Loriots 100. Geburtstag

Donnerstag, 28. September 2023, Isar-Loisachbote / Lokalteil

Satirisches Sittengemälde

Johannes von Bülow begeistert mit seiner Loriot-Lesung – Humorist wäre heuer 100 geworden
von TANJA LÜHR

Johann von Bülow

Münsing – Am Loriot-Gedenktag auf Gut Nantesbuch in Bad Heilbrunn im Juli war Petra Schulze dem Theater- und Filmschauspieler Johann von Bülow zum Schluss extra hinterhergerannt, um ihn nach seiner Schuhgröße zu fragen. Verwundert gab dieser Auskunft. Am Samstagabend erfuhr er nun den Grund für die Neugier der Vize-Vorsitzenden des Ostuferschutzverbands (OSV). Bevor er aus Loriots Kolumne „Der ganz offene Brief“ las, überreichte sie ihm ein Paar von OSV-Vorstandsmitglied Mechthild Felsch gestrickte Socken. Anthrazitfarben mit roter Spitze aus Regia-Wolle, vierfädig – genau solche, wie Vicco von Bülow sie jahrelang bei der Münsingerin Josefine Schmid (inzwischen 90) bestellt hatte. Außerdem gab es gelbe Gummi-Entchen für den Vorleser, der entfernt mit Vicco von Bülow alias Loriot verwandt ist, sowie für Susanne von Bülow. Die Tochter des Münsinger Ehrenbürgers lebt noch zeitweise im Haus der Familie in Wimpasing.

100 Jahre alt wäre ihr Vater heuer geworden. Aus diesem Anlass hatte der OSV zu der Lesung in die Loth Hof Tenne der Familie Mair eingeladen, wo an dem Abend kein Stuhl unbesetzt blieb.

Zwischen 1957 und 1961 war in der Illustrierten „Quick“ die Kolumne „Der ganz offene Brief“ erschienen. In Text und Bild zeichnete der noch junge Karikaturist und Autor Loriot darin im Wechsel mit seinem Ambacher Kollegen Manfred Schmidt, Schöpfer des Meisterdetektivs Nick Knatterton, ein Sittengemälde der damaligen Bundesrepublik – zwischen Wirtschaftswunder, Verordnungsdschungel und Italienliebe. Die 115 satirischen Beiträge wären wohl in Vergessenheit geraten, hätte Susanne von Bülow 2014 nicht gemeinsam mit Peter Geyer ein Buch mit ihnen herausgegeben.

Vorleser Johann von Bülow erwies sich als ganz hervorragende Wahl. Mit näselnder Stimme traf er den distinguierten Ton der Briefe. Mit russischem Akzent – der Kalte Krieg hatte damals eine große Rolle gespielt – trug er die Texte über Wettrüsten und Atombomben vor. In einwandfreiem Wiener Dialekt gab er einen Antwortbrief eines Österreichers zu Toni Sailer wider. Der Schauspieler ließ sein ganzes Talent in Betonung, Mimik und Gestik einfließen.

„Sehr geehrte Quick“, beginnt jeder Text. Zu „Laika“, der ersten Hündin, die 1957 von den Russen mit einem Raumflugkörper ins Weltall geschickt worden war, bemerkte Loriot bedauernd, dass seine beiden Möpse „in solchen Dingen gar keinen Ehrgeiz zeigen“. Elvis Presley bezeichnete er als „teuerste Nervensäge der Welt“ und einen neuartigen „Taschen-Lügendetektor für den innerfamiliären Bereich“ als Bedrohung für jede Ehe.

Manches würde heute nicht mehr durchgehen, weil zu frauenfeindlich. Das Publikum lachte trotzdem herzlich über eine angebliche wissenschaftliche Erkenntnis, die Loriot aufgegriffen hatte: „Lebensbedrohlich für das männliche Herz ist“ – bedeutungsvolle Pause – „der weibliche Redeschwall.“ Oft waren es Alltagsbeobachtungen, die der unsterbliche Humorist thematisierte. Da waren die schmalen Olivengläser, deren Inhalt nur mit Mühe zu entnehmen war, oder die 29 Stecknadeln im neuen Herrenhemd, bei dem man die letzte Nadel stets zu entfernen übersah. In seiner Kolumne nahm Loriot viele Dinge aufs Korn, die sich in seinen späteren Fernsehsketchen wiederfanden. Der „Hosenkauf“ ist eindeutig eine Fingerübung für den Sketch, in dem der Mann mit der Hose in den Kniekehlen das Bekleidungsgeschäft verlässt.

Mitunter besaß der junge Vicco von Bülow einen prophetischen Blick. Etwa, als er sich darüber ausließ, dass im Fernsehen Ehestreitigkeiten geschlichtet und fristlose Entlassungen rückgängig gemacht würden. Reality-TV gab es erst viel später. Vor 50 Jahren schon monierte er in der ihm eigenen, blumenreichen Sprache die Kurzlebigkeit von Industrieerzeugnissen und die Taktik dahinter.

Köstlich sind die Karikaturen zu jedem Thema, etwa die zum Massentourismus mit der Bildunterschrift „Die Deutschen haben sich den italienischen Stiefel angezogen“, wo ein Mann sich tatsächlich in einen Schuh mit extrahohem Schaft zwängt. 1961 wurden die Zuckerung des Weins und die Zugabe verschiedener Chemikalien erlaubt. Weinkenner Loriot spottete, dass trotzdem noch jeweils genau eine Traube den Weg ins Fass finde. Damit hatte er sich natürlich keine Freunde unter den Winzern gemacht. Aus Angst vor Repressalien bat er die Redaktion der „Quick“ um Entbindung vom „Ganz offenen Brief“. Die Antwort lautete zwar „Nein!“, er hörte trotzdem auf und wurde auf anderen Gebieten erfolgreich, bekannt und beliebt.

nches würde heute nicht mehr durchgehen, weil zu frauenfeindlich. Das Publikum lachte trotzdem herzlich über eine angebliche wissenschaftliche Erkenntnis, die Loriot aufgegriffen hatte: „Lebensbedrohlich für das männliche Herz ist“ – bedeutungsvolle Pause – „der weibliche Redeschwall.“ Oft waren es Alltagsbeobachtungen, die der unsterbliche Humorist thematisierte. Da waren die schmalen Olivengläser, deren Inhalt nur mit Mühe zu entnehmen war, oder die 29 Stecknadeln im neuen Herrenhemd, bei dem man die letzte Nadel stets zu entfernen übersah. In seiner Kolumne nahm Loriot viele Dinge aufs Korn, die sich in seinen späteren Fernsehsketchen wiederfanden. Der „Hosenkauf“ ist eindeutig eine Fingerübung für den Sketch, in dem der Mann mit der Hose in den Kniekehlen das Bekleidungsgeschäft verlässt.

Mitunter besaß der junge Vicco von Bülow einen prophetischen Blick. Etwa, als er sich darüber ausließ, dass im Fernsehen Ehestreitigkeiten geschlichtet und fristlose Entlassungen rückgängig gemacht würden. Reality-TV gab es erst viel später. Vor 50 Jahren schon monierte er in der ihm eigenen, blumenreichen Sprache die Kurzlebigkeit von Industrieerzeugnissen und die Taktik dahinter.

Köstlich sind die Karikaturen zu jedem Thema, etwa die zum Massentourismus mit der Bildunterschrift „Die Deutschen haben sich den italienischen Stiefel angezogen“, wo ein Mann sich tatsächlich in einen Schuh mit extrahohem Schaft zwängt. 1961 wurden die Zuckerung des Weins und die Zugabe verschiedener Chemikalien erlaubt. Weinkenner Loriot spottete, dass trotzdem noch jeweils genau eine Traube den Weg ins Fass finde. Damit hatte er sich natürlich keine Freunde unter den Winzern gemacht. Aus Angst vor Repressalien bat er die Redaktion der „Quick“ um Entbindung vom „Ganz offenen Brief“. Die Antwort lautete zwar „Nein!“, er hörte trotzdem auf und wurde auf anderen Gebieten erfolgreich, bekannt und beliebt. VON TANJA LÜHR

Münsing Aktuell Nr. 3 – 2023

„Ich kenne mich besser mit Loriot- Sketchen aus, als Ralf Schmitz“, behauptet  Anfang dieses Jahres die 13jährige Alley in der Spielshow „Klein gegen Groß“. Schön zu sehen, wie  Loriot auch in den nächsten Generationen präsent ist! Man sprach darüber, dass Loriot, alias Bernhard-Viktor Christoph-Carl, kurz Vicco von Bülow am 12. November 100 Jahre alt geworden wäre. Schon hier reifte die Idee, ihn mit einer ganz besonderen Veranstaltung zu feiern (s.u.). Das war uns dann auch möglich, da  Loriot und  seine Familie seit Jahrzehnten treue und interessierte OSV Mitglieder sind, die sich engagiert, aber stets zurückhaltend einbringen.

Bei unserer OSV-Lesung am 23. September müssen wir auf Sätze wie: „Ich lasse jetzt die Ente zu Wasser“, „Früher war mehr Lametta!“, „Ja wo laufen sie denn?“ oder „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen!“ verzichten. Dafür hören wir sehr satirisch „aktuelle Ereignissen, kuriose Meldungen und alltäglichen Erlebnisse“ und sehen viele Karikaturen, die bisher kaum jemand zu Gesicht bekommen hat. Um Loriot selbst zu zitieren: „Meine Zeichnungen sind Handarbeit, ausgeführt in wasserfester Tusche auf Papier. Mein grafisches Gesamtwerk wäre im Bedarfsfall also kompostierbar!“

Bei der Enthüllung des Pocci Denkmals in Münsing war unter den Zuschauern auch Vicco von Bülow alias Loriot
Foto: Neubauer, Süddeutsche Zeitung vom 18./19. März 2006

Nochmals zur Erinnerung: Der Pirol ist der Wappenvogel Derer von Bülow und heißt auf Französisch „Loriot“. Dabei legte der Meister besonderen Wert darauf, keinesfalls mit „Herr Loriot“ angesprochen zu werden.

Vicco von Bülow wurde in Brandenburg an der Havel geboren. Am 12.11.1923 „lernte ich mit einer Länge von 50 cm und einem Gewicht von 7 Pfund meine Eltern kennen.“ Von 1963 an bis zu seinem Tod am 22.8.2011 lebte er in Ammerland. Sein Grab befindet sich in Berlin. 1993 wurde er Ehrenbürger Münsings. Damals wie heute wissen wir Gemeindebürger, wie man mit „unseren Promis“ lebt: Ein freundliches Kopfnicken,  ansonsten lässt man sie in Ruhe. Freunde und Nachbarn berichten, dass Loriot  in der Öffentlichkeit nie auffiel. Kannte man ihn näher, fiel das Schutzschild der Ironie weg, es wurde herzlich gelacht und man konnte über alles sprechen.

Im Sommer 1989 fand das viele Jahre sehr beliebte „Spiel ohne Grenzen“ am Schweiblbach in der Gemeinde Münsing statt. Zwei Gemeinden traten in sportlichem Wettstreit gegeneinander an, unterstützt  von einem Rateteam. In unserem saß neben dem damaligen Bürgermeister Silvester Pölt auch Loriot. Nach 34 Jahren spiegeln die verschwommenen Bilder noch immer den spitzbübischen Witz des damals 66jährigen wieder. Der Moderator Michael Schanze fragte ihn: „Sind Sie ein Pedant?“ Darauf sehr spontan: „Ich bin pingelig, wenn Sie’s genau wissen wollen!“

Jede Gemeinde wurde mit einem kleinen Werbefilm vorgestellt. Loriot hat unseren damals mit folgenden Kommentaren unterlegt: „An klaren Tagen stehen die Alpen direkt vor der Türe. Damit uns das nicht zu viel wird, sind sie bei Dunst und Nebel unsichtbar.“ oder „In München sind die Mieten nur deswegen so hoch, weil Münsing in einer halben Stunde erreichbar ist!“

Die gegnerische Partei aus Recklinghausen wurde von Hape Kerkeling auf der Bühne unterstützt. Wir haben ihn nach 34 Jahren angeschrieben und ihn zu Loriot befragt. Freundlicherweise hat er uns umgehend einen Text zukommen lassen, den er anlässlich von Loriots Tod 2011 im Spiegel veröffentlichte. Darin heißt es: „ Auf eine internationale Karriere hat Loriot ja immer verzichtet, da er nach eigenem Bekunden Worte wie ‚Sitzgruppe‘ oder ‚Auslegeware‘ für nicht ins Englische übersetzbar hielt. Aber für unsere Nation war er so etwas wie der heimliche Bundespräsident….. Dieser liebenswürdige, menschenfreundliche, kluge, gebildete und edle Preuße!“

Über einige Besonderheiten unseres Ehrenbürgers Loriot möchten wir noch berichten.

Wer zum „Neujahranblasen“ der Blaskapellen oder welche Sternsinger an Dreikönig  im Ortsteil Wimpasing mitgehen durften, wurde heiß debattiert. War es doch eine besondere Ehre, wenn Loriot selbst zum Taktstock griff oder neben Geld für die Sammelbüchse noch etwas für die durchgefrorenen Dreikönige bereithielt.

Nachbarn haben Loriot nicht als Sportler mit Spazierstöcken oder im Laufdress in Erinnerung. Nur das weithin hörbare Ping Pong – Ping Pong  zeugte von Tischtennisspielen mit seinem Freund Patrick Süskind.

Sicher allen Gemeindebürgern ist das SZ- Interview mit Josefine Schmid noch im Gedächtnis, das sie zum 10. Todestag von Loriot gab. Darin verriet sie, dass dieser gerne von ihr persönlich handgestrickte, anthrazitfarbene Socken mit einer knallroten Spitze trug, natürlich ausschließlich aus vierfädiger Regia-Wolle.

Aus dem Flurfunk der Münsinger Briefträger/innen gibt es noch eine nette Geschichte: Früher kamen Glückwunschtelegramme per Telefon in der Poststelle an. Man nahm diese handschriftlich auf, tippte das Ganze dann in das dafür vorgesehene Schmuckblatt und fuhr dieses wichtige Telegramm umgehend an den Empfänger aus. Loriot, der immer einen ganze Reihe von Telegrammen zum Geburtstag bekam, bat in seiner bescheidenen Art darum, diese zu sammeln und ihm am nächsten Tag gebündelt zu übergeben.

Als unser ehemaliger OSV Vorsitzender Dr. Florian Müller als Gemeinderat und dritter Bürgermeister verabschiedet wurde, bekam er, wie auch eine ganze Reihe ausscheidender Gemeinderäte, diese herrliche Karikatur von der Gemeinde.

Der Münsinger Gemeinderat, Bildrechte Studio Loriot

Nachruf im Heute Journal vom 23.8.2011:

„Loriots Humor ist anarchisch, zugleich bürgerlich, subversiv aber nicht ätzend, elegant aber nicht elitär, durchaus anzüglich aber nie obszön, spöttisch aber immer menschenfreundlich. Ein Humor über den man lauthals lachen konnte, aber ohne die Schenkelklopfer heutiger Comedians. Wäre jemals jemand auf die Idee gekommen, Loriot einen Comedian zu nennen? Natürlich nicht. Er war eine andere Welt: Individualist, Feingeist, Vielkönner.“

Das Bundesministerium der Finanzen bringt am 28. September 2023 zu Ehren des 100. Geburtstag eine 20-Euro-Silbermünze  heraus. Diese „Sammlermünzen greifen historische, kulturelle oder gesellschaftspolitische Themen auf, die für Deutschland von Bedeutung sind.“ Welch wohlverdiente Ehre! Eine Briefmarke wird am 2. November 2023 erscheinen.

Am 23.9. findet um 18:30 Uhr die OSV-Lesung „Der ganz offene Brief“ in der Lothoftenne in Münsing statt.

Diese  „Seltsamkeiten des öffentlichen Lebens“  erschienen in den 1960er Jahren als Kolumnen in der Illustrierten Quick, immer abwechselnd mit seinem Vorbild und Ambacher Freund  Manfred Schmidt. Der Schauspieler Johann von Bülow, ein Mitglieder dieser großen, mecklenburgischen Familie, stellt sich für eine „Nachbarschaftslesung“ zur Verfügung. Bereichert mit wunderbaren Karikaturen wird dieses „Sittengemälde der jungen BRD“ sicher ein Augen- und Ohrenschmaus sein.

Karten nur online unter www.ostuferschutzverband.de

Während der OSV mit seiner Lesung  Loriot als Autor zum Thema nimmt, geht es beim Festkonzert am 12.11.23 in der Isarphilharmonie um  „Loriot und die Musik – eine Liebesgeschichte“. Eintrittskarten über „München Ticket“.

Loriot bleibt für immer in unserem Gedächtnis, schon alleine wegen der Ampelanlage in Münsing, die uns täglich an ihn erinnert, denn „egal, von welcher Seite man sich ihr nähert, sie ist immer rot!“

Petra Schulze und Mechthild Felsch, OSV Vorstand

Pressemitteilung zum Bauvorhaben im Aussenbereich Degerndorf

In Degerndorf plant die Firma AGROBS nach eigener Angabe eine Betriebserweiterung durch Bau zweier großer neuer Produktions- und Lagerhallen im Außenbereich auf der Nordseite des Betriebsgeländes. Dieses Vorhaben beschäftigt anscheinend seit längerer Zeit Landratsamt und Gemeinde Münsing. Es stellt die Bürger der Gemeinde und unseren Verband vor die schwierige Frage, was schwerer wiegt: Der verständliche Wunsch eines heimischen Futtermittelbetriebs nach Vergrößerung oder der Schutz des Außenbereichs vor weiterer Zersiedelung und Versiegelung. Einerseits sollen einheimische Betriebe in ihrer Entwicklung nicht behindert werden. Andererseits soll der Außenbereich nicht einer Bebauung geopfert werden, deren Ende nicht abzusehen ist. Ob die Belastung der Umwelt durch die Staubentwicklung der Futtermittelherstellung tatsächlich so groß ist, dass dafür Außenbereich geopfert werden muss, sollte genau geprüft werden. Für derartige Betriebe sind eigentlich Gewerbe- und Industriegebiete vorgesehen. Es ist ja eine seltsame Logik, dass ein Betrieb sich umso leichter im Außenbereich ansiedeln darf, je stärker er die Umwelt belastet. Diese Fragen und die Frage der zusätzlichen Verkehrsbelastung sollten mit den Bürgern und dem Gemeinderat vor einer Entscheidung gründlich diskutiert werden. Jedenfalls sollte ohne gründliche Planung und Abwägung aller Fragen kein ständig weiterwachsendes Futtermittelindustriegebiet am Rand von Degerndorf geschaffen werden.

Isar Loisachbote, 26./27. August 2023, Tanja Lühr

Wolfratshauser SZ vom 6.01.2024

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/muensing-agrobs-degerndorf-erweiterung-landschaftsschutz-flaechenversiegelung-1.6328140

Dilemma mit Pferdefuß

Gemeinderat berät am Dienstag über die teils umstrittenen Erweiterungspläne der Firma Agrobs

Münsing Die Degerndorfer Firma Agrobs möchte erweitern. Am kommenden Dienstag, 29. August, wird der Gemeinderat über den Bauantrag für zwei weitere Hallen – Nummer 6 und Nummer 7 – auf dem Grundstück an der Angerbreite beraten. Zum Ärger mancher Bürger gab es bereits nicht öffentliche Vorbesprechungen zu dem Projekt.

Der Pferdefutter-Hersteller wäre nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG) privilegiert, das heißt zum Bauen berechtigt. Weil täglich um die 350 Tonnen staubintensive Schüttgüter bei der Produktion anfallen, kann Agrobs nicht einfach in ein Gewerbegebiet oder an einen anderen Standort mit Menschen in der Nachbarschaft ausweichen. Versucht haben die Brüder Simon und Florian – beide Geschäftsführer – sowie Thomas Berger (Prokurist) das nach eigenen Angaben, indem sie unter anderem im neuen Gewerbegebiet in Gelting angefragt haben. Doch dort wollte man sie nicht.

Die Expansionspläne sind im Gemeinderat und in der Bevölkerung umstritten. 2016 errichtete Agrobs zwei neue, rund zehn Meter hohe Hallen zu den damals bereits bestehenden drei. Der Gemeinderat hatte das aufgrund der Rechtslage zähneknirschend genehmigt, jedoch betont, dass man die Entwicklung im Außenbereich damit als abgeschlossen betrachte. Die zwei neuen Gebäude sollen nun auf der freien Wiese nördlich des Bestands entstehen, mit gut 150 Metern Abstand zur geplanten Freiflächen-Photovoltaik-Anlage, um Staub auf den neuen Paneelen auszuschließen.

Während einer Firmenbesichtigung erklärten Simon und Thomas Berger unserer Zeitung, warum die Neubauten notwendig sind. Das vor genau 30 Jahren von Jakob Berger gegründete Unternehmen floriert. Auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten gibt es genügend Pferdebesitzer, die ihren Sport- und Freizeittieren nur das beste Futter anbieten möchten.

Hochwertig sind die mehrfach preisgekrönten Produkte von Agrobs zweifelsohne. Jakob Berger brachte 1983 die ersten gepressten Heupellets für Pferde auf den Markt, die noch heute erhältlichen „Pre Alpin Wiesencobs“. Das Sortiment wurde mit Hilfe von Tierärzten stetig verfeinert und verbessert. Heute findet man von völlig getreidefreien und somit gut verdaulichen Produkten über eiweißreiche Mischungen für laktierende Stuten und Sportpferde bis hin zu kurz geschnittenem Seniorenfutter so ziemlich alles, was das Herz begehrt – Leckerlis, kompakte Würfel für unterwegs sowie mit Luzerne, Ölen, Apfeltrester oder Sonnblumenkernen angereicherte „Müslis“ eingeschlossen. Schon seit 1989 gibt es eine Bio-Schiene.

„Wir verarbeiten 50 verschiedene Rohstoffe“, sagt Simon Berger, der das Unternehmen mit seinen Brüdern seit 2007 leitet, und zeigt auf die vielen, unterschiedlich etikettierten Säcke in den Regalen. 78 eigene Produkte sind es. Auch einige andere Pferdefuttermittel-Hersteller nahmen seine Eltern 1996 mit auf. Das verarbeitete Gras stammt von rund 600 Vertragslandwirten aus der Gemeinde und Umgebung, die nicht alles selbst für ihre Tiere benötigen, beziehungsweise keine Viehhaltung betreiben. Es wird getrocknet, gesiebt, entsteint und entstaubt.

Trotz aller Technik entweiche Staub, und dieser setze sich rund um den Standort ab, erklärt Simon Berger. Das tägliche Volumen sei begrenzt: 400 Tonnen staubintensive Schüttgüter dürften es maximal sein. Das Landratsamt in Tölz habe die Werte vor der Genehmigung der Hallen 4 und 5 prüfen lassen und jetzt noch einmal ganz aktuell, sagt Simon Berger.

Bürgermeister Michael Grasl erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, der Gemeinderat müsse in der kommenden Sitzung darüber entscheiden, ob er einen Bebauungsplan für das Gelände aufstellt. „In dem Fall könnten wir die Entwicklung dort oben besser steuern“, meint Grasl. Denn mehrfach hatte der Rat in den vergangenen Jahren bekräftigt, dass die Entwicklung auf der Anhöhe am Ortsrand nicht endlos so weitergehen könne.

Der Münsinger Rathauschef weist allerdings auch darauf hin, dass Agrobs ein wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler sei. Die Firma beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. 30 von ihnen sind in einem Büro im Gewerbegebiet Am Schlichtfeld in Münsing ausgelagert – auf Dauer ist das kein Idealzustand. Im Jahr 2022 machte Agrobs laut Thomas Berger einen Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro.

Die Kritiker der Erweiterungspläne, darunter die Vorstandschaft des Ostuferschutzverbands (OSV), sehen in den neuen Gebäuden eine Verschandelung des Landschaftsbilds und prangern die Versiegelung von Grünland an. In einer Pressemitteilung fragt sich der Vorsitzende Johannes Umbreit, was schwerer wiege: der verständliche Wunsch eines heimischen Betriebs nach Vergrößerung oder der Schutz des Außenbereichs vor weiterer Zersiedelung und Versiegelung, deren Ende „nicht abzusehen“ sei. Bereits der geplanten und mittlerweile vom Gemeinderat genehmigten Freiflächen-Photovoltaik-Anlage von rund fünf Hektar Größe stand der OSV skeptisch gegenüber. Außerdem befürchtet der Umweltverband eine weitere Zunahme des Schwerlastverkehrs zwischen Münsing und Degerndorf. Darauf entgegnet Thomas Berger: „Neu geschaffene Lagermöglichkeiten am Standort würden die Warenbewegungen zu den gut 20 Außenlagern in der Region reduzieren.“

Mit der Freiflächenanlage möchte Agrobs seinen eigenen Strom generieren. Über 90 Prozent davon sollen ins Netz fließen. 250 Kilowatt Strom liefern bereits Module auf den Dächern der bestehenden Hallen. „Wir sehen uns als ökologisch verantwortungsvollen Betrieb“, sagt Simon Berger, selber Gemeinderat der Einigkeit Degerndorf.

Isar Loisachbote, 31. August 2023, Tanja Lühr

„Entwicklung nicht verhindern,
aber steuern“

Geplante Erweiterung der Firma Agrobs: Gemeinderat beschließt Aufstellung eines Bebauungsplans

Münsing – Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen, einen Bebauungsplan (B-Plan) für das Firmengelände des Pferdefutterherstellers Agrobs in Degerndorf aufzustellen. Der Tagesordnungspunkt hatte zahlreiche Zuhörer ins Rathaus gelockt.

Wie berichtet möchte das florierende Unternehmen an der Angerbreite zwei neue Produktions- und Lagerhallen von 50 mal 30 Metern Größe zusätzlich zu den bestehenden fünf Hallen bauen. Sie sollen nördlich des Betriebsgeländes entstehen. In einer internen Sitzung hat die Leiterin der Bauabteilung des Landratsamts, Juristin Maya Mantel, den Mandatsträgern wohl gesagt, Agrobs dürfe in jedem Fall bauen – ob nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das staubintensive Betriebe im Außenbereich zulässt, oder mit einem durch die Gemeinde aufgestellten Bebauungsplan. Das berichtete Helge Strauß (CSU) von den Vorberatungen. „Wir können also gar nichts beeinflussen“, ergänzte sein Fraktionskollege Thomas Schurz. Beide sprachen sich gegen einen B-Plan aus, weil dieser nur Zeit und Geld koste. Schurz drückte es, wie immer, plakativ aus: „Über was entscheiden wir hier: Darüber, ob zwei Hallen gebaut werden oder ob zwei Hallen gebaut werden.“

Ganz so ist es Bauamtsleiter Stephan Lanzinger zufolge nicht. „Wir können die bauliche Entwicklung mit einem Bebauungsplan zwar nicht verhindern, aber steuern“, erklärte er. Über die Größe der Gebäude lasse sich beispielsweise reden und weitere, eventuell geplante Neubauten könnten abgelehnt werden.

Ein Antrag von Christine Mair (Grüne), Erweiterungen im Norden des Geländes per B-Plan ganz auszuschließen, fand keine Mehrheit. Mit 9:5 Stimmen beschloss der Rat, einen Bebauungsplan in Angriff zu nehmen. Susanne Huber (Freie Wähler) sagte, das in der Bevölkerung heiß diskutierte Thema verdiene eine „sorgfältige Abwägung“. Ernst Grünwald (Wählergruppe Ammerland) meinte, die Mühe sei man den nachfolgenden Generationen schuldig. Professor Matthias Richter-Turtur (Grüne) sprach sich ebenfalls dafür aus, um das „grenzenlose Wachstum“ der Firma zu bremsen. Denn Sorgen bereiten den Kritikern nicht nur die Flächenversiegelung und die Zersiedelung der Landschaft, sondern auch der Schwerlastverkehr, der zum Teil mitten durch Münsing nach Degerndorf rollt. Der Bauantrag der Firma Agrobs auf Grundlage des BImSch-Gutachtens im nächsten Tagesordnungspunkt wurde folglich abgelehnt. Agrobs-Geschäftsführer und Gemeinderat Simon Berger (Einigkeit Degerndorf) war von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen.  

Neue Kulturreihe: „Münsinger Lesungen“

Münsing – Schriftsteller und Literaten lebten und leben zuhauf am Starnberger See. Es gab immer wieder vereinzelte Veranstaltungen mit ihnen. Der Kulturreferent des Gemeinderats, Georg Sebald, möchte der Wortkunst nun ein eigenes Format geben und hat deshalb die neue Reihe „Münsinger Lesungen“ ins Leben gerufen.

„Wir haben die renommierten Holzhauser Musiktage, die traditionellen Konzerte unserer drei Blaskapellen und unsere Theateraufführungen. Der Literatur haben wir bisher wenig Raum gegeben“, sagt Sebald. In Verbindung mit kleinen musikalischen Darbietungen sollen regionale Autoren deshalb eine Bühne erhalten. Georg Sebald denkt dabei auch schon an das zum Ende des Jahres bezugsfertige Bürgerhaus. Dort, aber nicht nur dort, könnte die Reihe fortgesetzt werden. „Wir wollen bewusst alle Örtlichkeiten einbeziehen – von den Tennen über die Cafés bis zum schönen Garten der Grundschule“, sagt Sebald. Unterstützt wird er von zahlreichen Vereinen, wie der „Franz Graf von Pocci Gesellschaft“ oder dem Ostuferschutzverband.

Dem ist es gelungen, Schauspieler Johann von Bülow für eine Lesung zum 100. Geburtstag Vicco von Bülows alias Loriot im September zu gewinnen. Die Gemeinde Münsing gibt eine Anschubfinanzierung für das neu aufgelegte Programm aus dem jährlichen Kulturbudget in Höhe von 5000 Euro. Das Interesse der Künstler sei groß gewesen. „Da war ich sehr positiv überrascht“, sagt Georg Sebald.

Am kommenden Freitag, 7. Juli, liest der Holzhauser Schauspieler Wowo Habdank ab 20 Uhr in der Baderschmied-Tenne aus dem Roman „Bergheim“ des Ambachers Fritz Wagner. Am 23. September findet ab 18.30 Uhr in der Lothhof-Tenne auf Einladung des Ostuferschutzverbands die Loriot-Lesung statt. Der Humorist und Münsinger Ehrenbürger wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Johann von Bülow, ein entfernter Verwandter, wird einige der zwischen 1957 und 1961 in der Zeitschrift „Quick“ erschienenen Kolumnen „Der ganz offene Brief“ vortragen.

Noch offen sind Termine für eine Präsentation des dritten Bands der Münsinger Chronik und eine Lesung mit der aus Tutzinger Autorin Monika Czernin aus „Der Kaiser reist inkognito – Joseph II und das Europa der Aufklärung“. Im Advent liest am Donnerstag, 14. Dezember, nochmals Wowo Habdank ab 20 Uhr in der Ammerlander Kirche die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma.  tal

Info

Kontakt und Infos unter kultur@muensing.de

Ärger um Senioren-Anlage in Münsing: Beton statt Holz – Bürgermeister spricht von „Mogelpackung“

Es soll eine große Wohnanlage für Senioren werden. Die Baugenehmigung wurde vor Monaten erteilt. Jetzt meldet sich die KWA – und plant einige Änderungen. Der Gemeinderat fühlt sich getäuscht.

Isar Loisachbote, 30. März von Tanja Lühr

Münsing – Der Gemeinderat fühlt sich vom „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) getäuscht. Das Unterhachinger Unternehmen, das wie berichtet im Münsinger Ortsteil Ambach eine Senioren-Wohnanlage mit 79 Apartments, Schwimmbad, Veranstaltungssaal und Tiefgarage bauen möchte, hat vier Monate nach Erteilung der Baugenehmigung den ersten Änderungsantrag (Tektur) eingereicht. Der Bauherr möchte jetzt das historische „Waldschlössl“ inmitten des Ensembles doch nicht wie ursprünglich geplant sanieren und zu einem Restaurant- und Verwaltungsgebäude umbauen. Stattdessen will KWA es abreißen und mit originalgetreuer Fassade wieder errichten.

Ärger um Senioren-Anlage in Münsing: Bürgermeister spricht von „Mogelpackung“

Wie KWA-Baumanager Gerhard Schaller in der Gemeinderatssitzung am Dienstag erklärte, könne die Gebäudesubstanz nach Prüfung durch einen Fachmann nicht erhalten werden. Im Zuge der Freilegung seien wesentlich größere Schäden am Mauerwerk als vermutet erkannt worden. Außerdem soll ein anderes Gebäude um eineinhalb Meter größer werden als geplant. Beides hätte der Gemeinderat noch geschluckt. Ursula Scriba (Bürgerliste) bedauerte allerdings, dass das „Herzstück Waldschlössl“ abgebrochen werden soll. Nach Meinung von Helge Strauß (CSU) ließe es sich durchaus sanieren. Dass KWA von der Holzbauweise, mit der Architekt Matteo Thun von Anfang an geworben hatte, auf Ziegel- und Betonbau mit Holzverkleidungen umschwenken möchte, will sich der Gemeinderat jedoch nicht gefallen lassen. Laut Schaller hat man festgestellt, dass es bei einer reinen Holzbauweise Probleme mit der Statik und Bauphysik geben würde. Die 2,20 Meter breiten Balkone etwa würden ohne Stützen nicht aus reinem Holz funktionieren. Stützen wolle man jedoch keine – wegen der angestrebten „horizontalen Optik“ der Gebäude.

Stararchitekt macht einen Entwurf – „dann stellt sich heraus: Er funktioniert nicht“

Architektin Ursula Scriba ist schleierhaft, warum man die Tragwerksproblematik nicht von Anfang an erkannt hat. Susanne Huber (Freie Wähler) spottete: „Da macht ein Star-Architekt wie Matteo Thun so einen Entwurf und dann stellt sich heraus: Er funktioniert nicht.“ Selbst Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) fand deutliche Worte: „Herr Thun hat uns eine Holzbauweise mit Holz aus der Region, kohlendioxidneutral und zu 100 Prozent recyclebar, vorgestellt. Und jetzt geht’s hier um eine Holzoptik“. Das sei eine „Mogelpackung“.

Zimmerermeister Thomas Schurz (CSU) sagte, er fühle sich „geblendet“. Stefan Holzheu (Wählergruppe Holzhausen) sprach von einer „Salamitaktik durch die Tekturen“ und appellierte an den Bauherren, sein Versprechen einzuhalten. Dem schloss sich Christine Mair (Grüne) an. Zumindest in den Obergeschossen könne man ohne Weiteres Holz verwenden.

Holzbauweise sollte nachhaltig werden – jetzt gibt es ganz andere Pläne

Huber sieht das Vertrauen, das der Gemeinderat KWA von Anfang an entgegengebracht habe, aufs Spiel gesetzt. Strauß mutmaßte, dem Bauherrn gehe es „nur ums Wirtschaftliche“, was auch Schurz vermutet. Mit 9:6-Stimmen votierte der Gemeinderat für die beiden Änderungen, das heißt, Abriss des Waldschlössls und Überschreitung eines Bauraums. Ausdrücklich vermerkte das Gremium zum Tekturantrag, dass man besonderen Wert auf eine ökologische Bauweise unter Verwendung regionaler Materialien, insbesondere Holz, lege.

Schaller hatte der geballten Kritik nicht viel entgegenzusetzen. Der KWA-Baumanager versprach, sie mit nach Unterhaching zu nehmen. Eine Stellungnahme war von dort am Tag nach der Gemeinderatssitzung für unsere Zeitung nicht zu erhalten. Bürgermeister Grasl suchte am Mittwoch extra noch einmal die Präsentation des international bekannten und mehrfach ausgezeichneten Mailänder Architketen Matteo Thun für unsere Redaktion heraus. Thuns Entwurf mit sechs lang gezogenen Neubauten in Holzfertigbauweise rund um die Villa Waldschlössl setzte sich 2018 bei einem von der Gemeinde organisierten Wettbewerb gegen das Modell des Büros Beer, Bembé, Dellinger mit sieben kleineren Wohnhäusern und ebenfalls Beibehaltung des „Waldschlössls“ durch. Mit den Schlagworten „zero CO2, zero km und zero waste“ warb Thun damals für seine Häuser aus regionalem Holz. Für den Gemeinderat war das neben der Funktionalität ein wesentliches Argument.

Holzbauweise für Wohnstift unverhandelbar

Wolfratshauser SZ, 30.03.2023 von Benjamin Engel

Das KWA will seine Seniorenrichtung in Ambach doch als Massivbau errichten – und löst damit Kritik in Münsing aus.

Für den Bau des Ambacher Seniorenwohnstifts droht das „Kuratorium Wohnen Alter“ (KWA) im Münsinger Gemeinderat massiv an Vertrauen zu verlieren. Schon vor drei Jahren hatte das Gremium kritisch reagiert, als das Unternehmen bekanntgab, die oberen Stockwerke statt in Holz- in Massivbauweise zu errichten. Ein Rückzieher seitens des KWA folgte. Nun schwenkt das Unternehmen erneut um. Im Rahmen einer Tektur zum Baugenehmigungsantrag wurde öffentlich, dass nur noch eine Ziegelbauweise vorgesehen ist, was viele Gemeinderäte massiv kritisierten. Außerdem will das KWA das historische Waldschlössl-Gebäude abreißen und neu aufbauen statt wie angekündigt zu erhalten. Das Unternehmen argumentiert mit statischen und bauphysikalischen Gründen.

Bleiben die Pläne unverändert, wäre somit nur die Fassade holzverkleidet. „Das reicht uns nicht“, so Münsings Bürgermeister Michael Grasl (FW). Die Holzbauweise sei ein wesentlicher Bestandteil des Architektenwettbewerbs gewesen. Baumeister Matteo Thun habe dies so vorgestellt. Laut Münsings Rathaus-Chef sei der Tekturantrag aus rechtlicher Sicht aber nicht abzulehnen. Es lasse sich nur die Gestaltung, nicht aber die Materialauswahl regeln. Im Waldschlössl sei die Bausubstanz aber so schlecht, dass ein originalgetreuer Neubau besser sei als der Erhalt. Schlussendlich stimmte der Gemeinderat mit neun zu sechs Stimmen zwar der Tektur zu. Im Beschluss findet sich der Satz: „Der Gemeinderat legt besonderen Wert auf eine ökologische Bauweise unter Verwendung regionaler Materialien (insbesondere Holz).“

KWA hält Holz wegen der Statik und Bauphysik für problematisch

Als „ökologisch gar nicht so schlecht“ bezeichnete Gerhard Schaller die KWA-Pläne. Der Geschäftsführer des unternehmensinternen Baumanagements verwies etwa auf 4000 bis 5000 Kubikmeter Abbruchmaterial der früheren Sanatoriumsgebäude, die wieder verwendet würden, etwa Stahl, der zuvor getrennt worden sei. „Die Balkone sind frei tragend, müssen gleichzeitig die Dachlast tragen“, so Schaller. „Das können sie ohne Stützen nach unten in Holz nicht bauen.“ Damit würden die Gebäude auch die von Architekt Matteo Thun angedachte Horizontalwirkung der Fassade verlieren. Zudem komme es in den KWA-Einrichtungen auch immer einmal zu Zimmerbränden, weil etwa demenziell erkrankte Bewohner Kerzen anzündeten und so Feuer auslösten. Müsse gelöscht werden, sei die eingedrungene Feuchtigkeit nicht mehr aus der Gebäudesubstanz herauszubringen. „Das ist für uns hoch problematisch“, so Schaller und räumte ein, mit diesen Schwierigkeiten schon früher gerechnet zu haben.

Vertrauen habe hohen Wert, so Susanne Huber

Damit ließ sich der Gemeinderat jedoch kaum positiver stimmen. „Wir bekommen nicht das, was man uns versprochen hat“, kritisierte Susanne Huber (FW) und erinnerte an den hohen Wert des Vertrauens. „Alles, was jetzt weg ist, ist sehr schwer wieder zu gewinnen.“ Ursula Scriba (Bürgerliste) sprach von einem Armutszeugnis. Jahre seien vergangen, bis publik geworden sei, dass ein Massivbau geplant sei. Dass das Waldschlössl – dort sind Restaurant und Lobby des Wohnstifts geplant – abgerissen werden solle, empfinde sie als Brüskierung des Gemeinderats.

Eine Holzbauweise in den Obergeschossen, wenn wohl auch teurer, weiterhin für machbar zu halten, betonten einige Gremiumsmitglieder. „Ich bin frustriert, weil eine CO₂-neutrale Bauweise bei mir großen Einfluss hatte, wofür ich mich entschieden habe“, so Christine Mair (Grüne). Thomas Schurz (CSU) kündigte an, der Tektur nicht zuzustimmen. „Es muss ein klares Zeichen sein, dass wir uns vera…t vorkommen.“

Die Reaktion von KWA tags darauf: Der Vorstand sei in einer Frühjahrstagung und könne sich erst anschließend beraten, so Geschäftsführer Gerhard Schaller per E-Mail.

Kommentar

Vom Wert des Vertrauens

Mit ökologischen Aspekten haben die Bauherren und Architekt Matteo Thun für die Pläne zum Ambacher Seniorenwohnstift geworben. Wenn nun auf Massiv- statt Holzbau gesetzt werden soll, beschädigt dies das wichtige Vertrauensverhältnis zur Gemeinde.

Eine gute Geschichte erzählen zu können, sei wichtig, um die Menschen von der eigenen Idee zu überzeugen. So wird es wenigstens heutzutage regelmäßig betont. Insofern hat der durch das „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) beauftragte Architekt Matteo Thun alles richtig gemacht, als er für seine Pläne des Ambacher Seniorenwohnstifts warb. Im Mittelpunkt standen die ökologischen Aspekte – von der Holzfertigbauweise in den oberen Stockwerken der am Archetypus des Langhauses orientierten Gebäuden, der Nutzung möglichst regionalnaher Materialien bis zu begrünten Dächern, wodurch die Häuser gleichsam mit der Landschaft verschmelzen sollten. Was der italienische Architekt zu berichten wusste, klang womöglich aber fast zu schön.

Das KWA versucht inzwischen zum zweiten Mal, sich von zentralen Element der Holzbauweise in den oberen Stockwerken abzuwenden. Der Hintergrund aus Unternehmenssicht: Statische und bauphysikalische Probleme und wohl auch schlicht und einfach Kostengründe. Nun kann es durchaus sein, dass im Planungsprozess neue Erkenntnisse zum Umdenken zwingen. Allerdings kommt das Umschwenken von Holz- zur Massivbauweise reichlich spät. Nach einem langjährigen Planungsverfahren hat der Gemeinderat den Bauantrag bereits genehmigt und konnte drei Jahre lang darauf vertrauen, dass die KWA die gewünschte Holzbauweise auch umsetzt.

Wenn wirklich stimmt, dass der Geschäftsführer des KWA-Baumanagements deswegen schon länger mit möglichen Statik-Problemen rechnete, wie er in Münsings jüngster Ratssitzung äußerte, hätte dies das Unternehmen dem Gemeinderat frühzeitig offenlegen müssen. Denn solche Transparenz stiftet Vertrauen. Insofern ist die Kritik in Münsings kommunalpolitischem Gremium berechtigt, auch wenn eine Ablehnung des Tekturantrags auch gegen die Rechtslage konsequenter gewesen wäre. Das KWA ist nun gefordert, Vertrauen zu halten.

Ar­chi­tek­tur für die Oh­ren

Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis ent­wi­ckelt mit sei­nem Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per „So­und­dra­ma­tur­gi­en“ – ei­ne neue Kunst­form, die un­ge­ahn­te Klang­land­schaf­ten er­öff­net

In­ter­view: Ste­pha­nie Schwa­de­rer, Wolfratshauser SZ vom 12.01.2023

Münsing: Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis, Jahr­gang 1984, hat Kunst­wis­sen­schaft stu­diert und war Meis­ter­schü­ler von Ste­phan Hu­ber an der Münch­ner Aka­de­mie der Bil­den­den Küns­te. Sei­ne Pro­jek­te be­we­gen sich zwi­schen Thea­ter, Per­for­mance, Film und Mul­ti­me­dia­kunst. Seit ei­ni­gen Jah­ren be­fasst er sich in­ten­siv mit dem The­ma Klang und Raum.

SZ: Herr Kruis, ken­nen Sie Men­schen, die nie ei­nen Kopf­hö­rer auf­set­zen?

Fe­lix Kruis: Nein. Der Kopf­hö­rer ist ei­ner der neu­en gro­ßen Re­zep­ti­ons­stan­dards in un­se­rer Welt ge­wor­den.

Den­noch soll es sie noch ge­ben. Was ent­geht ih­nen?

Auf die­se Fra­ge gibt es ge­wiss ganz un­ter­schied­li­che Ant­wor­ten. Be­zo­gen auf mei­ne Ar­beit wür­de ich sa­gen: Ih­nen ent­ge­hen drei­di­men­sio­na­le Hör­land­schaf­ten, wie man sie nie mit ei­nem Laut­spre­cher er­le­ben könn­te.

Sind die­se Hör­land­schaf­ten ei­ne neue Er­fin­dung?

Nein, 3D-Au­dio gibt es be­reits seit Jahr­zehn­ten, aber es steckt noch im­mer in den Kin­der­schu­hen. Zu­sam­men mit Ju­li­an Käm­per ent­wick­le ich seit 2019 ein Feld­re­cher­che-Pro­jekt mit dem Ti­tel So­und­dra­ma­tur­gi­en. Das um­fasst ein Ge­biet mit rie­si­gem Po­ten­zi­al.

Klang im rea­len Le­ben ist im­mer drei­di­men­sio­nal. Was zeich­net 3D-Au­dio aus?

Das stimmt, im All­tag hö­re ich die Ge­räu­sche um mich her­um in 3D. So­bald ich aber bei­spiels­wei­se ein Mu­sik­stück mit Laut­spre­cher an­hö­re, egal ob Mo­no oder Ste­reo, wird der Klang – ver­ein­facht ge­sagt – zwei­di­men­sio­nal. Das kann man sich wie ei­ne Ki­no­lein­wand vor­stel­len: In der Brei­te wird ein Klang­feld er­zeugt. Drei­di­men­sio­na­ler Klang hin­ge­gen titscht über­all her­um, kommt aus ei­ner Ecke, kor­re­liert mit ei­nem Raum, biegt um die Ecke und ver­schwin­det wie­der.

Bild­haue­rei für die Oh­ren?

Eher Ar­chi­tek­tur. Man setzt den Hö­rer nicht mehr vor die Lein­wand, son­dern er­schafft ei­nen ge­plan­ten künst­le­risch-äs­the­ti­schen Raum um ihn her­um.

Auf You­tube kann man Ih­ren Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per bei ei­nem Kopf­hö­rer­kon­zert mit den Münch­ner Phil­har­mo­ni­kern er­le­ben. Er be­wegt sich auf der Büh­ne, hat zwei klei­ne Mi­kro­fo­ne in den Oh­ren und lässt die Gäs­te das Kon­zert auf die­se Wei­se mit sei­nen Oh­ren hö­ren. War­um?

Der ganz gro­ße Un­ter­schied zu ei­nem nor­ma­len Kon­zert­er­leb­nis be­steht zu­nächst ein­mal dar­in, dass sich mit dem Kopf­hö­rer der Sweet Spot der Mu­sik de­fi­nie­ren lässt. Al­so der Punkt, der ein op­ti­ma­les Klang­er­leb­nis bie­tet. Bei ei­nem ana­lo­gen Kon­zert in ei­nem Raum lässt sich nur un­ge­fähr ab­schät­zen, wie die Mu­sik bei den Leu­ten an­kommt. Die Mu­si­ker spie­len ir­gend­wie in Rich­tung Pu­bli­kum. Sie wis­sen aus Er­fah­rung: Wenn ich so oder so mit mei­nem Kol­le­gen zu­sam­men­spie­le, wird das wahr­schein­lich so und so bei den Leu­ten an­kom­men. In der Re­gel funk­tio­niert das ei­ni­ger­ma­ßen. Mit dem Kopf­hö­rer än­dert sich al­les ra­di­kal. Mein Kol­le­ge hat die­ses spe­zi­el­le Mi­kro­fon in den Oh­ren, das es al­len an­de­ren, die im Raum Kopf­hö­rer tra­gen, er­mög­licht, mit sei­nen Oh­ren zu hö­ren. Und die Mu­si­ker spie­len nun ex­pli­zit für sei­ne Oh­ren. Das ver­än­dert ra­di­kal das gan­ze Spiel und die In­ter­pre­ta­ti­on ei­nes Stü­ckes. Auch be­stehen­de Stü­cke be­kom­men ei­ne ganz neue Fas­sung. Das ist noch ra­di­ka­ler als bei un­ter­schied­li­chen Di­ri­gen­ten, die ja auch ih­re ei­ge­ne Hand­schrift ha­ben.

Das hei­ßt: Der So­und­dra­ma­turg mit den klei­nen Mi­kro­fo­nen im Ohr ent­schei­det, wie ein Stück klingt.

Ge­nau. Im Fall der Münch­ner Phil­har­mo­ni­ker ha­ben sich Ju­li­an Käm­per und ich zu­sam­men mit den Mu­si­kern ei­ne ex­ak­te Cho­reo­gra­fie aus­ge­dacht. Da war nichts zu­fäl­lig. Des­halb ist es auch nicht ver­gleich­bar mit be­geh­ba­ren Kon­zer­ten, bei den man sich die Or­te aus­sucht, an de­nen man den Mu­si­kern lauscht.

Wird man künf­tig mit Kopf­hö­rern ins Kon­zert ge­hen?

Nein, ich wür­de nicht sa­gen, dass al­le Kon­zer­te der Welt auf die­se Wei­se ge­hört wer­den soll­ten. Es ist ei­ne ganz ei­ge­ne Hör­si­tua­ti­on mit ganz ei­ge­nen Mög­lich­kei­ten und ei­ner ganz ei­ge­nen Span­nung. Ei­ne ei­ge­ne neue Kunst­form. Wir ma­chen auch Ex­pe­ri­men­te mit Thea­tern oder Kopf­hö­rer-Fil­me. Die Tech­nik ist all­ge­mein­gül­tig und kann sehr gut für sich al­lein ne­ben al­len an­de­ren Auf­füh­rungs­for­men ste­hen.

Sie sa­gen, den Men­schen feh­le ein „vor­der­grün­di­ges Be­wusst­sein für die uns um­ge­ben­de Klang­sphä­re“. Liegt in un­se­ren Köp­fen et­was brach, das sich auf­we­cken und schu­len lässt?

Tat­säch­lich kön­nen Men­schen nicht so gut drei­di­men­sio­nal hö­ren, wie sie den­ken. Links und rechts kann man sehr gut un­ter­schei­den, aber bei oben und un­ten oder vorn und hin­ten wird es schon pro­ble­ma­ti­scher, vor al­lem wenn der Klang et­was wei­ter weg ist. Bas­si­ge Klän­ge sind zu­dem schwie­ri­ger zu er­fas­sen als hel­le, schnei­den­de. Wenn wir et­was drei­di­men­sio­nal ar­ran­gie­ren, müs­sen wir es ähn­lich wie beim Thea­ter über­trei­ben, da­mit es nor­mal an­kommt. Fakt ist: Es gibt kei­ne drei­di­men­sio­na­le Hör­kul­tur. We­der bei Kon­zer­ten noch beim Fil­me­schau­en sind wir da­mit ver­traut, auch Dol­by Sur­round än­dert dar­an nichts. Man hat kei­ne Er­war­tung an ein drei­di­men­sio­na­les Hö­ren und weiß gar nicht: Was ist in­ter­es­sant, wor­auf muss ich ach­ten? Des­halb bau­en wir un­sere 3D-Kon­zer­te wie ei­ne klei­ne Schu­lung auf. Wir be­gin­nen mit ei­ner mi­ni­ma­lis­ti­schen Klangim­pro­vi­sa­ti­on, und zum Schluss gibt es bei­spiels­wei­se ein kom­ple­xes Stück von John Ca­ge, in das man sich rich­tig fal­len­las­sen kann. Auch bei den Ra­dio­sen­dun­gen, die wir für den BR und SWR pro­du­zie­ren, neh­men wir die Hö­rer bei der Hand und len­ken ih­re Auf­merk­sam­keit. Da­bei kann man auch Tricks an­wen­den oder mit iko­ni­schen Klän­gen ar­bei­ten, al­so mit Klän­gen, die mit ei­ner kla­ren Er­war­tung ver­bun­den sind.

Funk­tio­niert So­und­dra­ma­tur­gie auch bei Leu­ten, die schlecht hö­ren oder ein Hör­ge­rät brau­chen?

Wenn man äl­ter wird und ge­wis­se Tö­ne nicht mehr wahr­neh­men kann, wird auch das 3D-Hö­ren schwie­ri­ger. Das ist so. Auch das 3D-Gu­cken im Ki­no kann nicht je­der, man­chen wird schlecht oder schwind­lig da­von. Für Hör­ge­schä­dig­te gibt es die Mög­lich­keit der In­duk­ti­ons­über­tra­gung. Da­mit ha­ben wir noch nicht ge­ar­bei­tet. Aber auch das ist ein span­nen­des Feld.

Von wel­cher Klang­land­schaft träu­men Sie? Was wür­den Sie ger­ne in 3D um­set­zen?

Da ha­be ich kei­nen spe­zi­el­len Wunsch. Es ist eher um­ge­kehrt: Für mich ist es in­ter­es­sant, sehr ge­nau hin­zu­hö­ren, wie ein­zel­ne Räu­me klin­gen, und den ein oder an­de­ren dann für ein spe­zi­el­les Kon­zert aus­zu­wäh­len oder für ein akus­ti­sches Thea­ter­stück mit ei­nem En­sem­ble. Ne­ben der künst­le­ri­schen Ar­beit ha­be ich aber auch ei­nen wis­sen­schaft­li­chen An­spruch: Wel­che Me­cha­nis­men be­stim­men ei­ne 3D-Klang­land­schaft? Wel­ches Hand­werk­zeug brau­che ich, um ei­ne ge­wis­se Wirk­mäch­tig­keit zu er­zie­len? All das wur­de noch nie er­fasst.

Sie stel­len Ih­re Ar­beit dem­nächst beim Ost­ufer­schutz­ver­band vor. Was möch­ten Sie ih­ren Gäs­ten in Holz­hau­sen mit­ge­ben?

Ei­nen Ein­druck da­von, wie sich die Tech­nik und die Hör­ge­wohn­hei­ten in der Welt ge­än­dert ha­ben und wel­che künst­le­ri­schen Mög­lich­kei­ten dies er­öff­net. Ich se­he mich nicht als Auf­klä­rer. Aber ich wür­de schon ger­ne ver­mit­teln, dass man den neu­en Tech­ni­ken durch­aus Po­si­ti­ves ab­ge­win­nen kann. Al­lein mit ei­nem Smart­pho­ne und ei­nem Kopf­hö­rer las­sen sich ganz neue künst­le­ri­sche Di­men­sio­nen er­schlie­ßen.

„Die Zu­kunft des Mu­sik­hö­rens“, Frei­tag, 27. Ja­nu­ar, 19.30 Uhr, Al­tes Schul­haus Holz­hau­sen, Kirch­berg­stra­ße (ge­gen­über der Holz­hau­ser Kir­che), 15 Eu­ro. Bis Mit­te Fe­bru­ar stel­len wir Ih­nen Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den Tas­si­lo-Kul­tur­preis 2023 vor. Al­le No­mi­nier­ten fin­den Sie im In­ter­net un­ter sz.​de/​tassilo

Medizinische und humanitäre Hilfe

Ghanaische Ärztekammer würdigt langjähriges Engagement von Prof. Matthias Richter-Turtur, Mitglied des Beirates im OSV

Münsing/Ghana – Seit mehr als 35 Jahren setzt sich der Münsinger Professor Matthias Richter-Turtur, Chirurg und ehemaliger ärztlicher Direktor der Kreisklinik Wolfratshausen, ein für die Ausbildung afrikanischer Chirurgen und für die Verbesserung der chirurgischen Versorgung in afrikanischen Krankenhäusern. Dafür wurde er jetzt zum Ehrenmitglied der Ghanaischen Ärztekammer (Ghana College of Physicians and Surgeons) ernannt.

1986 besuchte Richter-Turtur das westafrikanische Land zum ersten Mal, um dort humanitäre und medizinische Hilfe zu leisten. „Es war der Beginn einer sehr fruchtbaren Partnerschaft, die noch heute Früchte trägt“, heißt es in der Begründung zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Während seiner Dienstzeit als Chirurg in Wolfratshausen von 1995 bis 2007 wurden dort allein vier Fachärzte für Chirurgie aus Ghana ausgebildet und 15 weitere in den großen Münchner Krankenhäusern auf ihrem Werdegang und bei Facharztprüfungen unterstützt.

Richter-Turtur sorgte für die passenden Aus- und Weiterbildungsplätze in den Krankenhäusern und für die Arbeitserlaubnis in Deutschland. Nicht wenige junge Mediziner nahmen er und seine Frau bei sich zu Hause in Ammerland auf. „Alle Ärzte kehrten zurück in ihr Heimatland und arbeiten heute in leitenden Funktionen in öffentlichen Krankenhäusern“, berichtet der 74-Jährige. Auch im Ruhestand machte er seinen Einfluss und seine Kontakte geltend, damit medizinisches Equipment und zuletzt Medikamente für Covid-19-Patienten nach Ghana gelangten.

Richter-Turtur ergänzt, dass der Lions Club München-Isartal einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der meist langjährigen Weiterbildungsaufenthalte der jungen Ärzte in Form von Stipendien unterstützt habe. „Unser gemeinsames Engagement diente der Verbesserung der medizinischen Versorgung in Ghana“, so der Münsinger.

Inzwischen konnte die Aktivität verlagert und ausgeweitet werden in eine Klinikpartnerschaft zwischen der TU München und dem Komfo Anokye Teaching Hospital im ghanaischen Kumasi. Bei der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft in der Hauptstadt Accra im Dezember wurde der Münsinger nach englischer Tradition mit Doktorhut und reich geschmücktem Talar ausgestattet. Die Auszeichnung würdige auch die Kreisklinik Wolfratshausen in ihrer damals wichtigen Funktion als Ausbildungsstätte für junge Mediziner aus Entwicklungsländern, betont Richter-Turtur.  

TANJA lÜHR, Isar Loisachbote, 10. Januar 2023

Brief an den Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Grasl,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,

wie wir dem aktuellen Aushang der Tagesordnung für die Sitzung am kommenden Dienstag, entnehmen konnten, sollen unter TOP 9 und 10 die Aufstellungsbeschlüsse für vorhabenbezogene Bebauungspläne für zwei Freiflächen-PV-Anlagen gefasst werden. Aus der Presse haben wir entnommen, dass eine Anlage mit ca. 2,7 ha in der Nähe der Autobahnausfahrt Münsing, die andere mit ca. 5 ha in der Nähe des Betriebs Agrobs realisiert werden sollen.

Wir begrüßen, sowohl aus ökologischen wie auch aus Gründen der Energieversorgung in der aktuellen Energiekrise, das von der Gemeinde Münsing vorgelegte Tempo, sowie den Umstand, dass sich die Gemeinde eine Leitlinie zur Entwicklung von Freiflächen-PV-Anlagen gegeben hat, außerordentlich.

Angesichts des Umstandes, dass diese Anlagen mindestens auf die Dauer von 20, wenn nicht 30 Jahren das Orts- bzw. Landschaftsbild Münsings maßgeblich gestalten werden, auch weil ein Freiflächen-PV-Ausbau in Münsing mit einer Fläche von bis zu 25 ha insgesamt vorgesehen ist, bitten wir darum, noch vor Fassen des Aufstellungsbeschlusses eine vorgezogene Bürgerveranstaltung oder ein sonstiges vorgezogenes „Vorverfahren“ durchzuführen. Dieses Vorverfahren soll es einerseits allen Interessenten, die ebenfalls erwägen, Flächen für die Freiflächen-PV zu nutzen, ermöglichen, diese bei der Gemeinde anzumelden;  wir sind uns nicht sicher, ob alle Eigentümer von geeigneten Flächen hinreichend Kenntnis über diese anstehenden Entwicklungen in Münsing haben. Auf Basis dieser dann innerhalb einer festzulegenden, nicht allzu langen Frist eingehenden Anmeldungen könnten die dann der Gemeinde gemeldeten Flächen nach einem Kriterien- oder Punktekatalog bzw. der Leitlinie, die sich die Gemeinde Münsing gegeben hat, transparent und vergleichbar bewertet und in eine Reihung gebracht werden. Bei dieser Veranstaltung bzw. in diesem Vorverfahren sollten

auch die Möglichkeiten der bekannten Bürgerbeteiligungsmodelle dargestellt werden, damit die Bürger rechtzeitig Gelegenheit erhalten, hierfür Interesse auszubilden und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu prüfen. Insbesondere sollte es auch dazu dienen, mit den verschiedenen Eigentümern vorab im Rahmen einer Art städtebaulichem Vorvertrag verbindlich zu regeln, dass und welche Art von Bürgerbeteiligungsmodell gewählt wird, weil andernfalls zu befürchten stünde, dass die Bebauungsplanungsverfahren eine solche Eigendynamik entwickeln, dass am Ende diese Thematik zu kurz kommt.

Eine solche Vorgehensweise scheint uns auch gerade aus Gründen der Akzeptanz dieser Anlagen durch die Bürger Münsings geboten. Insbesondere sollte vermieden werden, dass mit den beiden Aufstellungsbeschlüssen jetzt eine Art von Windhundrennen beginnt, wobei dann möglicherweise nicht die geeignetsten Flächen ausgewiesen werden, sondern die der schnellsten Antragsteller. Die Problematik wird offensichtlich, als ja durch die beiden antragsgegenständlichen Flächen schon fast ein Drittel der beabsichtigten Gesamtfläche von 25 ha belegt würde, wovon ein Antragsteller allein ein Fünftel der Gesamtfläche für sich beansprucht. Wir halten es deswegen für essentiell, dass eine Gesamtübersicht über alle in der Gemeinde zur Verfügung stehenden bzw. nach der Leitlinie geeigneten Flächen erlangt wird (sofern noch nicht gegeben) und diese vor Entscheidung über die Ausweisung eine Gesamtbewertung ermöglicht. Im Rahmen der Bewertung sollte auch erwogen werden, jeweils eine Visualisierung, mit Blickrichtungen von verschiedenen Standpunkten aus, durchführen zu lassen.

Diese Vorprüfung ist aus unserer Sicht spätestens im Verfahren ohnehin durchzuführen, da aus naturschutzrechtlichen Gründen eine Alternativenprüfung notwendig sein dürfte. Eine solche Vorprüfung ist aber aus unserer Sicht auch angesichts der Leitlinie der Gemeinde Münsing erforderlich, weil dort nachvollziehbarerweise auf eine ausgewogene Verteilung der Anlagen im Gemeindegebiet Wert gelegt wird. Dabei sollte es aber nicht nur auf die Anzahl der Anlagen, sondern vielmehr auch auf die dem jeweiligen Standort angemessene Größe im Gemeindegebiet ankommen. So dürfte es grundsätzlich wohl angemessener sein, auf eine größere Anzahl kleinerer Anlagen zu setzen, und zwar auch gerade aus Gründen der Akzeptanz der Anlagen in der Bürgerschaft. Dabei scheint es uns aber –  und insofern würden wir darum bitten, die entsprechende Aussage in der Leitlinie noch einmal zu diskutieren und gegebenenfalls nachzuschärfen – unerlässlich auf Bürgerbeteiligungsmodelle zu setzen (s.o.). Diese Modelle sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendiger Faktor zur Erhöhung der Akzeptanz und Transparenz.

Bei der Bauleitplanung wird es aus unserer Sicht schließlich darauf ankommen, bereits im Durchführungsvertrag Regelungen zum Rückbau der Anlagen vorzusehen. Die Erfahrung zeigt, dass dort, wo einmal gebaut worden ist, ein Rückbau und eine Rückkehr zur Landwirtschaft oder zur Natur eben nicht erfolgt. Ein Verweis auf  die spätere Möglichkeit, mittels Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans einen solchen Rückbau zu ermöglichen, ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Die Rechtsfolge des Rückbaus muss bereits jetzt mit bedacht sein.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dieses Schreiben in geeigneter Form den Gemeinderatsmitgliedern rechtzeitig vor der Sitzung zur Verfügung stellten. Wir würden es sehr begrüßen, wenn man sich im Interesse des Landschaftsbildes noch einmal die Zeit nähme, allgemein abzufragen, ob es weitere geeignete oder vielleicht auch geeignetere Flächen gibt bzw. weitere Eigentümer, die diese zur Verfügung stellen würden und wenn man im Sinne der Transparenz und Akzeptanz bei den Bürgern vorab eine eigene Veranstaltung wie oben dargestellte durchführte.

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Umbreit, Petra Schulze, Manfred Stecher, Gustav Neumeister, Mechthild Felsch

Bericht in der Wolfratshauser SZ vom 25.10.2022:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/photovoltaik-muensing-bebauungsplanverfahren-ostuferschutzverband-erneuerbare-energie-1.5680483

Bericht im Isar Loisachboten vom 25.10.2022
https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/knapp-acht-hektar-photovoltaik-buergerbeteiligung-gefordert-91873592.html

Bericht in der Wolfratshauser SZ vom 27.10.2022
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/photovoltaik-muensing-gemeinderat-muensing-michael-grasl-erneuerbare-energien-1.5682210

Bericht im Isar Loisachboten vom 28.10.2022
https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-startschuss-fuer-bau-von-zwei-freiflaechen-photovoltaik-anlagen-91877870.html

„Der OSV ist nun wieder arbeitsfähig.“

Johannes Umbreit ist der neue Vorsitzende des 1929 gegründeten Ostuferschutzverbandes. Im Gespräch erklärt er, wie er sich die künftige Arbeit im Vorstand vorstellt – und wie sich der Verband künftig politisch positionieren will.

Von Benjamin Engel, Wolfratshauser SZ, 4. Oktober 2022

Der Wechsel an der Spitze des Ostuferschutzverbandes (OSV) im vergangenen Juli war turbulent. Schlussendlich löste der bisherige Stellvertreter Johannes Umbreit die langjährige Vorsitzende Ursula Scriba im Vorsitz ab. Umbreit, Professor an der Hochschule für Musik und Theater München, hatte gemeinsam mit den übrigen Vorstandsmitgliedern zunächst zu einer parallelen Mitgliederversammlung eingeladen, dann aber entschieden, sich doch der Versammlung anzuschließen, die Scriba einberufen hatte. Dort wurde er zum Vorsitzenden gewählt.

SZ: Herr Umbreit, ist der Ostuferschutzverband durch die jüngsten Querelen im Vorstand beschädigt?

Johannes Umbreit: Eine Beschädigung eines Vereins kann meiner Ansicht nach nur vorliegen, wenn gegen die Vereinsziele verstoßen wird. Ein Wechsel im Vorsitz ist ein demokratischer Vorgang, und an seinem Stuhl sollte niemand kleben. Die Mitglieder des Vereins haben das wahrscheinlich auch so gesehen, denn Austritte gab es so gut wie keine. Mit der Neuwahl des Vorstands wurde die Lähmung der Vorstandsarbeit überwunden, das Gremium ist nun wieder arbeitsfähig.

Sie sind jetzt neuer OSV-Vorsitzender. Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?

Den Schwerpunkt meiner Tätigkeit sehe ich darin, den Verein mit der Gesamtheit des Vorstandes zu führen und die Projekte gemeinsam abzustimmen. Es geht darum, den Schutz von Landschaft, Umwelt und Denkmälern der Kulturlandschaft Starnberger See in den Mittelpunkt zu stellen.

In der Satzung steht, dass sich das Tätigkeitsgebiet des OSV von der Linie Starnberg-Seeshaupt bis zum Abfall des Isar- beziehungsweise Loisachtals erstreckt. Der OSV ist aber meist nur in Münsing aktiv. Woran liegt das, und werden Sie das ändern?

Dass der OSV nur am südlichen Ostufer tätig ist, hat sicher neben den historischen Gegebenheiten auch seine Gründe in der Struktur der Besiedelung. Im Bereich Berg/Percha ist schon früher in ganz anderem Maßstab das Seeufer bebaut und die ehemals einheimische Bevölkerung ausgetauscht worden. Kontakte zu Vereinen hat es immer wieder gegeben, und es gibt auch eine Anzahl von Mitgliedern aus diesem Bereich. Eine Intensivierung wäre natürlich wünschenswert.

In der Vergangenheit waren der OSV und die Bürgerliste eng verzahnt. Die Bürgerliste galt als politischer Arm des OSV. Das ist mit Ihrer Wahl nicht mehr so. Ist das eine richtige Trennung oder doch ein signifikanter Einflussverlust?

In der Vergangenheit hat es sich mehrfach gezeigt, dass die Personalunion von OSV-Vorstand und Vertretung der Bürgerliste im Gemeinderat problematisch ist, daher war die Trennung dieser beiden Vereinigungen längst überfällig und wurde schon vor Jahren vehement gefordert, um unabhängig agieren zu können. Ob das nun ein signifikanter Einflussverlust oder die Chance ist, die Unabhängigkeit für unbequeme Themen zu nutzen, wird die Zukunft zeigen. Den Mitgliedern der Bürgerliste bleibt es unbenommen, sich für die Ziele des OSV einzusetzen, wenn sie diese teilen. Weitergehende politische Ziele und Ambitionen sind durch den Vereinszweck nicht gedeckt. Der OSV braucht Gehör bei allen politischen Gruppierungen.

Bei seiner Gründung 1929 hatte sich der OSV zum Ziel gesetzt, die Dampfschifffahrt und den Tourismus zu fördern. Müsste sich der Verein nicht auch zu Themen wie dem abgebauten Dampfersteg in Ammerland oder dem geschlossenen Gastbetrieb im Hotel Sailer positionieren?

Nach hundert Jahren hat sich der Tourismus am Seeufer doch sehr verändert. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass zum Beispiel die Zahl der Radfahrer inzwischen die Zahl der Besucher, die per Schiff kommen, um ein Vielfaches überstiegen hat. Eine Position des OSV muss hier sicher genau bedacht werden, bevor Forderungen aufgestellt werden. Uns allen ist noch in Erinnerung, wie die Schlösser- und Seenverwaltung vor vielen Jahren den Ambacher Steg abzubauen versuchte. Damals war es möglich, durch Briefe und Gespräche das Amt davon zu überzeugen, den Steg zu erneuern und wieder gangbar zu machen, aber das gelang uns beim Staat. Unser Verein kann sich zwar wünschen, dass der Dampfersteg beim Hotel Sailer wieder errichtet wird, die Entscheidung liegt aber beim Grundeigentümer.

Wo sehen Sie denn den OSV in vier Jahren vor der nächsten turnusgemäßen Vorstandswahl? Ist dann beispielsweise endlich die Pocci-Kapelle für die Öffentlichkeit zugänglich?

Eine Fertigstellung der Schlosskapelle Ammerland nach so langer Zeit ist natürlich wünschenswert. Aber wir sind hier nicht das Gremium, das entscheidet, sondern geben Impulse und haben Spenden für das Projekt gesammelt.

Laut der ersten konstituierenden Vorstandssitzung soll es künftig einen Stammtisch geben, um den direkten Kontakt zu den Mitgliedern zu erhöhen. Gibt es schon einen ersten Termin dafür und wie häufig soll der Stammtisch stattfinden?

Über den Ort und Zeitpunkt des Stammtisches werden wir in der nächsten Vorstandssitzung Anfang Oktober sprechen. Geplant ist, diese Einrichtung in möglichst vielen Ortsteilen stattfinden zu lassen, um direkt mit einer großen Anzahl von Bürgern in Kontakt zu kommen.

Müsste der OSV nicht mehr tun, um seine Außenwirkung zu verstärken, etwa auch in sozialen Medien präsent sein?

Auch über diesen Punkt müssen wir im Vorstand beraten. Wir haben einen guten Internetauftritt, der die Mitglieder immer auf dem Laufenden hält. Persönlich bin ich kein Freund der sozialen Medien, aber wenn es uns gelingt, den Verein zu verjüngen – und das sehe ich als eine der wichtigsten Aufgaben – kann es durchaus sein, dass sich hier etwas verändert.

Interview mit dem Vorstandsteam im Merkur vom 11.10.2022

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/das-image-des-ostuferschutzverbands-querelen-im-vorstand-beendet-91844116.html

PRESSEMITTEILUNG zur Vermarktung der Bonsels Villa in Ambach

Mit Schrecken entnehmen die Ambacher Bürger der Süddeutschen Zeitung vom 24.07.22, dass nun auch das Anwesen der altehrwürdigen Waldemar-Bonsels-Villa in den Sog von Bodenspekulation und Grundstücksverwertung gerät. Die eigens eingerichtete Waldemar-Bonsels-Stiftung sollte eigentlich dem Andenken von Waldemar Bonsels in Ambach auf seinem Grundstück dienen, die Erträge einem guten Zweck. Das ging jahrzehntelang gut. Bonsels-Verehrer konnten vor Ort an seinem Grab des Meisters gedenken und – wenn sie Glück hatten – Zugang zum noch im Original Zustand befindlichen Arbeitszimmer erhalten. Die Mieterträge des Anwesens konnten der Satzung der Stiftung gemäß verwendet werden.

Nun will aber der Stiftungsrat – dem Zeitgeist und dem Profitinteresse folgend – mehr aus dem Stiftungsvermögen herausholen. Das Grundstück und die Villa sollen meistbietend verkauft werden. Um den Verkaufswert zu steigern kämpft die Stiftung sogar noch um ein Baurecht für ein zweites Haus auf dem Grundstück, obwohl auch der Denkmalgarten unter den Denkmalschutz fällt und der Rahmenplan der Gemeinde Münsing ausdrücklich vorsieht, dass keine weitere Bebauung erfolgen soll. Man darf gespannt sein, ob die Stiftungsaufsicht diesem Umsturz der Stiftungsstruktur zustimmen wird und ob die Gemeinde Münsing ihrem eigenen Rahmenplan folgt und eine weitere Bebauung dieses Grundstücks verhindert. Denn eine weitere Bebauung dient nur der Grundstücks-verwertung und Gewinnmaximierung, schadet aber der landschaftlichen Schönheit des Ostufers, dem Denkmal Bonsels-Villa und dem Andenken ihres ehemaligen Bewohners. Dem Makler Herbst bleibt sein schöner Seeblick aber erhalten, auch wenn es nicht zum Verkauf kommt.

Johannes Umbreit, Petra Schulze, Manfred Stecher, Gustav Neumeister,
Mechthild Felsch

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/bonsels-villa-ambach-waldemar-bonsels-waldemar-bonsels-stiftung-muensing-verkauf-satzung-steht-nicht-entgegen-regierung-von-oberbayern-stiftungsaufsicht-1.5644449

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/muensing-ambach-bonsels-villa-waldemar-bonsels-biene-maja-villa-verkauf-ostuferschutzverband-osv-entsetzt-offener-brief-1.5634309

https://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen-aktuell/im-feinen-starnberg-biene-maja-villa-steht-zum-verkauf-80911522.bild.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/bodenspekulation-beruehmte-villa-starnberger-see-zum-verkauf-im-sog-der-91715596.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-gemeinderat-lehnt-neubau-an-der-bonsels-villa-ab-90971239.html?itm_source=story_detail&itm_medium=interaction_bar&itm_campaign=share

Mitgliederversammlung 2022

Liebe Mitglieder,

wir freuen uns melden zu können, dass wir am Freitag bei einer gemeinsamen Veranstaltung im Gasthof Gerer Vorstand und Beirat neu gewählt haben und alle versöhnt nach Hause gehen konnten.

Die im Pinocchio versammelten Mitglieder hatten sich kurzfristig entschlossen, zur Vermeidung einer drohenden Spaltung in die Versammlung im Nebenraum des Gasthofs Gerer umzuziehen – trotz der befürchteten Ansteckungslage. Tatsächlich war dann der Versammlungsraum überfüllt, sodass etliche Mitglieder vom Gastraum aus versuchen mussten, der Versammlung zu folgen. Wir hoffen, dass sich niemand infiziert hat.

Nach freimütiger Aussprache über die Probleme im Vorstand und über die Schwerpunkte der künftigen Vereinsarbeit wurde dann Prof. Johannes Umbreit mit 33 Stimmen zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt. Die bisherige 1. Vorsitzende Ursula Scriba, der für ihre Verdienste gedankt wurde, erhielt 22 Stimmen.

In der Folge wurden ohne Gegenkandidaten in den Vorstand gewählt:

– Petra Schulze als 2. Vorsitzende

– Manfred Stecher als Kassier

– Gustav Neumeister als 1. Beisitzer

Ebenfalls ohne weitere Kandidaten wurden in den Beirat gewählt:

– Mechthild Felsch

– Mechtild Schönberger

– Martin Maier

– Prof. Matthias Richter-Turtur

– Carl Schmöle

Danken möchten wir der scheidenden 1. Vorsitzenden Ursula Scriba für 17 Jahre unermüdlicher Arbeit, ebenso den bisherigen Beiräten Anatol Regnier, Albert von Schrenck-Notzing, Florian Rank und Markus Feigl.

Besonderer Dank gilt Alexander von Schrenck-Notzing für seine kompetente, einfühlsame und unerschrockene Versammlungsleitung.

Herzlich begrüßen wir unsere 19 Neumitglieder. Bitte treten Sie mit uns in Kontakt. Für Anregungen und eventuelle Probleme stehen wir gerne zur Verfügung.

Wir möchten die anstehenden Aufgaben kollegial und einvernehmlich wahrnehmen und in Vorstand und Beirat nach Talent und Neigung verteilen. Alle Entscheidungen sollen demokratisch gemeinsam im Team getroffen werden. Wenn unsere konstituierende Sitzung stattgefunden hat, werden wir Sie unterrichten, was wir uns vorgenommen haben.

Wir sind froh, dass es gelungen ist, die drohende Spaltung des Vereins zu überwinden. Wir hoffen, dass wir den gemeinsamen Zielen dienen können und bitten dafür um Ihre Unterstützung.

Mit besten Grüßen

Johannes Umbreit     1. Vorsitzender    
Petra Schulze              2. Vorsitzende     
Manfred Stecher        Kassier   
Gustav Neumeister 1. Beisitzer                


https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/versammlung-mit-tumulten-turbulente-kampfabstimmung-im-ostuferschutzverband-91673411.html

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/ostuferschutzverband-mitgliederversammlung-waehlt-vorsitzende-ursula-scriba-ab-johannes-umbreit-setzt-sich-durch-muensing-1.5623283

Postkarte des Sanatoriums Wiedemann in seinen Glanzzeiten

Ende eines kuriosen Verfahrens

Das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“ ist Geschichte

Am 17. Mai 2022 hat der Münsinger Gemeinderat das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“ endgültig als unzulässig zurückgewiesen, obgleich er es selbst in einer denkwürdigen Sitzung am 1. November 2021 angenommen hatte. Dadurch wurde damals der Bürgerentscheid obsolet. Nach mehr als sieben Monaten ist eine Bürgerinitiative an ihr Ende gelangt.

Ein kurzer Rückblick sei erlaubt: Im Herbst 2021 haben 431 Bürgerinnen und Bürger das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“unterstützt und damit dem lang bestehenden Unbehagen in Teilen der Bevölkerung über die Größe des vom „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) geplanten Seniorenwohnstifts auf dem ehemaligen Wiedemann-Kurgelände in Ambach noch einmal mächtigen Ausdruck verliehen. Die Hoffnungen waren groß, im Dialog mit Gemeinde und KWA eine Verkleinerung zu erreichen.

Auf den Unterschriftslisten war der Altbestand mit 3918 qm angegeben. Woher diese Zahl stamme, sei völlig unklar, kam es von Bürgermeister und Verwaltung, niemand habe sie je gehört.

Die Peinlichkeit war  groß. Die Zahl von 3918 qm entstammte keineswegs der Fantasie der Initiatoren, sondern der gemeindeeigenen Homepage. Dass die Gemeinde nicht wusste, was in ihrer eigenen Homepage steht, war damit für alle Augen sichtbar. Zudem wurde deutlich, dass ihre oft wiederholten Beteuerungen, der Neubau werde nicht größer als der Altbestand sein, in den Wind gesprochen waren: Bürgermeister und Verwaltung kannten die Größe des Altbestands gar nicht. Erst der Druck durch das Bürgerbegehren hatte die neuerliche Vermessung bewirkt.

Die Gemeinde  machte sich unverzüglich daran, das Bürgerbegehren auszuhebeln. Die eilig eingeleitete Vermessung hätte ergeben, dass der Altbestand mit ca 5600 qm größer als der geplante Neubau von 4785 qm sei. Diese Vermessung beruhte aber auf willkürlich gewählten Methoden und entsprach nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Berechnungsverordnung.

Ein kurioses Verfahren bahnt sich seinen Weg. Kein Dialog fand statt, eine von engagierten Münsinger Bürgern veranlasste private Vermessung durch zwei  vereidigte Gutachter, die zu anderen Ergebnissen als die Gemeinde kam, wurde nicht einmal diskutiert, auch alle anderen Vorschläge wurden vom Tisch gewischt. Der Bürgermeister, so hatte man den Eindruck, empfand das Bürgerbegehren als persönliche Kränkung und mutwillige Behinderung seines Wirkens.

Das von den Initiatoren des Bürgerbehrens angerufene Verwaltungsgericht befasste sich erstaunlicherweise wenig mit den gemeindlichen Zahlenspielen.  Statt dessen wird den Initiatoren  ein „Verstoß gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot“ vorgeworfen. Gemeint sind jene der gemeindlichen Homepage entnommenen 3918 qm – wer sich auf offizielle Zahlen verlässt, sollte sich warm anziehen, könnte man meinen, denn sind sie fehlerhaft, liegt die Schuld nicht bei den Verursachern, sondern bei denen, die sie glauben. Auch dass die Gemeinde den im Bürgerbegehren formulierten Halbsatz „und den bestehenden Bebauungsplanentwurf entsprechend abändert“ in ihrer Annahme weggelassen hat, erweist sich im Nachhinein zu ihrem Vorteil.

Dieser Schachzug führte dazu, dass das Verwaltungsgericht das Bürgerbegehren für nicht erledigt ansah und eine Entscheidung über seine Zulässigkeit anmahnte. Ergebnis siehe 17.Mai.

 Bereits am 23. Mai  hat die Gemeinde den umstrittenen Bebauungsplan  „Seniorenwohnstift Ambach“ mit einer Bebauung von 4785 qm in Kraft gesetzt. Nach ihrer Auffassung darf diese Fläche nochmals um 50 %  durch  Nebenanlagen überschritten werden, sodass sogar nun eine versiegelte Grundfläche von 7178 qm zugebaut wird- mehr als dort jemals vorhanden war. Es mutet an, dass das Gezerre um Quadratmeterzahlen der KWA nunmehr ermöglicht, die von Anfang an gewünschte, maximale Bebauung für ihr Vorhaben verwirklichen kann.

Es wird nun also nichts mehr daran zu ändern sein, dass KWA, gemeinsam mit der Gemeinde im bisherigen Außenbereich, der sonst von jeglicher Bebauung freizuhalten ist, eine Wohnanlage mit 80 Wohnungen, Schwimmbad, Vortragssaal, Restaurant etc. errichten wird.

Dass Bürgerbegehren sich in die Planungshoheit von Gemeinden einmischen, ist in Bayern zulässig und dass sie alle verfügbaren Mittel nutzen, ist ihr gutes Recht. Das müsste man als Politiker aushalten können.

Unser Dank geht an alle Unterstützerinnen und Unterstützer, besonders an diejenigen, die von Haus zu Haus gegangen sind und Stimmen gesammelt haben. Immerhin gebührt uns die Ehre, das erste Bürgerbegehren in der Geschichte Münsings gewesen zu sein. Vielleicht – hoffentlich – haben künftige Initiativen mehr Erfolg. Von bürgerschaftlichem Engagement sollte man sich dadurch nicht abschrecken lassen.

Initiatoren des Bürgerbegehrens:

Anatol Regnier, OSV Beirat

Dr. Agnete von Specht, OSV Mitglied

Alexandra Theiss, OSV Mitglied

Presseerklärung der Initiatoren des Bürgerbegehrens vom 12.6.22

Das Seniorenwohnstift im Modell: Auf dem ehemaligen Klinikgelände sollen 79 Wohnungen entstehen.
© Tanja Lühr