Offener Brief an die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte

Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
der Gemeinde Münsing,

die Diskussion über das Bauvorhaben der KWA auf dem Wiedemann-Gelände in Ambach hat bisher vor allem hinter verschlossenen Türen oder über die Zeitungen stattgefunden.
Wir möchten Ihnen deshalb unsere Gründe für dessen Ablehnung nennen:

1. Baurecht

Auch wir haben ursprünglich geglaubt, dass auf dem Gelände grundsätzlich Baurecht besteht, weil dort seit 50 Jahren Klinikgebäude stehen, die seit der Stilllegung verfallen. Dann haben wir im Gespräch mit der Verwaltung erfahren, dass es sich um Außenbereich handelt, der eigentlich nur für land- und forstwirtschaftliche oder sonstige bevorzugte Zwecke genutzt werden darf.

  • Die Genehmigung für den Bau einer Klinik im Außenbereich hätte ohne Bebauungsplan früher gar nicht erteilt werden dürfen.
  • Wegen dieser – eigentlich rechtswidrigen – Genehmigungen hatten die Klinikgebäude aber Bestandsschutz, solange die Klinik betrieben wurde. Dieser Bestandsschutz ist entfallen, weil die Klinik seit mehr als sieben Jahre stillgelegt ist. Damit ist der Bestandsschutz erloschen. Das Gelände ist rechtlich wie ein unbebautes Grundstück im Außenbereich anzusehen. Neues Baurecht für eine Wohnbebauung müsste also von der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit erst geschaffen werden.
  • Was hat es mit dem Vorbescheid für eine Kliniknutzung aus dem Jahr 2014 für den Berliner Investor KPM GmbH auf sich? Ist dadurch Baurecht für das Vorhaben der KWA entstanden?
  • Diese Frage hat auch uns zunächst verwirrt. Der Vorbescheid sieht vor, dass die Klinikgebäude renoviert und das „Panoramahaus“ an gleicher Stelle identisch wieder aufgebaut werden darf. Auf welchen Überlegungen dieser Vorbescheid beruht, wissen wir nicht. Fest steht aber, dass er nur für das genehmigte Vorhaben und nur für den Berliner Investor gilt, der niemals Rechte an dem Gelände erworben hat. Er hat also keinerlei rechtliche Wirkung für das Vorhaben der KWA, an dieser Stelle eine Senioren-Wohnanlage zu errichten. Auf diesem Irrtum beruht offenbar die Einschätzung, dass auf dem Gelände generell Baurecht besteht. Deshalb hat offenbar niemand an die Möglichkeit gedacht, dass Außenbereich auch Außenbereich bleiben kann und nichts Neues gebaut werden muss.
  • Auch der Flächennutzungsplan schafft kein Baurecht für eine Senioren-Wohnanlage. Der Flächennutzungsplan ist unverbindlich und zeigt nur langfristige Planungsabsichten der Gemeinde, ebenso wie der Rahmenplan aus dem Jahr 2008. Im Flächennutzungsplan ist ein „Sondergebiet“ ausgewiesen, weil die Kliniknutzung im Außenbereich planungsrechtlich ein Fremdkörper war und ist. Mit der Aufgabe der Nutzung ist aber auch der Charakter des Sondergebiets entfallen. Welches Bedürfnis die Gemeinde haben könnte, dort erneut eine Sondernutzung vorzusehen, verstehen wir nicht.
  • Festzuhalten bleibt: Es gibt auf dem Gelände kein generelles Baurecht und kein Baurecht für eine Senioren-Wohnanlage. Es müsste durch einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ vom Gemeinderat beschlossen werden.
  1. Rahmenplan

Warum wenden wir uns gegen die Schaffung neuen Baurechts am Ostufer des Starnberger Sees? Als Lehre aus dem unseligen Verlauf des „Bebauungsplans Grünwaldhof“ hat die Gemeinde im Jahre 2008 einen Rahmenplan beschlossen, mit dem sie ihre langfristigen Planungsziele im Bereich des Ostufers verbindlich festgelegt hat. Daraus ergibt sich, dass eine zusätzliche Bebauung und eine Verdichtung der bestehenden Bebauung verhindert werden soll, um den Charakter des verhältnismäßig schwach bebauten Ostufers im Rahmen der „Kulturlandschaft Starnberger See“ zu erhalten. Diese Kulturlandschaft ist ein wertvoller Teil des Gemeindegebiets. Der Zweck des Rahmenplans ist nicht der Schutz von Villenbesitzern vor weiterer Bebauung, sondern der Schutz der Kulturlandschaft „Starnberger See“ für die Gemeinschaft, ebenso wie Baudenkmäler und Kirchen als Kulturerbe erhalten werden.

Der Neubau einer Seniorenanlage von beträchtlichem Ausmaß verträgt sich nicht mit den Zielen des Rahmenplans. Nach dessen Feststellungen sind typisch für das Ostufer drei Gebäudetypen: –

– landwirtschaftlich geprägte Gebäude
– villenartige Gebäude
– Boots- und Badehäuser.

Sie prägen den Charakter der Kulturlandschaft im Bereich des Ostufers. Andere Gebäudetypen sind Fremdkörper. Deren Neubau verträgt sich nicht mit der Zielsetzung des Rahmenplans. Sie sollten dort errichtet werden, wo sie sich in die gewachsene Struktur der Bebauung sinnvoll einfügen, wie zum Beispiel der Pallaufhof in das Ortsgebiet von Münsing.

Wenn man den Rahmenplan ernst nimmt, sollten starke Zweifel bestehen, ob der bauliche Fremdkörper „Klinik“ durch eine große Wohnanlage ersetzt werden sollte, wie es sie am Ostufer sonst nicht gibt.

 

  1. Vorbildwirkung

Wir befürchten, dass der Neubau einer solchen Wohnanlage ein Beispiel für weitere Vorhaben dieser Art am Ostufer wird und weiteren Baudruck nach sich zieht. Damit würde der Rahmenplan faktisch außer Kraft gesetzt. Was soll einem Investor entgegen gehalten werden, der an anderer Stelle des Ostufer-Außenbereichs Grundstücke aufkauft und von der Gemeinde die Schaffung neuen Baurechts fordert?

Was soll den einheimischen Bauern, Fischern und Handwerkern entgegen gehalten werden, die sich den Zielen des Rahmenplans unterwerfen und auf ihren Grundstücken in zweiter Reihe oder am Ortsrand nicht bauen dürfen?

Wir befürchten, dass ein Bebauungsplan zur Schaffung eines neuen Wohngebiets das Ende einer defensiven Baupolitik und eine neue Bauwelle am Ostufer einleitet. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass – wie das Beispiel der Seeresidenz Seeshaupt zeigt – nach einer gewissen Frist die Seniorenwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und auf dem freien Markt veräußert werden. Im Ergebnis könnte dann eine Ferienwohnungsanlage entstehen, welche den Zielsetzungen des Rahmenplanes direkt entgegenläuft. Auch kann ein Unternehmen seine Gemeinnützigkeit durch Beschluss der Aktionäre aufgeben und sich in ein normales, profitorientiertes Wirtschaftsunternehmen verwandeln. Laut Auskunft der KWA (Isar-Loisach-Bote vom 3. August) ist nicht mehr von 90 Wohnungen die Rede, sondern “von 80 bis 85”, die Verringerung zur “bestmöglichen Einpassung in die Landschaft” ist also sehr überschaubar ausgefallen. Ein “kleineres Apartment” soll monatlich 1900 Euro inklusive Mittagessen kosten, Frühstück, Abendbrot, Pflege und andere Leistungen könnten “hinzu gebucht” werden, es ist also bereits im unteren Preissegment von wesentlich höheren Kosten auszugehen. Senioren, die es sich leisten können, holen sich in Ambach und Umgebung ihre Pflege meist ins Haus, finanziell schwächer gestellte Senioren aus unserer Gemeinde werden eine Wohnung in der Ambacher Senioreneinrichtung des KWA kaum bezahlen können. Auch dieser Gesichtspunkt sollte bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.

  1. Auswirkung der Aufstellung

Die Aufstellung eines Bebauungsplanes bedeutet eine starke Belastung der Verwaltung und der Gemeinderatsmitglieder. Sie verursacht erhebliche Kosten, wenn man die Planung nicht dem Investor überlässt. Dieser würde die Kosten nur tragen, wenn er seine Planungsziele im wesentlichen durchsetzen kann.

Im Anschluss drohen langwierige und teure Prozesse mit denen, die von dem Bebauungsplan betroffen sind. Die Gemeinde hat in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen mit Kosten und den Folgen von Bebauungsplänen gemacht. Warum sollte die Gemeinde sich diesen Belastungen aussetzen, wenn sie im Rahmen ihrer Planungshoheit es ebenso gut unterlassen kann, neues Baurecht durch einen Bebauungsplan zu schaffen?

  1. Ruinenlandschaft

Viele nehmen Anstoß am derzeitigen Zustand des Geländes. Bis zur Besitzergreifung der KWA lag das Gelände in einem Dornröschenschlaf. Erst nach der Übernahme durch die KWA kam es zu Verwüstungen und Straftaten, weil die KWA die Gebäude für Partys geöffnet und damit einer unkontrollierbaren Menschenmenge Zugang geschaffen hat. Die Ordnung kann mit polizeilichen Mitteln und Gebäudesicherung wiederhergestellt werden.

Viele fragen sich: Was soll mit den Ruinen geschehen? Bis zum Auftritt der KWA hat der schleichende Verfall niemanden ernsthaft gestört. Die Natur wird sich ihr Recht Stück für Stück zurückholen, wie überall in der Welt und wie immer in der Vergangenheit. Wenn der Zustand aber als unerträglich empfunden wird, besteht die Möglichkeit, dass das Landratsamt eine Abbruchverfügung erlässt, weil der Bestand von Ruinen im Außenbereich rechtswidrig ist. Dann kann der Abbruch wie bei einem Schwarzbau vom Eigentümer verlangt werden. Natürlich kann der Eigentümer gegen eine solche Abbruchverfügung klagen. Dies ist in einem Rechtsstaat normal. Wenn die Verwaltung aber wegen der Möglichkeit der Klageerhebung auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln verzichten würde, hätte sie ihre Aufgabe verfehlt.

Die Möglichkeit eines langwierigen Prozesses ist also kein Argument für den Verzicht, dem Gelände im Außenbereich sein früheres Gesicht wiederzugeben. Aus unserer Sicht ist der Wunsch, die Ruinen zu beseitigen, nicht ausreichend dafür, eine neue große Wohnanlage im Außenbereich zu planen. Jetzt besteht die Chance die alte Bausünde zu beseitigen. Man sollte sie nicht durch Schaffung eines neuen Fremdkörpers im Außenbereich wiederholen.

  1. Schutz der KWA vor Fehlinvestition

Schließlich heißt es: Die KWA habe das Gelände als Bauland gekauft und dafür angeblich 6,5 Millionen Euro gezahlt. Ob das stimmt, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, ob irgendjemand aus der Gemeinde den Kaufvertrag schon gesehen hat. Im Grundbuch ist die KWA bisher nicht als Eigentümer eingetragen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein professionelles Wohnungsunternehmen wie die KWA ein Gelände unwiderruflich kauft und bezahlt, ohne dass das Baurecht gesichert ist. Jeder Eigenheimer, der ein Baugrundstück erwirbt, trifft vertragliche Bestimmungen über die Bebaubarkeit. Falls diese nicht gegeben ist, kann er von dem Vertrag zurücktreten. In aller Regel wird er erst bezahlen, wenn das Baurecht feststeht. Üblicherweise wird vor einem Kaufvertrag das Baurecht durch eine Voranfrage abgeklärt. Wir halten es für ausgeschlossen, dass die KWA sich ohne jede rechtliche Absicherung verpflichtet hat, einen Preis von 6,5 Millionen Euro zu bezahlen. Falls sie gegen alle Wahrscheinlichkeit doch vollständig ins Risiko gegangen sein sollte, fällt dies nicht in den Verantwortungsbereich der Gemeinde. Jedenfalls folgt für die Gemeinde daraus keine Verpflichtung neues Baurecht zu schaffen, damit sich die Investitionen der KWA lohnen. Andernfalls könnte jeder beliebiger Bauträger ein Stück grüne Wiese im Außenbereich kaufen und dann von der Gemeinde verlangen, dass sie dort einen Bebauungsplan schafft, weil er sonst ein schlechtes Geschäft gemacht hat. Insofern wäre es der sicherste Weg für die Gemeinde, vorläufig keinerlei Bebauungsplan zu erlassen und stattdessen die weitere Entwicklung in aller Ruhe abzuwarten. Es bestehen keinerlei Pflichten für die Gemeinde, an dieser Stelle einen Bebauungsplan zu erlassen.

Unter all diesen Gesichtspunkten bitten wir Sie dringend, die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes vorläufig zurückzustellen. In jedem Fall sollten die Argumente künftig in aller Öffentlichkeit unter Einbeziehung insbesondere der Ambacher Bevölkerung ausgetauscht werden. Wir wissen, dass die Planung mittlerweile weitergetrieben wird. Wir bitten Sie, gründlich zu überlegen, warum überhaupt ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss und ob es zwingende Gründe für die Aufstellung gibt. Im Rahmen der Planungshoheit kann es auch klüger sein, keine neue Bebauung zu planen. Das Vertrauen der Bürger würde es stärken, wenn dieses ganze Vorhaben künftig öffentlich behandelt wird. Es gibt keinen Anspruch des Investors auf Vertraulichkeit, aber einen Anspruch der Bürger auf frühzeitige und umfassende Information.

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Scriba, 1. Vorsitzende

Johannes Umbreit, 2. Vorsitzender