Bühnenreife Diskussion um das Seniorenstift

Vertreter des Kuratoriums „Wohnen im Alter“ bemühen sich ihre Pläne zu erläutern. Die Gegner, darunter Schauspieler Sepp Bierbichler, überzeugen sie nicht.

Von Benjamin Engel, Wolfratshauser SZ, 26. April 2017

Als der Schauspieler und Ambacher Sepp Bierbichler von der „feindlichen Übernahme“ durch den Bau eines Seniorenstifts mit 80 Wohnungen und zahlreichen neuen Anwohnern im Ort spricht, reagieren die mehr als 150 Besucher wie im Theater. Viele beginnen frenetisch zu klatschen, „Bravo“ ist zu hören. Darunter mischen sich im Gemeindesaal am Montagabend auch einige Buh-Rufe.

Vier Stunden dauert am Montagabend die Bürgerversammlung zum geplanten Seniorenstift in Ambach. Ausführlich stellen die Vertreter des Betreibers, „Kuratorium Wohnen im Alter“ ihr Unternehmen und das Vorhaben vor. Kritische Anwohner wie Bierbichler können sie damit kaum überzeugen. „Ich möchte mich als Nicht-Befürworter outen“, sagt der gebürtige Ambacher und stellt sich ans Rednerpult.

Der Schauspieler fürchtet einen „Dammbruch“, falls die Kommune einen solchen baulichen „Gewaltakt“ auf dem Gelände des früheren Wiedemann-Kursanatoriums zulässt. „Wir müssen uns jetzt vorkommen wie Hanswurste“, sagt er. Denn der Münsinger Rahmenplan – dieser soll das Ortsbild am Ostufer des Starnberger Sees schützen – habe jegliche Bauaktivität eingeschränkt. „Wie will die Gemeinde verhindern, dass ich meine Grundstücke ebenfalls zur Bebauung freigebe?“, fragt er.

Zwischen Kritik und Zustimmung pendeln die Wortmeldungen. Bürgermeister Michael Grasl (FW) betont die Planungshoheit der Kommune, zeigt sich zum umstrittenen Projekt aber kompromissbereit. „Mir wäre eine Annäherung wichtiger als alles andere“, sagt er. Grasl deutet an, es sei wieder ein Architektenwettbewerb denkbar – den hatte der Gemeinderat im März mehrheitlich abgelehnt.

Die KWA-Vertreter bemühen sich, der Kritik entgegenzutreten. Marketing-Mitarbeiterin Karin Ihringer argumentiert, dass maximal 90 bis 95 Bewohner in den 80 Wohnungen im Seniorenstift leben würden. Im Schnitt lebten 92 Prozent aller Bewohner in bayerischen KWA-Wohnstiften allein, nur sechs Prozent mit dem Partner zusammen. Der größte Teil der Bewohner stamme aus der unmittelbaren Umgebung, im Rupertihof in Rottach-Egern etwa 41 Prozent aus dem Tegernseer Tal und 40 Prozent aus dem Landkreis Miesbach. Eine Ein-Zimmer-Wohnung koste 1700 bis 2500 Euro im Monat.

Die Frage von Landkreis-Seniorenbeirätin Mechthild Felsch nach Möglichkeiten verbilligter Wohnungen für sozial Schwache, bejaht KWA-Vorstandsvorsitzender Horst Schmieder. „Wir bieten tatsächlich Plätze zu Sonderkonditionen“, entgegnet er. Mit der Stadt München gebe es beispielsweise entsprechende Verträge. Teils gebe es auch Mitarbeiterwohnungen.

Im Ambacher Seniorenstift will KWA eine offene Tagespflege, einen Saal für Kulturveranstaltungen und ein Schwimmbad anbieten. Für den KWA-Vorstandskollegen Stefan Arend sind wegen der Infrastruktur 80 Wohnungen für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlich. „Das ist das Kleinste, was KWA je gebaut hat.“

Dafür forderte Gustav Neumeister vom Ostuferschutzverband eine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Der Ort vertrage keinen so großen Neubau. Nach vielen Jahren des Leerstands der früheren Sanatoriumsgebäude bestehe kein Baurecht mehr. „Es besteht keine Notwendigkeit, alte durch neue Bausünden zu ersetzen.“ Ebenso erneuerte Sebastian Wiedemann von der Initiative Ambach seine Kritik an den Dimensionen. Aus seiner Sicht wären 55 bis 60 Wohnungen akzeptabel. Zwei der alten Kurklinik-Häuser könnten erhalten werden.

Für Christian Weigl – er hat die Machbarkeitsstudie erstellt – hätte eine Sanierung zumindest des Waldschlösschen-Gebäudes Charme. Mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan will die Kommune den Bau des Seniorenstifts ermöglichen. Wie die örtliche Parteigruppierung zählte auch CSU-Gemeinderat Helge Strauß zu den Befürwortern. Doch er bestand nun doch auf einem Architektenwettbewerb. „Sonst werde ich das Projekt nicht weitertragen.“