

Ähnlich empört stehen Spaziergänger vor der Villa Max an der Südlichen Seestraße in Ammerland. Auch sie steht unter Denkmalschutz. Doch von Schutz kann keine Rede sein. Das einstige Domizil des Affenmalers Gabriel von Max ist ungeschützt den Sturmböen ausgesetzt, die von Westen über die breiteste Stelle des Sees daher brausen. Es verfällt von Jahr zu Jahr mehr. Nachdem Ende März 2015 Sturmtief Niklas die Balustrade des Balkons im ersten Stock hinwegfegte, nagten die Stürme dieses Jahres an den Stützen des Vordachs. Ein morscher Balken ist eingeknickt und hat seine Stützfunktion bereits weitgehend verloren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das ganze Vordach herunterbricht. So arbeitet der Zahn der Zeit für die Eigentümerin, die auf dem Seegrundstück einen Neubau errichten will.

Während sich in München der Oberbürgermeister und sogar der Kultusminister beeilten, den Abbruch des Uhrmacherhäusls zu verurteilen und Konsequenzen anzukündigen, hält sich die öffentliche Empörung im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in Grenzen. Vielleicht, weil der Verfall schleichend, fast unmerklich erfolgt. Ein „kalter“ Abbruch sozusagen. Das Landratsamt als Untere Denkmalschutzbehörde belässt es bei Routinekontrollen.

Der Denkmalschutz kann aber nur so stark sein, „wie das Engagement der öffentlichen Hand dafür ist“, heißt es in einer großen Münchner Tageszeitung. Im Fall des Giesinger Uhrmacherhäusls hat die Stadtspitze klargemacht, dass der Eigentümer nicht ungeschoren davonkommen wird. „Deswegen ist es so wichtig, dass auch die Politik wie jetzt in München Haltung zeigt“, so das Blatt weiter.

In diesen Fällen geht es um Häuser, die ein Viertel oder das Seeufer prägen. Für seine Bewohner stiften sie eine Vertrautheit, in der sie sich wiedererkennen und geborgen fühlen. „Ein Denkmal erzählt eine Geschichte, es ermöglicht einen Blick in die Vergangenheit“, formulierte es Architekt Vinzenz Dufter vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege bei der Verleihung des diesjährigen Gabriel-von Max-Preises. „Darüber hinaus ist das Denkmal ein Merkzeichen in einem städtebaulichen Gefüge, es dient der Orientierung und der Identifikation und ist prägender Bestandteil der regionalen Kulturlandschaft.“ Für den Eigentümer liege der Mehrwert darin, so Dufter, „dass er etwas Eigenständiges und Charakteristisches besitzt, das er sonst so leicht nicht finden kann“.

Genau hier setzt der Ostufer Schutzverband mit seiner Auszeichnung an. Was die Preise der Hypo-Kulturstiftung im Großen sind, dass ist der Gabriel-von-Max-Preis im Kleinen. Der Preis wird an Eigentümer verliehen, die sich in herausragender Weise bei der Erhaltung ihrer Bau- und Gartendenkmäler verdient gemacht haben. Das gute Beispiel  soll Schule machen und andere Eigentümer von Baudenkmälern ermutigen, es ihnen gleich zu tun. Praktisch als Kontrapunkt und Mahnung an das beklagenswerte Schicksal der Villa Max. Der Preisträger erhält eine Bronzefigur des Bildhauers Ernst Grünwald, die auf ebenso heitere wie nachdenkliche Weise auf die Villa und das Lieblingstier des „Affenmalers“ Max Bezug nimmt.

Erstmals erhielt 2014 das Ehepaar Josef und Katharina Strobl den Gabriel-von-Max-Denkmalpreis des OSV für ihren vorzüglich sanierten Gorythoma-Hof in Weipertshausen. Im folgenden Jahr hieß der Preisträger Josef Wagner. Das Haus des Schreinermeisters von 1871 gehört zu den ältesten in Ammerland und prägt das traditionelle Landschafts- und Ortsbild am Ostufer des Starnberger Sees. 2016 zeichnete OSV-Vorsitzende Scriba Werner Döttinger aus. Der Unternehmer hat 1988 das frühere Schloss der Familie Pocci in Ammerland gekauft. Damals stand es bereits etwa zwei Jahrzehnte lang leer und war heruntergekommen. Mit viel Geld hat es Döttinger wieder zum Strahlen gebracht.

Diesjähriger Preisträger war Fritz Noppes, ein Ingenieur im Ruhestand. Mit viel Aufwand und Schweiß hat er den Eierwastl Hof in Degerndorf vor dem Abbruch gerettet. Die Hofstelle wird bereits im 16. Jahrundert erwähnt. Das denkmalgeschützte Gebäude steht an der Dorfstraße. Es freue ihn besonders, sagte Architekt Dufter, dass der Preis an ein einfaches,eher unscheinbares bäuerliches Anwesen verliehen werde, das im Verbund eines Dorfes steht.

Nun suchen der Ostufer Schutzverband und seine Erste Vorsitzende Ursula Scriba einen neuen Preisträger. Am Ostufer des Starnberger Sees gibt es sicher noch mehr Beispiele für die gelungene Rettung eines historischen Objekts. Alle Interessierten und Mitglieder des OSV werden deshalb gebeten, sich an der Suche nach dem nächsten Preisträger zu beteiligen. Aus den eingegangen Vorschlägen wird eine Fachjury dann den Preisträger ermitteln. Sie bewertet die fachliche, ästhetische und ökologische Qualität, die Bedeutung des Gebäudes und die Kreativität der Besitzer.                                            hu

Vorschläge können bis Mitte Januar 2018 schriftlich und mit einer kurzen Begründung bei der Geschäftsstelle des OSV, c/o Ursula Scriba, Lerchenweg 3, 82541 Münsing, eingereicht werden.

Die Münchner Künstlerfamilie Max

Feldpostbriefe 1914-1918

Aus der Münchner Künstlerfamilie Max werden die beiden als Maler tätigen Söhne des berühmten Gabriel von Max – Corneille und Colombo – 1914 in den Kriegsdienst einberufen. Der 1875 geborene Corneille kommt zum Landsturm, der 1877 geborene Colombo wird Unteroffizier in der Landwehr. Der Nachlass im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und die Bestände der Familie enthalten die gesamte „Feldpost“ Korrespondenz von Colombo mit seiner Frau Paula. Er lehnt den Krieg zutiefst ab, aber er berichtet fast täglich von seinen Erlebnissen und legt den Briefen Zeichnungen bei, sie dagegen erzählt ihm von den Zuständen in der Stadt München. Neben den Kriegsereignissen treibt ihn die Sorge um die künstlerischen Hinterlassenschaft seines 1915 gestorbenen Vaters, mit dem er ein Atelier geteilt hatte. Auch sein Bruder und andere Verwandte sind an der Korrespondenz beteiligt. Paula wird von der befreundeten Familie des Bildhauers Adolf von Hildebrand mit dem Sohn und den fünf Töchtern unterstützt, sie kämpft gegen Hunger, Scharlach und Spanische Grippe. Sie berichtet noch anschaulich von der Revolution in München, bis Colombo, der im Soldatenrat tätig ist, endlich im November 1918 zurückkehrt.
Verena Kerssenbrock, eine Ur-Enkelin von Colombo Max, hat die Auswahl aus der Familien­korrespondenz zusammengestellt und einen Lebensbericht verfasst, der die Jahrgänge der Feldpost umrahmt. Zuerst wird die Vorgeschichte des schreibenden Paares in der Welt der Münchner Künstler dargestellt, und nach den Briefen werden die Familienereignisse weiter verfolgt. Paula stirbt 1935 und der Sohn Thomas Max wird im April 1945 als Kämpfer der Freiheitsaktion Bayern ermordet. Der Maler Colombo arbeitet künstlerisch bis ins hohe Alter und stirbt 1970.
Einband gebundene Ausgabe
Herausgeber Verena Kerssenbrock
Seitenzahl 600
Erscheinungsdatum 30.11.2017
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-89235-806-0
Verlag Scaneg Verlag E. K.
Abbildungen 249 Abbildungen
Auflage 1