Dem Verfall entrissen

Werner Döttinger erhält den Gabriel-von-Max-Denkmalpreis. Er hat 1988das Ammerlander Schloss erworben und zusammen mit Till Boodevaar und Stephan Wildgruber wieder hergestellt.

Von Christa Gebhardt, Münsing, Süddeutsche Zeitung, 9. Januar 2016

Der Gabriel von Max-Denkmalpreis wird vom Ostufer-Schutzverband Starnberger See an Besitzer jener historischen Villen, Bauernhäuser und Gärten am Seeufer vergeben, die sich in hervorragend ästhetischer, auch finanziell engagierter Weise für den Erhalt ihrer Liegenschaften einsetzen. Zum einen, weil sie den Spaziergängern in ihrer Schönheit Freude machen und eine typische Identität stiften, die ein Heimatgefühl prägen. Zum anderen ist der Preis auch als Mahnung gedacht an jene, die kulturell Wertvolles absichtlich verfallen lassen. Am Ostufer ist kein Geheimnis, wer gemeint ist: Die derzeitige Besitzerin der Max-Villa in Ammerland, die seit vielen Jahren das Haus dem Verfall überlässt.

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Der Gabriel-von-Max-Denkmalpreis,
gestaltet von Ernst Grünwald

Der dritte Träger des Denkmal-Preises ist Werner Döttinger. Er hatte Schloss Ammerland 1988 erworben und aufwenig renoviert. 1681 als Sommersitz erbaut vom Wittelsbacher Fürstbischof Albrecht von Freising, fand Ludwig I. 1841 Gefallen daran und gab es als Lehen an die Familie Pocci, zunächst an Fabricius Graf von Pocci, seinen Zeremonienmeister. 1844 ging das Schloss auf dessen Sohn Franz über, der als Schöpfer des Kasperls Larifari berühmt wurde. Die Familie konnte das Schloss jedoch nicht erhalten und verkaufte es 1956 . Seither wechselte das Schloss mehrmals die Besitzer. Als Döttinger es kaufte, hatte es 20 Jahre leer gestanden und war zusätzlich durch Einbrüche und Plünderungen geschädigt. Das Haus sei völlig verwahrlost gewesen, „nichts war mehr vorhanden“, sagt Döttinger, „weder Wasser noch Heizung oder gar historische Bausubstanz. Selbst die Kachelöfen waren herausgebrochen“. Die Renovierungs- und Bauarbeiten am Schloss zogen sich insgesamt über gut vier Jahre von 1988 bis 1992 hin.

Die europaweite Suche nach stilgerechten Baumaterialien, wie zum Beispiel leichtem Tuffstein, der im Außenbau und im Garten für den Brunnen benötigt wurde, sei mit großem Aufwand verbunden gewesen. Die Renovierung des Schlosses erforderte sorgfältige Auswahl von ästhetisch schönen wie historisch stimmigen und antiken Materialien und wurde von traditionellen Handwerkskünstlern durchgeführt.

So wurden zum Beispiel die Wände, die, wie Döttinger berichtet, „glücklicherweise einigermaßen stabil waren und keine Risse aufwiesen“ von Kirchenrestauratoren mit körnigen Kalkfarben handverputzt. Vorbild dafür waren barocke Kirchen wie auch das Schloss Nymphenburg. Mauerwerk und Decken hätten sich zum Glück als solide erwiesen und konnten daher ohne allzu großen Aufwand renoviert werden. Die Böden mussten neu und stilgerecht als Kassettenparkett verlegt werden, das Material stammte zum großen Teil aus Frankreich.

Geschreinerte Türen und Sprossenfenster, den historischen Vorbildern nachempfunden, wurden allerdings modernen Wärmedämmungsansprüchen angeglichen. Fast alle Holzbalken im Haus waren durchgefault und mussten, wie Döttinger erklärt, den Anforderungen des Denkmalschutzes entsprechend mit Stahlträgern abgesichert werden. Für die Bauleitung hatte Werner Döttinger Waldemar Semerad beauftragt. Für die gesamte Werkplanung und Durchführung von Anfang bis Ende war der Münsinger Architekt Till Boodevaar verantwortlich. Stephan Wildgruber kümmerte sich vor allem um die Wiederherstellung der Gartenanlagen und beriet den Schlossherrn bei der Farbgebung in der Gestaltung.

Boodevaar berichtet, er habe bereits im Vorfeld das Objekt federführend als verantwortlicher Architekt geplant, eingereicht, entwickelt und in der Durchführung betreut. Boodevaar besaß die Gesamtleitung, wobei er in vier Berufsjahren in das gesamte Ensemble – das neue und das alte Ammerlander Schloss – „sehr viel Herzblut gesteckt“ und über das Ergebnis der Restaurierung „sehr stolz“ sei. Über sein Architekturbüro wurden auch die Kontakte zu antiken Baumaterialhändlern in Europa hergestellt.

Die vermutlich nicht unerheblichen Kosten für die Renovierungsarbeiten trug Werner Döttinger nach eigenen Angaben komplett privat. Eine genaue Summe nennt er nicht, er habe das „verdrängt“, sagt er, aber „ein Neubau wäre sehr viel kostengünstiger gewesen“. Döttinger ist Aufsichtsrat und Gründer der Solutio AG in Grünwald. Er lebt zurückgezogen mit Familie und Sohn in seinem Schloss Ammerland, in das er sich, wie er sagt, jeden Tag mehr verliebe.

Kreisheimatpflegerin Maria Mannes zeigte bei der Verleihung des Preises in eindrucksvollen Bildern die traurige Geschichte des Verfalls, die Fakten eines lange währenden Gerangels zwischen einer Treuhand-Gesellschaft und der Gemeinde, den Leerstand mit Plünderungen und Einbrüchen durch unbekannte Strolche und die auch immer wieder diskutierten Renovierungspläne durch Investoren, die dann doch das notwendige Kapital nicht aufbringen konnten.

Die Jury des Ostufer Schutzverbands hatte übereinstimmend Werner Döttinger als dritten Preisträger des Gabriel von Max Denkmalpreises ernannt. Ursula Scriba, die Döttinger die Skulptur mit dem hockenden Affen überreichte, wies darauf hin, dass Spaziergänger wie auch Schwimmer, die vom See aus einen Blick auf Schloss und die herrliche Terrasse werfen können, Freude an der gelungenen Restaurierung haben. Sie dankte dem Schlossherrn für seine großartige Initiative. Er hätte sich, statt für die enormen Kosten der Renovierung aufzukommen, ja schließlich auch sechs Lamborghinis kaufen können.