Der Streit um die Wiedemann-Kurklinik

Von Benjamin Engel, Münsing

Mit einem Rundgang um das frühere Wiedemann-Kurklinik-Gelände hat der Ostuferschutzverband (OSV) am Samstag seine Befürchtungen wegen des dort geplanten Seniorenwohnstifts vor rund 40 Teilnehmern bekräftigt.

Das „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) hatte den Kauf von vier der fünf Gebäude Ende April erstmals öffentlich gemacht. Damals hieß es, dass die alten Häuser abgerissen werden, 90 Wohnungen in Größen von 32 bis 120 Quadratmetern entstehen sollten, Schwimmbad, kulturelle Veranstaltungsräume und hauseigener ambulanter Pflegedienst inklusive. Inzwischen spricht das KWA nur noch davon, dass es verschiedene Planungsvarianten überprüfe. Der OSV befürchtet, dass das spätere Seniorenwohnstift von Weitem, etwa vom gegenüberliegenden Starnberger Seeufer aus sichtbar sein könnte und so das kleinteilige Ortsbild von Ambach mit seinen 350 Anwohnern zerstören würde. Von den Auswirkungen auf die Sozialstruktur ganz zu schweigen.

Strafverfahren Auch wenn Patientenakten, Röntgenbilder und andere sensible Daten offen herum lagen und kaputte Türen und Fenster wie eine Einladung gewirkt haben mögen: Ein Zugang zur ehemaligen Wiedemann-Kurklinik ist Unbefugten nicht gestattet, sondern ist Hausfriedensbruch. Diese Lektion haben nun sechs junge Männer aus dem Landkreis lernen müssen. Wie die Polizei berichtet, war die Gruppe am Samstag kurz nach Mitternacht dort eingestiegen. Um den Räumen ungebetenen Besuch abzustatten, hatten die sechs Burschen den Bauzaun überwunden, waren dabei jedoch bemerkt worden. Der Zeuge hatte umgehend die Polizei verständigt. Im Gebäude selbst trafen die Beamten die Täter an und verwiesen sie nach Feststellung ihrer Personalien der Örtlichkeit. Wegen Hausfriedensbruch wurde ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet. SZ

Fraglich ist für den OSV weiterhin, ob derzeit überhaupt Baurecht auf dem Gelände im Außenbereich besteht. Die Vorsitzende Ursula Scriba bekräftigte, dass dies im Augenblick aus ihrer Sicht nicht der Fall sei. Nur durch einen Bebauungsplan könnte die Gemeinde neues Baurecht schaffen. Doch vorher fordere der OSV eine öffentliche Grundsatzdiskussion mit den Bürgern, um deren Interessen zu berücksichtigen. Die Gemeinde dürfe nicht zulassen, dass bestehende Bäume abgeholzt werden und das Bauvolumen größer ausfalle als das der bisherigen Kurklinik-Gebäude. Laut Scriba fehle es in Münsing an bezahlbarem Wohnraum für junge Familien und Senioren. Deshalb schlug sie vor, in Ambach über ein Wohnmodell wie bei der Baugemeinschaft am Pallaufhof nachzudenken.

Mit Bürgermeister Michael Grasl (FW) sieht der OSV Gesprächsbereitschaft. Grasl hat laut Scriba in der Mitgliederversammlung am Freitag zugesichert, dass der Baumbestand erhalten bleiben und die Bürger rechtzeitig beteiligt werden sollen. Außerdem habe er davon gesprochen, dass die neuen Gebäude kleiner als der bisherige Klinikbestand ausfallen sollten.

Zu Auseinandersetzungen kommt es allerdings auch zwischen der kritischen „Initiative Ambach“ um Sebastian Wiedemann, Enkel des Kurklinikgründers Fritz Wiedemann, und dem KWA. Denn Wiedemann hat auf der Internetseite seiner Initiative eine 3D-Darstellung mit drei- bis viergeschossiger Terrassenarchitektur veröffentlicht.

Das KWA spricht dagegen von „haltlosen Gerüchten und Mutmaßungen“. Die von der Initiative veröffentlichten Darstellungen stellten Überlegungen dar, die das Unternehmen nicht verfolge. Laut KWA diene ein ebenfalls von der Initiative veröffentlichter, „offensichtlich abfotografierter“ Grundriss-Vorentwurf nur der Massenermittlungen. Die Pläne seien nicht fertig, sondern würden in „intensiver Abstimmung mit den gemeindlichen Gremien und Behörden weiter vorangebracht.“

Wiedemann hingegen wehrt sich gegen diese Darstellung des KWA. Bei einer der veröffentlichten 3D-Darstellungen handele es sich um eine Originalzeichnung des Kuratoriums. Die sei auch dem Gemeinderat in nicht-öffentlicher Sitzung im Februar vorgestellt worden, erklärt er. Zudem habe das KWA mit der Familie Wiedemann über das einzige noch in ihrem Besitz verbliebene Gebäude der früheren Kurklinik verhandelt. Dazu habe er einen umfangreichen Plansatz mit ausformulierten sowie möblierten Grundrissen und Schnitten einsehen können. Aufgrund dieser Unterlagen habe er auch eine Ansicht vom Ort aus rekonstruiert. Von den Kuratoriums-Verantwortlichen mahnt Wiedemann an, die Bürger in einem offenen und transparenten Prozess zu beteiligen. Er schlägt vor, eine Arbeitsgruppe einzurichten oder einen städtebaulichen Wettbewerb zu organisieren. Bürgermeister Grasl verspricht seinerseits, dass die Gemeinde sich sehr genau auf ihre Planungshoheit und den Baumschutz konzentrieren werde.

Erst kürzlich verursachten aufgefundene Patientenakten aus der früheren Wiedemann-Kurklinik zusätzliche Aufregung. Offenbar lagen diese sowie Röntgenbilder, darunter die vieler prominenter Patienten, in den Gebäuden offen herum. Durch kaputte Türen und Fenster konnte sich jeder Zugang zu den Häusern verschaffen. Eine italienische Firma hatte 2004 den Klinikbetrieb mit allen Unterlagen übernommen und wenig später Insolvenz angemeldet. Inzwischen hat das KWA den Zugang zu den Gebäuden mit einem Bauzaun abgeriegelt und Türen versperrt. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall. Das Landesamt für Datenschutzaufsicht befasst sich dami