Chronik des

Schutzverbandes für das Ostufer des Starnberger Sees – Geschichte (1929 – 2018)

von Manfred Stecher

Die Geschichte des Ostuferschutzverbandes beginnt im Grunde mit dem Automobilverkehr auf der Seestraße. Diese war offenbar schon vor dem Ersten Weltkrieg für den allgemeinen Verkehr gesperrt, weil aus dieser Zeit schon Bedingungen für die Sonder-Fahrgenehmigung für Seeanlieger berichtet sind. Jedes Auto wirbelte damals auf der nicht-asphaltierten Seestraße eine Staubwolke auf, die der Wind in die dahinterliegenden Gärten trieb. Den Anwohnern war zudem bewusst, dass jede Maßnahme zur Erleichterung des Verkehrs auf der Seestraße eine Minderung der landschaftlichen Schönheit zur Folge haben musste.

Pläne des Bezirksamts Wolfratshausen von 1926, die Ostufer-See­straße auf 6 bis 7 m zu ver­breitern – angeblich unter Beibehaltung des allgemeinen Fahrverbots auf Dauer –, stießen auf Misstrauen und heftigen Widerspruch der Anlieger und der Naturschützer. Auch die Zäune sollten weit zurückversetzt werden, damit „die zahlreichen Fußgänger sich nicht eingeengt fühlten“. Um die Zaun-Frage wurden mehrere Prozesse geführt, die die Anwohner mit RA Dr. Reinhard Geigel gewannen. Die Auseinandersetzungen gipfelten in einer Versammlung aller Ammerlander Familienvorstände im Gasthof Gerer in Ammerland am 3. Aug. 1928 unter Leitung des Münsinger Bürgermeisters Ruhdorfer. Dabei stellte Dr. Heini Weber an die Verwaltungsbehörde den Antrag auf Anordnung, dass sämtliche Kfz nicht nach Ammerland hereinfahren dürfen mit Ausnahme von Ärzten, Notdiensten und Anliegern. Demgegenüber vertrat der Bezirksamtmann Dr. Lössl den Standpunkt, dass die Straßenschleife bestehend aus Hauptstraße, Seestraße und Kapellenweg in Ammerland für sämtliche Kfz geöffnet werden solle und erklärte, die Versammlung könne beschließen was sie wolle, es werde noch in diesem Jahr eine Vorschrift erlassen, die diese Schleife zur Einbahnstraße erkläre. Außerdem hätten die Ammerlander schon zweimal Abstimmungen mit verschiedenen Ergebnissen veranstaltet und das Bezirksamt mache dieses Affentheater nicht mehr mit. Die Abstimmung wurde trotzdem durchgeführt und verlief im Sinne des Antragstellers. Eine Beschwerde Paul Dinkelackers beim Regierungspräsidenten von Oberbayern führte zu „einer dienstaufsichtlichen Würdigung“ des Verhaltens von Dr. Lössl und zur Mitteilung des Regierungspräsidenten am 23. Juni 1929, dass auch künftig die Straßenschleife nur vom Postautomobil benützt werden dürfe.

Wenn es den Seeanliegern nur um diese Frage gegangen wäre, hätte der OSV nicht gegründet werden müssen. Doch es ging um mehr. Und so kam es am 5. August 1929 zur Gründung der Vereins „Schutzverband für das Ostufer des Starnberger Sees“ (OSV) im Gasthaus Bierbichler zu Ambach in Anwesenheit von 30 Vertretern aus allen Ostuferorten. Es war eine beitragsfreie Vereinigung, die sich wörtlich folgende Aufgaben gestellt hat:
1. Erhaltung der landschaftlichen Schönheit des Ostufers. Stellung des einzigartigen Seewegs unter amtlichen Naturschutz. (Anmerkung des Autors: „Seeweg“ = Seestraße)
2. Grundsätzliches Freihalten des Ostuferwegs vom allgemeinen Kfz-Verkehr.
3. Wahrung der Interessen der Ostufer-Bewohner (z.B. bei Anlegung von Stichstraßen)
4. Werbung für den Besuch des Ostufers als Sommerfrische mit dem Hinweis auf lärm- und staubfreien Aufenthalt infolge des Kfz-Verbots auf dem Seewege.
5. Verbesserung der Dampfschifffahrtsverhältnisse für das Ostufer, unter anderem: Einräumung eines Teils des Oberdecks für die vielen Reisenden der 2. Schiffsklasse.

Die Vereinigung wurde von einem Ausschuss geleitet, in den folgende Vertreter der Ostuferorte einstimmig gewählt wurden:

für Berg:                Oberst von Poschinger, ab 1931 durch Lüderitz, Kempfenhausen, ersetzt

für Leoni:              Dr. Werbrun, Herr F. Pohle

für Ammerland     Kommerzienrat Ludwig Rank, Dr. med. Heini Weber, Schreinermeister Sebastian Wagner, Major d. L.(andwehr) Paul Dinkelacker

für Seeheim:          Hofrat Dr. Schwörer, Direktor Gruss

für Ambach:          Prof. Dr. Meder, Kommerzienrat Barth, Gastwirt Bierbichler

Der Vereinigung können angehören: Einheimische, Villenbesitzer und ständige Sommergäste.

Zum Vorsitzenden wurde Paul Dinkelacker gewählt, der die Gründung umsichtig vorbereitet hatte.

Die Mitgliederzahlen nahmen schnell zu und so notierte Dinkelacker:

ZeitpunktEnde August 1929Herbst 1929
Ammerland80112
Ambach8081
Leoni1919
Berg812
Seeheimoffen15
Gesamtca. 200239

Paul Dinkelacker (1873-1958)

Die Namensliste der 112 Ammerlander Mitglieder liegt vor. Auf der Jahresversammlung 1931 berichtete Dinkelacker von 350 Mitgliedern. W. Naager berichtete später von einer Mitgliederzahl von bis zu  400.

Es wurde nicht versäumt, die Presse (12 Zeitungen und Zeitschriften) über Gründung und Ziele der Vereinigung ausführlich zu informieren.

Der OSV verbuchte auch Erfolge bei der Vertretung im Gemeinderat: anstelle von OSV-Gegnern wurden im Januar 1930 die OSV-Mitglieder Gärtner Xaver Kink und Landwirt Sebald (Staudach) gewählt, womit bewiesen war, dass der OSV auch bei Ortsansässigen Anerkennung fand.

Bereits auf der Jahresversammlung am 12. August 1931 im neu eröffneten Café Hubertus in Ammerland berichtete Dinkelacker, dass viele Vereinsziele erreicht worden seien:

– Begrenzung der Uferpacht: durch Eingaben an die Würmseeadministration konnte erreicht werden, dass von einer weiteren Erhöhung abgesehen wurde. Nun sollte eine Senkung des Pachtzinses ausgehandelt werden. Hierzu nahm der OSV auch Kontakt mit Anliegern am Westufer auf.

– Errichtung einer Würmseeschleuse: Es bestanden Pläne zur Errichtung einer Schleuse zur Würm und zu deren Ausbaggerung. Als Vertreter des OSV fungierte Prof. Meder, der die Bedenken der Schiffhüttenbesitzer gegen ein zu weites Absenken des Seespiegels vorbrachte. Es sollte deshalb ein amtlicher Mindestwasserstand festgelegt werden. Die Schleuse sollte eine gleichmäßige Fließmenge für Kraftwerke und Papierfabriken an der Würm bewirken. Eine Nachfrage des Autors beim Landratsamt Starnberg Ende 2006 ergab, dass es bis dato keine Schleuse gibt. Offenbar sind die Pläne nicht realisiert worden.

Colombo Max „Dinkelacker als Autovertreiber“ in Dinkelacker-Chronik [6]

Dinkelacker selbst war u.v.a. Sachwalter für den Naturschutz im Deutschen Alpenverein. Die Kontrolle des Fahrverbots führte in Ammerland die dort stationierte Landpolizei durch. Die Anlage von Stichstraßen an die Uferorte Berg, Leoni, Ammerland, Seeheim und Ambach ist am ganzen Ufer durchgeführt worden. Das Konzept wurde unterstützt durch Parkplätze an den Ortseingängen in Ammerland (beim Gerer), Seeheim und Ambach. Von den von Gerer als notwendig bezeichneten 800,- Mark für die Auffüllung seiner Wiese stellten Mitglieder des OSV einen Großteil zur Verfügung. Es muss aber auch berichtet werden, dass die Hoteliers in Berg und Leoni sich massiv für die Erhaltung der Zufahrten zu ihren Hotels eingesetzt haben.

– In der Verbesserung der Dampfschifffahrtsverhältnisse war ein Teilerfolg zu vermelden: auf dem Dampfer „Tutzing“ wurde die Einheitsklasse eingeführt. Die überwiegende Zahl der Reisenden benutzte die 2. Schiffsklasse mit geringem Raum, der außerdem mit den Rauchern geteilt werden musste. Deshalb sollte das halbe Oberdeck für die 2. Klasse geöffnet werden. Doch es gab nur eine Treppe zum Oberdeck. Eine Lösung musste also noch gesucht werden. Diese Verbesserung sollte auch die fühlbare Abwanderung der Reisenden zum Postkraftwagen begrenzen, also den Fortbestand der Linienschifffahrt unterstützen.

– Auch mit aus heutiger Sicht erstaunlichen Details der Postzustellung beschäftigte sich der OSV: so wurde durch Antrag an die Oberpostdirektion erreicht, dass die Zustellung der Ambacher Post noch am Samstag Abend bewilligt wurde.

– Bei der Instandsetzung der Zäune sind Belästigungen durch die Aufsichtsbehörden unterblieben. Der OSV wies auf die Entscheidung des Obersten Landesgerichts hin, wonach für die Wiederherstellung von Zäunen, soweit sie in der bisherigen Form und Ausführung bleiben und sich nicht auf die ganze Grundstückslänge erstrecken, eine Genehmigung nicht erforderlich sei.

– Im Kampf gegen den Lärm der Außenbordmotoren konnte festgestellt werden, dass derzeit nur noch ein einziges nummernloses und deshalb schwer feststellbares Boot sich unliebsam bemerkbar mache.

Der OSV schloss sich auch einer Einsprache des Gemeinderats Berg und des Gemeindebundes gegen die Errichtung einer Brennerei mit Rauchschlot oberhalb des Schlosses Berg an.

Die Belege [2] enden schon Anfang der Dreißiger Jahre. Es ist anzunehmen, dass noch kleine Fortschritte erzielt wurden, sich die Situation am Seeufer auch im Dritten Reich nicht wesentlich änderte.

Am 15.3.52 schrieb Dinkelacker an Anny Bierbichler: „Unser Verein besteht nicht mehr, da seit der Ansiedlung der Flüchtlinge die Mehrheit für den Autobusverkehr auf dem Seeweg eingetreten ist. Beruhigend ist, dass unser Herr Landrat im Vorjahr mit Nachdruck sich für den Naturschutz auf dem Seeweg eingesetzt hat. Wir dürfen hoffen, dass er seinen Standpunkt, der dem Gesetz entspricht, nicht ändert.“ (Anmerkung: Seeweg = Seestraße)

Wolfgang Naager, der 1. Vorsitzende ab 1959, berichtete in [3]: „1945 kam die amerikanische Besatzung, setzte sich in Ammerland im Schrenck-Anwesen und vorübergehend in Ambach fest… Sie fanden ihr Vergnügen nicht nur darin, Zäune niederzureißen, weil derartiges in Amerika nicht üblich sei, sondern waren auch völlig uninteressiert an einer Schonung der Seestraße. Das führte aber verständlicherweise in der Folge dazu, dass deutsche Kraftfahrer sich auch nicht mehr im Geringsten um die Regeln zur Beschränkung des Autoverkehrs kümmerten. Daran änderte sich auch nichts, als die Amerikaner einige Jahre später ihren Ammerlander Stützpunkt räumten… Das wäre ja noch zu ertragen gewesen, wenn nicht der deutsche Wiederaufbau, verbunden mit einer Zunahme der zivilen Kfz … sich auch auf der Seestraße bemerkbar gemacht hätte. 1958/59 war es dann soweit, dass sich ähnlich wie 1928/29 die Kunde verbreitete, die Seestraße solle „geteert“ werden. Unter Teerung verstand die hellhörige Ostuferbevölkerung und verstanden vor allem die Anlieger zugleich die Verbreiterung zur zügig befahrbaren Autostraße.“

Naager fühlte sich veranlasst zu einem Aufmacher im „Isar-Loisachboten“, dessen Redaktion er angehörte, unter dem Titel „Seestraße in Gefahr – Kampf um ein Stück Heimat“. Darin forderte er zur Abwehr der offenkundig gewordenen Pläne auf. Der Erfolg war gewaltig und führte zur Neugründung des Schutzverbandes für das Ostufer des Starnberger Sees e.V. am 14. März 1959 im Gasthaus Bierbichler, Ambach.

Der Vorstand bestand aus Wolfgang Naager (1. Vorsitzender), Rolf Kratzer (Oberst a.D. 2. Vorsitzender) und Anny Bierbichler (Schatzmeister). Über einen Beirat ist nichts berichtet. Doch besteht ein Beirat, solange der Autor Mitglied des OSV ist. Wegen einer Erkrankung Naagers übernahm Rolf Kratzer das Amt des ersten Vorsitzenden von 1960 bis 64. Der Vorstand (Naager, Kratzer, Bierbichler) bestand bis 1969.

Diesmal sollte der Verband nicht wieder sang- und klanglos entschlafen können, weshalb er eine feste Satzung erhielt (bei deren Formulierung W.E. Süskind, Redakteur der Süddeutschen, tatkräftig mitwirkte) und ins Vereinsregister beim Amtsgericht Wolfratshausen eingetragen wurde.

Wolfgang Naager (1912 – 1990)

Die Satzung bezeichnete als Aufgabe des Verbandes die Erhaltung der Ruhe und landschaftlichen Eigenart in seinem Tätigkeitsgebiet. Letzteres erstreckt sich von der Linie Starnberg-Seeshaupt nach Osten bis zum Wiederabfall des Geländes in das Isar- und Loisachtal. Naager legte Wert darauf, dass nicht in regelmäßigen Abständen Neuwahlen der Vorstandschaft durchgeführt werden müssen, sondern nur bei Bedarf, weshalb die Satzung festlegte, dass die Mitgliederversammlung den Vorstand jeweils bis auf Widerruf wählt. Er hatte als Lokalreporter sehr oft erlebt, wie viel Zeit bei Jahresversammlungen mit Vorstandsneuwahlen verschwendet wurde. Später wurde die Satzung erweitert (s. unten).

Zur Erreichung des unmittelbaren Gründungsziels kann berichtet werden: die Teerung der Seestraße unterblieb zwar zunächst, erfolgte aber dann doch nach vorheriger Zusicherung, dass die Straße weder verbreitert noch für den Kfz-Verkehr freigegeben würde.

Landrat Lehmair erließ am 10. Febr. 1960 die Anordnung „Sperrung der Kreisstraße WOR 3 (heutige TÖL2) für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“, die das Verfahren für Ausnahmegenehmigungen genau festlegte und eine Anordnung vom 28.1.1949 aufhob. Wann die Öffnung der Schleife Hauptstraße – Südliche Seestraße – Kapellenweg in Ammerland erfolgte, ist nicht bekannt. Gleichzeitig muss wohl der Parkplatz beim Gerer wieder in eine Wiese rückgebaut worden sein.

Dem Wunsch, die Nordgemeinden des Ostufers für den Verband zu interessieren, widmete sich eine Jahresversammlung am 30. Juli 1966 im Seehotel Leoni, die aber unglücklicherweise – damit war anscheinend nicht gerechnet worden – mit dem Endspiel um die Fußball-WM zwischen England und Deutschland zusammenfiel. Es kamen nur sehr wenige Mitglieder, dafür aber Landtagspräsident Hanauer und Landrat Lehmair, doch zogen sich die wenigen Mitglieder auch noch in ein Nebenzimmer des Hotels zur Übertragung des Endspiels zurück.

Naager berichtete über eine Äußerung Hanauers auf einer späteren Jahresversammlung des OSV im Dezember 1969. Naager hatte dargestellt, dass mittlerweise das Verständnis für die Erhaltung autofreier Straßen in landschaftlich schützenswerten Gebieten gewachsen sei und eines Tages ein Schutzverband wie der OSV überflüssig sein könnte. Darauf Hanauer: „Ihr Wort in Gottes Ohr. Ein Schutzverband wie der Ihrige wird angesichts der unaufhaltsamen Zunahme der Motorisierung in einigen Jahrzehnten noch wichtiger als heute.“

Neuer Vorstand: am 29. Nov. 1969 übernahm Kirchenrat a.D. Richard Eckstein den Vorsitz. 2. Vorsitzender blieb Rolf Kratzer und Schatzmeister blieb Anny Bierbichler. Nach dem Tod von Rolf Kratzer übernahm Dr. med. Wolfgang Kruis, ab 28. Juli 1973 das Amt des 2. Vorsitzenden. Am 26. Nov. 1979 wurde Dr. Wolfgang Kruis 1. Vorsitzender und Hubert Rank, Architekt, 2. Vorsitzender. Nach dem Tod von Anny Bierbichler übernahm Dr. Ludwig Rank (Dipl.-Ing. Hochbau) im Aug. 1980 das Amt des Kassiers.

Richard Eckstein

Richard Eckstein (1899 – 1982)

In den 70iger Jahren begann dann für den OSV eine Phase  wegweisender Entscheidungen und Umwälzungen [5]. Diese Zeit ist gekennzeichnet als Blüteperiode hochfliegender Strassenbaupläne. Immer wieder wurde der Status der Seestrasse diskutiert. Es handle sich ja um eine Kreisstrasse. Von Seiten der Behörde wurde argumentiert, dass eine Kreisstrasse uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen müsse. Dann wurde behauptet, eine Kreisstrasse innerorts ohne Bürgersteig –  das ginge auf keinen Fall. Zur selben Zeit gelangte dann der Seeuferbericht, verfasst von der Staatsregierung, an die Öffentlichkeit. Ein eigener Seeuferweg wurde gefordert. In den teils aufgeregten Diskussionen vertrat der OSV (letztlich mit Erfolg) eine klare Linie. „Ein eigener Seeuferweg – ein herber Eingriff in die Natur- ist nicht notwendig. Dafür gibt es ja die Seestrasse; man muß sie nur dem öffentlichen Verkehr verwehren. Bürger-

steige sind völlig unsinnig, da sie nicht in der Lage sind, in Spitzenzeiten Hunderte von Wanderern und Spaziergängern zu fassen. Zwangsläufig muss die Strasse mit genutzt werden. Und diese moderne Lösung kostet weder Geld noch Verwaltungsaufwand “

Im Rahmen öffentlicher Förderprogramme sollte auch das gemeindeeigene Straßennetz ausgebaut werden. So sollte in Ambach die Strasse zum Bergfried und nach Luigenkam neu trassiert, geteert und für den touristischen Verkehr zum See hin ausgebaut werden, nicht zuletzt mit einem seenahen großen Parkplatz. Ein anderes Projekt war der Ausbau des landwirtschaftlichen Weges für den öffentlichen Verkehr durch das stille Kugelmühltal bis zur Einmündung in die Staatsstrasse und darüber hinaus die Fortführung einer Stichstrasse bis zur Stroblmühle.

Auch das Landratsamt plante. So sollte die Staatsstrasse südlich Buchscharns vom See weg in den Wald verlegt werden. Die zwischen der neuen Strassenführung und dem See liegende Fläche sollte dann der intensiven Naherholung zugeführt werden. Geopfert werden sollte bei dieser Aktion eine größere Sumpfwiesenfläche mit seltenen Pflanzen und der dort den Wasservögeln für die Brutzeit  raumgebende Schilfbestand.

Ein besonderes Projekt – gefördert nicht zuletzt durch landesweit bekannte Politiker- war der Ausbau und die Errichtung  touristischer Infrastruktur am Buchscharn. Eine Marina war geplant und zusätzlich eine Wochenendbewohnung im Sinne von Botels.

Alle diese Vorhaben konnten, insbesondere durch die Intervention des OSV, nicht zuletzt auch durch das zunehmend geweckte Bewusstsein in der Bürgerschaft und die daraus resultierende Protesthaltung, erfolgreich  abgewehrt werden

Schließlich begann in dieser Zeit auch die Diskussion, ob es nicht genuine Aufgabe der Gemeindepolitik sei, das weitere Schicksal von besonderen Flächen und Bauwerken im Seeuferbereich aktiv mit zu gestalten. Das Poccischloss in Ammerland und das ehemalige  ADAC Erholungsgelände am Karniffelbach in Pischetsried waren diesbezüglich im Brennpunkt des Interesses.  Als für diese Gelände eine Besitzer- und Nutzungsänderung absehbar war, regten sich sofort Begierden von auswärtigen Investoren, deren Absichten keineswegs immer mit den Zielen des OSV übereinstimmten.

In dieser Phase der Arbeit erweiterte und änderte sich das Vorgehen des OSV. Neben den herkömmlichen Praktiken, nämlich Versammlungen abzuhalten und die Presse zu interessieren, wurde der Plan gefasst, Einfluss im Gemeinderat zu erlangen.

Es kam zur Gründung der „Unabhängigen Bürgerliste“ – der heutigen „Bürgerliste“, einer lokalpolitischen Gruppierung, deren Ziele teilweise deckungsgleich mit denen des OSV sind. Es war klar, dass der Erfolg des OSV nicht alleine durch Stellungnahmen an den Gemeinderat Münsing und andere Behörden und Organisationen bewirkt werden kann, sondern besser durch unmittelbare Mitwirkung im Gemeinderat. Ernst Kink war schon 1972 über die Ammerlander Liste Mitglied des Gemeinderats geworden. Zur Gemeinderatswahl 1978 trat die Bürgerliste zum erstenmal an und konnte auf Anhieb 3 Mitglieder in den Gemeinderat entsenden: Ernst Kink, Hubert Rank und Michael Bierbichler. Letzterer war damals Dirigent im Theater am Gärtnerplatz. Dieses Ereignis feierte Richard Eckstein mit einem Gedicht, aus dem hier zitiert wird:

Der guten Dinge sind stets drei

So ist’s auch da – ich sag’ es frei:

Mit Freude gratulieren wir

und zugleich statuieren wir:

Die Wahl kommt nicht nur uns gelegen,

auch der Gemeinde ist’s zum Segen,

wenn wackre Leute in ihr raten

und wenden ab so manchen Schaden.

Nicht immer wird’s erfreulich gehen,

Ihr werdet manchen Kampf bestehen

mit Dummheit und Kurzsichtigkeit

Ihr werdet haben manchen Streit.

Wir wünschen Euch in diesem Krieg

wie bei der Wahl noch manchen Sieg.

Ihr müsst nun fest zusammenhalten,

lasst Einigkeit stets bei Euch walten.

Ihr drei seid – wenn Ihr einig seid

`ne irdische Dreieinigkeit!

Wie der Dreifaltigkeit Gestalten

je in verschied’ner Weise walten,

hat in Eurer Dreieinigkeit

ein jeder seine Eigenheit,

wie sie als Vater, Sohn und Geist

die Christenheit voll Ehrfurcht preist.

Ein jeder hat sein eignes Feld,

das er in seiner Art bestellt.

Kink Ernst, der Gärtner, soll ausroden

all Unkraut vom Gemeindeboden.

Das Gute düngt er, soll’s auch pflegen

zu uns’rer Großgemeinde Segen.

Herr Rank, der Architekt, soll schauen,

dass sie nicht Mist und Unsinn bauen

in der Gemeindepolitik

und man das Rechte hab’ im Blick.

Herr Bierbichler, der Dirigent

tut, was er vom Konzert her kennt:

Er sorge, dass die Großgemeinde

wie ein Orchester sich vereine

zu reinem Klang und gutem Tone,

dass Harmonie im Orte wohne,

– so sollt Ihr drei in Einem sein,

dass die Gemeinde mög’ gedeihn,

dass sich das Ganze wohl gestalte:

Von Herzen wünscht Euch das

      der Alte!

Ernst Kink blieb Gemeinderat bis 2005, Hubert Rank bis 1996. Dr. Florian Müller war von 1996 bis 2012 Mitglied des Gemeinderats. Ernst Kink war 2. Bürgermeister von 1996 bis 2002. Dr. Florian Müller war 3. Bürgermeister von 2002 bis 2008. Für Ernst Kink ist Peter Maier, Apotheker, Ammerland, nachgerückt und war Mitglied des Gemeinderats bis 2008. Dr. Müller war ab Mai 2008 bis 2012 der einzige Vertreter der Bürgerliste im Gemeinderat. Ursula Scriba übernahm dieses Amt ab 2012.

Im Jahr 1974 erfolgte der Bau der Ringkanalisation am Starnberger See. Als der Bau noch im Gang war, erschien Bürgermeister Müller mit dem Vorschlag zur Straßenverbreiterung zwischen Hauptstraße und Kapellenweg in Ammerland, weil ja die Zäune ohnehin neu zu errichten seien. Dies stieß auf heftigen Widerstand, weil ja vor Beginn der Bauarbeiten zugesichert wurde, dass die Zäune an Ort und Stelle wieder errichtet würden.

Zur Absicherung möglicher Gerichts- und Rechtsanwaltskosten wurde aus Anlass der Straßenverbreiterung am 13.4.1975 der „Landschafts- und Heimatschutzverband (LHSV) Ammerland e.V.“ von 20 Unterzeichnern gegründet [4]. Die Gründung wurde von Hubert Rank und Dr. jur. Robert Geigel betrieben. Claus Wolfram wurde 1. Vorsitzender (bis Mai 1980), Ernst Kink 2. Vorsitzender und Emil Hemmer Kassier. Beisitzer waren Hubert Rank, Xaver Sailer, Richard Eckstein und Dr. Robert Geigel. Der Verein definierte in seiner Satzung als Ziel den Landschafts- und Heimatschutz zwischen Donau- und Alpengebiet, kämpfte aber konkret gegen drohende Landschaftszerstörung in Ammerland. Bei Auflösung des Verbandes sollte das Vereinsvermögen dem Heimatmuseum der Stadt Starnberg zugute kommen. Bereits Ende 1975 hatte der Verband 74 Mitglieder. Am 27.9.80 beschloss die Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung, wonach bei Auflösung das Vereinsvermögen an den OSV für dessen gemeinnützige Zwecke gehen sollte. Dr. Dietrich Freiherr von Laßberg wurde auf dieser Versammlung zum 1. Vorsitzenden gewählt. Nachdem die Anlieger im Mai 1982 einem Kompromiss zur Seestraßenverbreiterung zugestimmt hatten, fasste die Mitgliederversammlung am 17.7.82 den Beschluss zur Auflösung des LHSV. Viele Mitglie­der schlossen sich dem OSV an. Das Vereinsvermögen des LHSV in Höhe von 10 TDM wurde dem OSV als Treuhänder zur Renovierung der Ammerlander Schloss-Kapelle übertragen.

Zur Straßenverbreiterung führte die Regierung von Oberbayern ein Planfeststellungsverfahren durch. Als Einsprüche dagegen nichts nützten, wurde von den Anliegern Klage gegen den Freistaat Bayern zum VGH erhoben. Der Prozess endete mit einer Niederlage des Freistaats, weil die von der Verwaltung vorgelegten Unterlagen fehlerhaft waren. Da aber zu befürchten war, dass das LRA die Sache nicht auf sich beruhen lassen würde, gingen die Anlieger am 6.5.1982 auf einen Kompromissvorschlag ein. Dieser lautete: 6 m Straßenbreite (incl. Gehweg) von Zaun zu Zaun. Das LRA hatte 7,5 m gefordert. Außerdem wurde der Parkplatz vor dem Anwesen Sedlmair um 3 m erweitert.

Ab September 1985 bestand der OSV-Vorstand lt. Registergericht aus Dipl.-Ing. Hubert Rank (1. Vorsitzender), Dipl.-Ing. Ernst Kink (Gärtner, 2. Vorsitzender) und Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Rank (Kassier). Wegen neuer beruflicher Aufgaben von Dr. Kruis, hatte Hubert Rank jedoch schon im Sommer 81 die Geschäfte des OSV übernommen (s. Jahresbericht vom Aug. 1985). Nach dem Tod von Dr. Ludwig Rank übernahm Dr. jur. Florian Müller im Jahr 1986 das Amt des Kassiers.

Hubert Rank

Hubert Rank (1925 – 2000)

Tätigkeitsfelder 1984 bis 1991:

– Hubert Rank stellte in seinem Jahresbericht 1984 fest: Wir sind nicht nur „Seestraßler“ sondern ein Landschaftserhaltungsverein.

– Zerstörung und Ersatz der Piloty-Villa in Ambach waren nicht zu verhindern

– Beitrag des OSV zur Sanierung der Linde in Holzhausen: 600,- DM.

– Zum Pocci-Schloss erließ die Gemeinde Münsing einen Bebauungsplan, der im Süden eine öffentliche Erholungsfläche (Seezugang) von ca. 2000 m2 ausweist. Der OSV sicherte dem Gemeinderat die Übernahme von 50% bis maximal 25 TDM zu, falls die Schlosseigentümer wegen Entscheidungsverzögerungen mit Regressforderungen Erfolg haben sollten. Der Umbau des Schlosses zum Hotel konnte vermieden werden. Zudem kämpfte der OSV in diesem Zusammenhang erfolgreich gegen eine Verbreiterung der Nördlichen Seestraße auf 7 m.

– Äußerliche Sanierung und Renovierung der Ammerlander Schloss-Kapelle finanziert durch das Erzbischöfliche Ordinariat. Die Kapelle gehört der kath. Kirchenstiftung Münsing, ist aber wegen fehlenden Umgriffs nicht öffentlich zugänglich. Zur Innenrenovierung standen 10 TDM aus dem Bestand des LHSV zur Verfügung. Eine Spendenaktion angeregt durch Dr. Dietrich Freiherr von Laßberg brachte weitere 10 TDM. Im Jahr 1987, als eine Renovierung und Sanierung durchgeführt wird, wurden 20 TDM an die Kirchenverwaltung für die Innenrenovierung überwiesen. Die Innenrenovierung fand bis dahin nicht statt. Deshalb erhielt der OSV im Jahr 1999 einen durch Verzinsung inzwischen auf 28 TDM angewachsenen Betrag zurück, der lange auf Verwendung wartete. Ein öffentlicher Zugang zum Nordeingang der  Kapelle wurde angestrebt, konnte aber gegen den Widerstand der Schlosseigentümer nicht erreicht werden.

– Die drohende Verlegung des Dampfersteges in Ammerland zum ehem. „Biersteg“ (bei der Wasserwacht) wurde vermieden. Stattdessen vereinbarte die Seeverwaltung eine Dienstbarkeit für 20 Jahre mit Gastwirt Sailer.

– Das „Seeuferkonzept“ legte die Öffnung weiterer Seezugänge nahe. Der Standpunkt des OSV war hingegen, dass am Ostufer in dieser Richtung schon Erhebliches geleistet wurde und mehr nicht möglich sei.

– Mitglieder des OSV beteiligen sich an Säuberungsaktionen im Wald im Bereich des öffentlichen Seezugangs zwischen Ammerland und Seeheim.

– Beteiligung des OSV am Bebauungsplan Ammerland Mitte ab 1980. Eine Durchgangsstraße über das Kink-Grundstück wurde vermieden. Nach weiteren Lösungsvorschlägen wurde eine Stichstraße mit Wendehammer und von dort ein Fußweg zur Hauptstraße in den Plan aufgenommen. Der Wendehammer war unnötig; dagegen wurde der Fußweg in 2006 realisiert. Der OSV kämpfte gegen zusätzliche Parkplätze an der Seestraße.

– Der OSV beteiligte sich an der Diskussion um den Erhalt des Cafés Hubertus, das aber am Ende doch einem Mehrfamilienhaus weichen musste.

– Lösungsvorschläge wurden für das Parken vor dem Gasthof Bierbichler in Ambach gemacht.

– Erstellung eines Büchleins: „Münsing in alten Ansichten“ durch Hubert Rank.

– Erarbeitung von Stellungnahmen zum Landschaftsschutzgebiet „Ostufer Starnberger See“ (1987).

– Lösungsvorschläge zum Umgang mit Parksündern auf der Seestraße. Es wurde versucht, die Parksünder zu beeinflussen, was sich als Sisyphus-Arbeit erwies, weil kaum Wiederholungstäter erscheinen. Es wurde mit geringem Erfolg versucht, die Polizei stärker zu engagieren.

– Auseinandersetzung um Baumaßnahmen um das Gut Ried; es bestand Sorge wegen möglicher späterer Umwidmung in Wohnnutzung (April 1989).

Ab August 1991 bis 2005 bestand der Vorstand aus Dr. Florian Müller (1. Vorsitzender), Ernst Kink (2. Vorsitzender) und Dipl.-Ing. Manfred Stecher (Kassier). Im Aug. 2004 wurde der Vorstand erweitert um 2 Beisitzer (s. u.): Dipl.-Ing. Ursula Scriba und Dipl.-Kfm. Klaus Döhla. Ernst Kink verstarb 2005.

Die Satzung wurde in 2001 und 2004 überarbeitet. Die Aufgabe wurde präzisiert in: „… die Förderung des Umwelt-, Landschafts- und Denkmalschutzes in seinem Tätigkeitsgebiet“ und „Der Satzungszweck wird verwirklicht durch Vortragsveranstaltungen, Eingaben an die Gemeinden im Tätigkeitsbereich und Stellungnahmen gegenüber Behörden und Institutionen sowie durch Beratung der Mitglieder.“

Tätigkeitsfelder 1992 bis 2005:

– Bemühungen um Rettung der Villa Max in Ammerland (Denkmalschutz) in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Münsing, der Kreisverwaltung und dem Landesamt für Denkmalpflege sind bisher ohne greifbaren Erfolg.

– Erhaltung der Anlegestelle Ambach der Schifffahrt auf dem Starnberger See in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Münsing und dem Fremdenverkehrsverein.

– Diskussion um Hotelpläne in St. Heinrich (1991 bis 2002) bis zur Streichung des entsprechenden Areals aus dem Flächennutzungsplan.

– 1993 Stellungnahme des OSV zur Erhöhung des Seepachtzinses.

– Kampf gegen die drohende Anlage einer Kreis-Mülldeponie („Deponie 2000“) in Reichenkam zusammen mit dem Fremdenverkehrsverein Münsing, der Bürgervereinigung Natur- und Umweltschutz Münsing e.V. und den Ortsverbänden Münsing, Holzhausen und Degerndorf des Bayer. Bauernverbandes. Die Gefahr wurde gebannt durch neue Erkenntnisse im LRA, wonach die Müllverbrennung Vorrang hat und außerdem in der Deponie Quarzbichl noch genügend Platz war.

– 1994 Renovierung des Kreuzweges in Ammerland aus Mitteln des OSV.

– 1998 Zerstörung der „tausendjährigen Linde“ in Holzhausen durch einen Sturm. Da sie auch den Briefkopf des OSV als Emblem zierte, wurde dieses im Jahr 1999 durch das Logo „St. Georg der Drachentöter“ und im Jahr 2013 durch das farbige Logo „Kirche und See“ als Zeichen für Denkmal- und Landschaftsschutz ersetzt.

– 1994 Pacht des ehemaligen ADAC-Geländes am Karnifflbach durch die Gemeinde Münsing auf Initiative des OSV.

– 1994 Verlegung des Campingplatzes in St. Heinrich vom seenahen Areal des Staatsforstes auf eigenen Grund des Betreibers.

– 1995 Ergebnislose Bemühungen um die Verbesserung der Zufahrt zum Gasthaus Bierbichler über den Luigenkamer Weg.

– 1995 Vorschlag eines Extra-BAB-Anschlusses für das Erholungsgebiet Ambach gemeinsam mit dem Fremdenverkehrsverein und den drei Ortsgruppen des Bayer. Bauernverbandes zur Entlastung der Ortsdurchfahrten von Münsing und Holzhausen.

– Hinweisschild an der Autobahn vor der Ausfahrt Wolfratshausen-Münsing zur Benutzung der Ausfahrt St. Heinrich zur Entlastung der Ortsdurchfahrten von Münsing und Holzhausen

– Entwicklung der Nordumfahrung von St. Heinrich zur Verkehrs-Entlastung von St. Heinrich

– Das Thema Kiesabbau in Münsing auf einer Fläche von bis zu 60 ha beschäftigte den Vorstand mehrere Jahre lang, bis eine Beschränkung auf 5,4 ha mit Auflagen erfolgte.

– Vorschlag zur Einführung der kommunalen Verkehrsüberwachung zur Lösung der Parkprobleme an der Seestraße.

– Sicherung der Wanderwege um das Gut Oberambach gegen die Sperrung der alten Kirchleite. Ein Bebauungsplan der Gemeinde Münsing führte schließlich zur Problemlösung.

– Beteiligung an einer Ausstellung von Werken des Kasperlgrafen Franz von Pocci.

– 2000-2009 Engagement des OSV zur Minimierung der Bebauung am Grünwaldhof in Ambach. Es bildete sich eine Ambacher „Initiative Grünwaldhof“ mit ca. 40 Beteiligten, die nach Annahme des Bebaungsplans 2003 größtenteils Mitglieder des OSV wurden.

Seit Juli 2005 besteht der Vorstand aus 1. Vorsitzende Dipl.-Ing. Ursula Scriba (Architektin) 2. Vorsitzender Dipl.-Kfm. Klaus Döhla (bis 2008), Dipl-Ing. Klaus-Peter Reid (2008 bis 2014) und Prof. Johannes Umbreit (ab 2014), Dipl.-Ing. Manfred Stecher (Kassier), 1. Beisitzer Dr. Florian Müller (bis 2011), Johannes Umbreit (2011 bis 2014) und Dr. Albert von Schrenck-Notzing (ab 2014), 2. Beisitzer (als Repräsentant des Beirats) Anatol Regnier (bis 2015) und Mechthild Felsch (ab 2016).

Der OSV stellt nun seine Aktivitäten per Internetauftritt unterwww.ostuferschutzverband.dedar, womit für die Öffentlichkeit transparent wird, wie groß die Zahl der Arbeitsfelder ist. Er bietet die Möglichkeit, regelmäßig auf aktuelle Veranstaltungen hinzuweisen. Die ständige Pflege der Website übernahmen Bernhard Döhla bis 2009, Vitus Kolbinger bis 2011, Manfred Stecher mit Änderung der Struktur durch Marc Schraepler von Gerlach bis 2013, Carl Schmöle 2014 und Mechthild Felsch ab 2015. Zur besseren Erreichbarkeit der Mitglieder wird verstärkt auf Email-Kommunikation gesetzt.

Um das verstärkte Engagement des OSV in kulturellen Veranstaltungen zu untermauern, wird 2011 neben der Förderung des Umwelt-, Landschafts- und Denkmalschutzes auch die Förderung der Kultur in seinem Tätigkeitsgebiet in die Satzung des OSV aufgenommen.

Die Organisation und Durchführung kultureller Veranstaltungen lag zunächst in der Hand der 1. Vorsitzenden Ursula Scriba, ab 2011 beim AK Kultur unter der Leitung von Christl Kolbinger, ab 2013 unter der Leitung von Petra Schulze, ab 2016 unter der Leitung von Petra Schulze, Ursula Scriba und Mechthild Felsch.

Tätigkeitsfelder ab 2005:

– Anregung und Unterstützung von Rahmenplänen zur Verbesserung der Ortsplanung in der Gemeinde Münsing. Mit diesem Instrument hat Bürgermeister Grasl an seiner früheren Wirkungsstätte bereits positive Erfahrungen gemacht. Der erste Rahmenplan – für die Ortsmitte von Ambach – wurde im Jahr 2006 fertig gestellt. Der zweite Rahmenplan – für das gesamte Seeufer der Gemeinde Münsing – wurde im Jahr 2008 begonnen. Er enthält eine Bestandsaufnahme und begrenzte bauliche Entwicklungsmöglichkeiten und dient der Verhinderung baulicher Fehlentwicklungen.

– Stellungnahmen zu Bebauungsplänen in Ambach und Ammerland: B-pläne Nr. 3 Münsing (Wimpasing mit Schwerpunkt Rettung der Maxlerwoad), Nr. 7 Holzhausen (Bereich Ober­ambach), Nr. 13 Holzhausen (Bereich Grünwaldhof), Nr. 16 Holzhausen (Seestraße in Ambach), Nr. 7 Degerndorf, Nr. 9.1 Ammerland Mitte und Nr. 32 (Ammerland Süd) im Sinne einer Erhaltung des Charakters der Landschaft.

– Konstruktive Beiträge zur Erhaltung der Anlegestelle Ammerland der Schifffahrt auf dem Starnberger See in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Münsing und den drei Ammerlander Gemeinderäten.

– Einsatz zur Begrenzung der Bebauung am Brosihof, sowie Erhalt des Hofgebäudes von 1928. Dies ist auch dem Vorhandensein des Rahmenplan-Entwurfs für Ambach Mitte 2006 zu danken an dessen Zustandekommen der OSV mitwirkte.

– Mitwirkung an landschaftsorientierten Kunstausstellungen der Pocci-Gesellschaft; finanzieller Beitrag zur Aufstellung des Pocci-Denkmals vor dem Gemeindezentrum in Münsing.

– Fortsetzung der konstruktiven Beiträge zur Erhaltung der Villa Max in Ammerland

– Veranstaltungen zum Gewässerentwicklungsplan (GEP)

– Vorträge (Ostufergespräche), Besuche bei Künstlern (Ostuferbesuche) und Exkursionen (Ostuferspaziergänge) – Aktivitäten, die von Mitgliedern und Gästen gut angenommen werden. Dazu gehören z.B.
     Leben mit und in einem Denkmal: Denkmalschutz ist lohnenswert
     Kennenlernen von Ambach und Ammerland und deren Geschichte und Geschichten
     Atelierbesuche bei örtlichen Künstlern und Werkstätten

– Veranstaltungen und Lesungen des Schriftstellers und Vorstandsmitglieds Anatol Regnier.

– „OSV für Kinder“ mit Veranstaltungen zur Stärkung des Bezugs der Kinder zur Umwelt

– kritische Beobachtung der Umwelt: Dokumentation von Missständen.

– Beiträge im Münsinger Gemeindeblatt

– 2006 Errichtung einer Parkbank „Ernstl Kink“ am Badestrand Ammerland Nord

– 2009 Heckenpflanzung am Schafberg mit dem Gartenbauverein Münsing

– Renovierung der Ammerlander Schlosskapelle. Für dieses Ziel sammelte und sammelt der Verein weitere Spenden und bemühte sich um öffentliche Fördermittel, weil die geplanten Maßnahmen (Bauabschnitt 1) ca. 100 T€ kosten. Innerhalb des OSV hat sich eine AG Kapelle gebildet. Die Entscheidung des Erzbischöflichen Baureferats, den öffentlichen Zugang über eine Tür zur Sakristei von der Nördlichen Seestraße her zu schaffen, wurde 2013 umgesetzt. Die Raumschale wurde 2015 in der Fassung des 19. Jahrhunderts gemäß einer Vorgabe des Landesamts für Denkmalpflege wieder hergestellt. Neue Farbglasfenster der Mayerschen Hofkunstanstalt wurden 2016 eingebaut. Der OSV hat in Abstimmung mit der Kirchenverwaltung die Rolle des Projektmanagers mit Architekten- und Ingenieurleistungen übernommen. Benefizveranstaltungen unter der künstlerischen Leitung von Johannes Umbreit mit organisatorischer Unterstützung durch Scriba/Felsch dienen der Förderung des Vorhabens.

– Mitgliedschaft im Bayer. Landesverein für Heimatpflege, Vorträge für und vom OSV.

– Eine sehr erfolgreiche Ausstellung der Werke der Ammerlander Maler-Brüder Corneille und Colombo Max des OSV fand im Januar 2011 im Pfarrheim Münsing parallel zur Ausstellung der Werke des Vaters Gabriel von Max im Städtischen Lenbachhaus und Kunstbau München statt. Kuratorin und Organisatorin war unser Mitglied Elisabeth Biron von Curland. Mehr als 2500 Besucher haben die Ausstellung gesehen. Erfreulicherweise wurden die hohen Kosten der Ausstellungs-Einrichtung und des Drucks von Katalogen durch den Verkauf von Eintrittskarten und Katalogen kompensiert. Zahlreiche Mitglieder des OSV engagierten sich beim Aufbau und der Durchführung der Ausstellung.

– Das Lenbachhaus lud während der Gabriel-von-Max-Ausstellung zu einem Vortragsabend über die Villa Max in den Kunstbau des Lenbachhauses ein. Zusätzlich hielt Ursula Scriba Vorträge zum Thema Denkmalschutz Villa Max im Münchener Gasteig und in der Evangelischen Akademie Tutzing.

– Elisabeth Biron von Curland konzipierte 2012 die Internet-Seite http://corneille-colombo-max.de des OSV mit Biografien und Werken der beiden Künstler.

– Elisabeth Biron von Curland organisierte 2017 die wissenschaftliche Katalogisierung und Inventarisierung der Werke beider Künstler durch die Kunsthistorikerin Christina Metz. Es ist geplant, die digitalen Bild- und Textbestände im Stadtarchiv Starnberg zu lagern.

– 2018 stellte Verena von Kerssenbrock (Urenkelin von Colombo Max) auf Einladung des OSV und des Kulturreferats der Gemeinde Münsing ihr Buch mit den Feldpostbriefen der Künstlerfamilie Max aus dem 1. Weltkrieg vor.

– 2011 Vorschläge des OSV zum Raumprogramm des neuen Bürgerhauses in Münsing

– Durch besonderen Einsatz des OSV-Beiratsmitglieds Dr. Neumeister konnte 2012 der Verkauf der im Staatseigentum befindlichen und an die Gemeinschaft „Wort des Lebens e.V.“ für den Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen vermieteten Seeburg und des Schlosses Allmannshausen an private Investoren vermieden werden. Ebenso konnte die Stadt München dazu veranlasst werden, das Stiftungsanwesen Schullandheim in Seeheim nicht zu veräußern.

– 2012 Kampf gegen den Kahlhieb bei der Villa Wittgenstein in Seeheim; die schützende Funktion des Waldes am wetterexponierten Ostufer muß erhalten werden.

– 2012 Errichtung einer Rundbank aus Mitteln des OSV am Münsinger Dorfplatz

– 2013 Villa Widnmann in Ambach wird auf Initiative des OSV unter Denkmalschutz gestellt. Rettung vor gestelltem Abbruchantrag durch Verweis auf die Denkmalliste. Max von Widnmann war Nachfolger Schwanthalers auf dem Bildhauer-Lehrstuhl der Münchner Akademie.

– 2013 OSV wird Gründungsmitglied des Denkmalnetzes Bayern

– 2013 beschloss der OSV, jährlich zur Förderung des Engagements von Eigentümern in der Denkmalpflege Haus- und Grundstücksbesitzer, die sich bei der Erhaltung ihrer Bau- und Gartendenkmäler im Geltungsbereich des OSV verdient gemacht haben, durch Vergabe eines Denkmalpreises zu ehren. Verliehen wird ein Sachpreis (Plastik), der an die Max-Villa in Ammerland erinnert. Die Bezeichnung lautet: Gabriel-von-Max-Denkmalpreis. Eine Jury bestehend aus Vorstandsmitgliedern des OSV und externen Experten (Kreisheimatpfleger/in, Vorsitzende/r des LV für Heimatpflege und ein/e weitere/r Experte/in) entscheidet über die Vergabe. Bisherige Preisträger sind: Katharina und Josef Strobl (Gorythoma-Hof in Weipertshausen, 2014), Regina und Josef Wagner (Schreinerhaus in Ammerland, 2015), Werner Döttinger (Schloss Ammerland, 2016) und Familie Noppes („Eierwastl“-Hof in Degerndorf, 2017). Die Preisvergabe findet alljährlich ein lebhaftes Presse-Echo.

– 2017 OSV wird Mitglied im neu gegründeten Kulturerbe Bayern.

– Seit 2016 findet in Münsing eine lebhafte, z.T. scharfe Auseinandersetzung mit dem Antrag des Kuratoriums Wohnen im Alter (KWA) statt, auf dem Gelände der ehemaligen Kurklinik Wiedemann eine Senioren-Residenz mit bis zu 90 Wohneinheiten in Ambach zu errichten. Eine Wohnansiedlung dieser Größenordnung (120 bis 150 Senioren und Personal, hohe Bebauungsdichte) wird als Belastung für Ambach gesehen und stünde im Gegensatz zum vorhandenen Rahmenplan. Es wird über Baurecht gestritten. Bei Realisierung der Senioren-Residenz ist mit einer nachfolgenden Verdichtung in der Umgebung zu rechnen. Das KWA bringt Ende 2017 eine Schlaganfall-Reha-Klinik als Alternative ins Gespräch, die der OSV bevorzugen würde, weil sie den Status des Sondernutzungsgebiets der Wiedemann-Klinik aufrechterhalten würde.

Mitgliederzahlen des OSV:    1985    180

                                                2002   195

                                                2010   237

                                                2017   236

Quellen:

[1] „Paul Dinkelacker – ein engagiertes Leben, 1873 – 1958“, Christa Freifrau von Laßberg, Ammerland, 2006.

[2] Unterlagensammlung Familie Rank

[3] Wolfgang Naager: „Kurzer Rückblick auf 60 Jahre Ostuferschutzverband (alt) und 30 Jahre Schutzverband (neu)“ vom 20. Juli 1989.

[4] Unterlagensammlung Dr. Dietrich Freiherr von Lassberg

[5] Beitrag von Prof. Dr. Kruis über Aktivitäten der 70er Jahre

[6] Dinkelacker-Chronik Band II


LORIOT zum 100. Geburtstag

Samstag, 23. Sep. 2023
um 18:30 in der Lothhof Tenne in Münsing

Johann von Bülow

„Der ganz offene Brief“

Lesung von
Johann von Bülow

In den Jahren 1957 bis 1961 erschien in der Illustrierten QUICK die Kolumne „Der ganz offene Brief„. LORIOT unterrichtete in jenen Anschreiben die Redaktion und die Leser über Seltsamkeiten des öffentlichen Lebens, zeichnete ein Sittengemälde der jungen Bundesrepublik und machte den ersten Schritt vom Illustrator zum Autor. Danach gerieten die Werke lange Jahre in Vergessenheit und wurden erst 2014 im Wege der gleichnamigen Buchveröffentlichung (hrsg. von S. v. Bülow, P. Geyer und OA Krimmel) wiederentdeckt.

Die Veranstaltung ist ausverkauft

Weblink zu Johann von Bülow:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_B%C3%BClow

Weblink zu „Der ganz offene Brief“
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_ganz_offene_Brief

Neue Kulturreihe: „Münsinger Lesungen“

Münsing – Schriftsteller und Literaten lebten und leben zuhauf am Starnberger See. Es gab immer wieder vereinzelte Veranstaltungen mit ihnen. Der Kulturreferent des Gemeinderats, Georg Sebald, möchte der Wortkunst nun ein eigenes Format geben und hat deshalb die neue Reihe „Münsinger Lesungen“ ins Leben gerufen.

„Wir haben die renommierten Holzhauser Musiktage, die traditionellen Konzerte unserer drei Blaskapellen und unsere Theateraufführungen. Der Literatur haben wir bisher wenig Raum gegeben“, sagt Sebald. In Verbindung mit kleinen musikalischen Darbietungen sollen regionale Autoren deshalb eine Bühne erhalten. Georg Sebald denkt dabei auch schon an das zum Ende des Jahres bezugsfertige Bürgerhaus. Dort, aber nicht nur dort, könnte die Reihe fortgesetzt werden. „Wir wollen bewusst alle Örtlichkeiten einbeziehen – von den Tennen über die Cafés bis zum schönen Garten der Grundschule“, sagt Sebald. Unterstützt wird er von zahlreichen Vereinen, wie der „Franz Graf von Pocci Gesellschaft“ oder dem Ostuferschutzverband.

Dem ist es gelungen, Schauspieler Johann von Bülow für eine Lesung zum 100. Geburtstag Vicco von Bülows alias Loriot im September zu gewinnen. Die Gemeinde Münsing gibt eine Anschubfinanzierung für das neu aufgelegte Programm aus dem jährlichen Kulturbudget in Höhe von 5000 Euro. Das Interesse der Künstler sei groß gewesen. „Da war ich sehr positiv überrascht“, sagt Georg Sebald.

Am kommenden Freitag, 7. Juli, liest der Holzhauser Schauspieler Wowo Habdank ab 20 Uhr in der Baderschmied-Tenne aus dem Roman „Bergheim“ des Ambachers Fritz Wagner. Am 23. September findet ab 18.30 Uhr in der Lothhof-Tenne auf Einladung des Ostuferschutzverbands die Loriot-Lesung statt. Der Humorist und Münsinger Ehrenbürger wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Johann von Bülow, ein entfernter Verwandter, wird einige der zwischen 1957 und 1961 in der Zeitschrift „Quick“ erschienenen Kolumnen „Der ganz offene Brief“ vortragen.

Noch offen sind Termine für eine Präsentation des dritten Bands der Münsinger Chronik und eine Lesung mit der aus Tutzinger Autorin Monika Czernin aus „Der Kaiser reist inkognito – Joseph II und das Europa der Aufklärung“. Im Advent liest am Donnerstag, 14. Dezember, nochmals Wowo Habdank ab 20 Uhr in der Ammerlander Kirche die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma.  tal

Info

Kontakt und Infos unter kultur@muensing.de

Die Zukunft des Musikhörens.  3D-Audio-Session


Mit den Worten „Der OSV wird modern!“ begrüßte am 27.1.23 unser erster Vorsitzender Prof. Johannes Umbreit 30 hochmotivierte Zuhörer im alten Schulhaus in Holzausen zu einem Vortrag über  „Die Zukunft des Musikhörens.  3D-Audio-Session! „

Der junge Ambacher Multimediakünstler Felix Kruis machte uns unter dem eigens entwickelten Titel „Sounddramaturgien“ auf künstlerisch- forschende Weise mit 3D-Audiotechniken und deren künstlerischen Potenzialen in den Bereichen Musik, Theater, Architektur, Film, bildender Kunst bekannt.

Felix Kruis stellte uns 4 Arbeitsproben aus seiner künstlerischen Forschung vor. Einen Schwerpunkt bilden dreidimensionale Tonaufnahmen und Musikstücke. Dazu präsentierte er u. a. Ausschnitte aus einem Konzertexperiment mit klassischer Musik, das live in 3D-Audio gespielt und ausschließlich via Kopfhörer hörbar wurde. Felix Kruis stellte Technik zum konkreten Nacherleben zur Verfügung.

Wir möchten Ihnen mit großer Freude noch mitteilen, dass auf Grund unserer OSV-Vortrags-Einladung, die wir auch immer an die Presse weitergeben, die Süddeutsche Zeitung Felix Kruis mit einem Interview bedachte. Er wurde für den diesjährigen Tassilo-Preis des Landkreises nominiert. Sie finden diesen Artikel in unserem gut geführten Archiv im Januar 2023 zum Nachlesen. Wir gratulieren und halten die Daumen!

Ar­chi­tek­tur für die Oh­ren

Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis ent­wi­ckelt mit sei­nem Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per „So­und­dra­ma­tur­gi­en“ – ei­ne neue Kunst­form, die un­ge­ahn­te Klang­land­schaf­ten er­öff­net

In­ter­view: Ste­pha­nie Schwa­de­rer, Wolfratshauser SZ vom 12.01.2023

Münsing: Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis, Jahr­gang 1984, hat Kunst­wis­sen­schaft stu­diert und war Meis­ter­schü­ler von Ste­phan Hu­ber an der Münch­ner Aka­de­mie der Bil­den­den Küns­te. Sei­ne Pro­jek­te be­we­gen sich zwi­schen Thea­ter, Per­for­mance, Film und Mul­ti­me­dia­kunst. Seit ei­ni­gen Jah­ren be­fasst er sich in­ten­siv mit dem The­ma Klang und Raum.

SZ: Herr Kruis, ken­nen Sie Men­schen, die nie ei­nen Kopf­hö­rer auf­set­zen?

Fe­lix Kruis: Nein. Der Kopf­hö­rer ist ei­ner der neu­en gro­ßen Re­zep­ti­ons­stan­dards in un­se­rer Welt ge­wor­den.

Den­noch soll es sie noch ge­ben. Was ent­geht ih­nen?

Auf die­se Fra­ge gibt es ge­wiss ganz un­ter­schied­li­che Ant­wor­ten. Be­zo­gen auf mei­ne Ar­beit wür­de ich sa­gen: Ih­nen ent­ge­hen drei­di­men­sio­na­le Hör­land­schaf­ten, wie man sie nie mit ei­nem Laut­spre­cher er­le­ben könn­te.

Sind die­se Hör­land­schaf­ten ei­ne neue Er­fin­dung?

Nein, 3D-Au­dio gibt es be­reits seit Jahr­zehn­ten, aber es steckt noch im­mer in den Kin­der­schu­hen. Zu­sam­men mit Ju­li­an Käm­per ent­wick­le ich seit 2019 ein Feld­re­cher­che-Pro­jekt mit dem Ti­tel So­und­dra­ma­tur­gi­en. Das um­fasst ein Ge­biet mit rie­si­gem Po­ten­zi­al.

Klang im rea­len Le­ben ist im­mer drei­di­men­sio­nal. Was zeich­net 3D-Au­dio aus?

Das stimmt, im All­tag hö­re ich die Ge­räu­sche um mich her­um in 3D. So­bald ich aber bei­spiels­wei­se ein Mu­sik­stück mit Laut­spre­cher an­hö­re, egal ob Mo­no oder Ste­reo, wird der Klang – ver­ein­facht ge­sagt – zwei­di­men­sio­nal. Das kann man sich wie ei­ne Ki­no­lein­wand vor­stel­len: In der Brei­te wird ein Klang­feld er­zeugt. Drei­di­men­sio­na­ler Klang hin­ge­gen titscht über­all her­um, kommt aus ei­ner Ecke, kor­re­liert mit ei­nem Raum, biegt um die Ecke und ver­schwin­det wie­der.

Bild­haue­rei für die Oh­ren?

Eher Ar­chi­tek­tur. Man setzt den Hö­rer nicht mehr vor die Lein­wand, son­dern er­schafft ei­nen ge­plan­ten künst­le­risch-äs­the­ti­schen Raum um ihn her­um.

Auf You­tube kann man Ih­ren Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per bei ei­nem Kopf­hö­rer­kon­zert mit den Münch­ner Phil­har­mo­ni­kern er­le­ben. Er be­wegt sich auf der Büh­ne, hat zwei klei­ne Mi­kro­fo­ne in den Oh­ren und lässt die Gäs­te das Kon­zert auf die­se Wei­se mit sei­nen Oh­ren hö­ren. War­um?

Der ganz gro­ße Un­ter­schied zu ei­nem nor­ma­len Kon­zert­er­leb­nis be­steht zu­nächst ein­mal dar­in, dass sich mit dem Kopf­hö­rer der Sweet Spot der Mu­sik de­fi­nie­ren lässt. Al­so der Punkt, der ein op­ti­ma­les Klang­er­leb­nis bie­tet. Bei ei­nem ana­lo­gen Kon­zert in ei­nem Raum lässt sich nur un­ge­fähr ab­schät­zen, wie die Mu­sik bei den Leu­ten an­kommt. Die Mu­si­ker spie­len ir­gend­wie in Rich­tung Pu­bli­kum. Sie wis­sen aus Er­fah­rung: Wenn ich so oder so mit mei­nem Kol­le­gen zu­sam­men­spie­le, wird das wahr­schein­lich so und so bei den Leu­ten an­kom­men. In der Re­gel funk­tio­niert das ei­ni­ger­ma­ßen. Mit dem Kopf­hö­rer än­dert sich al­les ra­di­kal. Mein Kol­le­ge hat die­ses spe­zi­el­le Mi­kro­fon in den Oh­ren, das es al­len an­de­ren, die im Raum Kopf­hö­rer tra­gen, er­mög­licht, mit sei­nen Oh­ren zu hö­ren. Und die Mu­si­ker spie­len nun ex­pli­zit für sei­ne Oh­ren. Das ver­än­dert ra­di­kal das gan­ze Spiel und die In­ter­pre­ta­ti­on ei­nes Stü­ckes. Auch be­stehen­de Stü­cke be­kom­men ei­ne ganz neue Fas­sung. Das ist noch ra­di­ka­ler als bei un­ter­schied­li­chen Di­ri­gen­ten, die ja auch ih­re ei­ge­ne Hand­schrift ha­ben.

Das hei­ßt: Der So­und­dra­ma­turg mit den klei­nen Mi­kro­fo­nen im Ohr ent­schei­det, wie ein Stück klingt.

Ge­nau. Im Fall der Münch­ner Phil­har­mo­ni­ker ha­ben sich Ju­li­an Käm­per und ich zu­sam­men mit den Mu­si­kern ei­ne ex­ak­te Cho­reo­gra­fie aus­ge­dacht. Da war nichts zu­fäl­lig. Des­halb ist es auch nicht ver­gleich­bar mit be­geh­ba­ren Kon­zer­ten, bei den man sich die Or­te aus­sucht, an de­nen man den Mu­si­kern lauscht.

Wird man künf­tig mit Kopf­hö­rern ins Kon­zert ge­hen?

Nein, ich wür­de nicht sa­gen, dass al­le Kon­zer­te der Welt auf die­se Wei­se ge­hört wer­den soll­ten. Es ist ei­ne ganz ei­ge­ne Hör­si­tua­ti­on mit ganz ei­ge­nen Mög­lich­kei­ten und ei­ner ganz ei­ge­nen Span­nung. Ei­ne ei­ge­ne neue Kunst­form. Wir ma­chen auch Ex­pe­ri­men­te mit Thea­tern oder Kopf­hö­rer-Fil­me. Die Tech­nik ist all­ge­mein­gül­tig und kann sehr gut für sich al­lein ne­ben al­len an­de­ren Auf­füh­rungs­for­men ste­hen.

Sie sa­gen, den Men­schen feh­le ein „vor­der­grün­di­ges Be­wusst­sein für die uns um­ge­ben­de Klang­sphä­re“. Liegt in un­se­ren Köp­fen et­was brach, das sich auf­we­cken und schu­len lässt?

Tat­säch­lich kön­nen Men­schen nicht so gut drei­di­men­sio­nal hö­ren, wie sie den­ken. Links und rechts kann man sehr gut un­ter­schei­den, aber bei oben und un­ten oder vorn und hin­ten wird es schon pro­ble­ma­ti­scher, vor al­lem wenn der Klang et­was wei­ter weg ist. Bas­si­ge Klän­ge sind zu­dem schwie­ri­ger zu er­fas­sen als hel­le, schnei­den­de. Wenn wir et­was drei­di­men­sio­nal ar­ran­gie­ren, müs­sen wir es ähn­lich wie beim Thea­ter über­trei­ben, da­mit es nor­mal an­kommt. Fakt ist: Es gibt kei­ne drei­di­men­sio­na­le Hör­kul­tur. We­der bei Kon­zer­ten noch beim Fil­me­schau­en sind wir da­mit ver­traut, auch Dol­by Sur­round än­dert dar­an nichts. Man hat kei­ne Er­war­tung an ein drei­di­men­sio­na­les Hö­ren und weiß gar nicht: Was ist in­ter­es­sant, wor­auf muss ich ach­ten? Des­halb bau­en wir un­sere 3D-Kon­zer­te wie ei­ne klei­ne Schu­lung auf. Wir be­gin­nen mit ei­ner mi­ni­ma­lis­ti­schen Klangim­pro­vi­sa­ti­on, und zum Schluss gibt es bei­spiels­wei­se ein kom­ple­xes Stück von John Ca­ge, in das man sich rich­tig fal­len­las­sen kann. Auch bei den Ra­dio­sen­dun­gen, die wir für den BR und SWR pro­du­zie­ren, neh­men wir die Hö­rer bei der Hand und len­ken ih­re Auf­merk­sam­keit. Da­bei kann man auch Tricks an­wen­den oder mit iko­ni­schen Klän­gen ar­bei­ten, al­so mit Klän­gen, die mit ei­ner kla­ren Er­war­tung ver­bun­den sind.

Funk­tio­niert So­und­dra­ma­tur­gie auch bei Leu­ten, die schlecht hö­ren oder ein Hör­ge­rät brau­chen?

Wenn man äl­ter wird und ge­wis­se Tö­ne nicht mehr wahr­neh­men kann, wird auch das 3D-Hö­ren schwie­ri­ger. Das ist so. Auch das 3D-Gu­cken im Ki­no kann nicht je­der, man­chen wird schlecht oder schwind­lig da­von. Für Hör­ge­schä­dig­te gibt es die Mög­lich­keit der In­duk­ti­ons­über­tra­gung. Da­mit ha­ben wir noch nicht ge­ar­bei­tet. Aber auch das ist ein span­nen­des Feld.

Von wel­cher Klang­land­schaft träu­men Sie? Was wür­den Sie ger­ne in 3D um­set­zen?

Da ha­be ich kei­nen spe­zi­el­len Wunsch. Es ist eher um­ge­kehrt: Für mich ist es in­ter­es­sant, sehr ge­nau hin­zu­hö­ren, wie ein­zel­ne Räu­me klin­gen, und den ein oder an­de­ren dann für ein spe­zi­el­les Kon­zert aus­zu­wäh­len oder für ein akus­ti­sches Thea­ter­stück mit ei­nem En­sem­ble. Ne­ben der künst­le­ri­schen Ar­beit ha­be ich aber auch ei­nen wis­sen­schaft­li­chen An­spruch: Wel­che Me­cha­nis­men be­stim­men ei­ne 3D-Klang­land­schaft? Wel­ches Hand­werk­zeug brau­che ich, um ei­ne ge­wis­se Wirk­mäch­tig­keit zu er­zie­len? All das wur­de noch nie er­fasst.

Sie stel­len Ih­re Ar­beit dem­nächst beim Ost­ufer­schutz­ver­band vor. Was möch­ten Sie ih­ren Gäs­ten in Holz­hau­sen mit­ge­ben?

Ei­nen Ein­druck da­von, wie sich die Tech­nik und die Hör­ge­wohn­hei­ten in der Welt ge­än­dert ha­ben und wel­che künst­le­ri­schen Mög­lich­kei­ten dies er­öff­net. Ich se­he mich nicht als Auf­klä­rer. Aber ich wür­de schon ger­ne ver­mit­teln, dass man den neu­en Tech­ni­ken durch­aus Po­si­ti­ves ab­ge­win­nen kann. Al­lein mit ei­nem Smart­pho­ne und ei­nem Kopf­hö­rer las­sen sich ganz neue künst­le­ri­sche Di­men­sio­nen er­schlie­ßen.

„Die Zu­kunft des Mu­sik­hö­rens“, Frei­tag, 27. Ja­nu­ar, 19.30 Uhr, Al­tes Schul­haus Holz­hau­sen, Kirch­berg­stra­ße (ge­gen­über der Holz­hau­ser Kir­che), 15 Eu­ro. Bis Mit­te Fe­bru­ar stel­len wir Ih­nen Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den Tas­si­lo-Kul­tur­preis 2023 vor. Al­le No­mi­nier­ten fin­den Sie im In­ter­net un­ter sz.​de/​tassilo

„Die Zukunft des Musikhörens“

Der junge Ambacher Multimediakünstler Felix Kruis wird uns unter dem eigens entwickelten Titel „Sounddramaturgien“ auf künstlerisch- forschende Weise mit 3D-Audiotechniken und deren künstlerischen Potenzialen in den Bereichen Musik, Theater, Architektur, Film, bildender Kunst bekannt machen.

Termin: Freitag, 27.1.23

Ort: Altes Schulhaus in Holzhausen an der Kirchbergstraße (gegenüber der Holzhauser Kirche)

Beginn: 19:30 Uhr

Unkostenbeitrag: 15.- € 

Felix Kruis wird Arbeitsproben aus seiner künstlerischen Forschung vorstellen. Einen Schwerpunkt bilden dreidimensionale Tonaufnahmen und Musikstücke. Dazu präsentiert er u. a. Ausschnitte aus einem Konzertexperiment mit klassischer Musik, das live in 3D-Audio gespielt und ausschließlich via Kopfhörer hörbar wurde. Felix Kruis stellt Technik zum konkreten Nacherleben zur Verfügung.

Bitte lesen Sie zur weiteren Einstimmung noch den hochinteressanten SZ-Artikel

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/brainlab-muenchner-philharmoniker-kopfhoererkonzert-mphil-erfahrungsbericht-1.5605203

Darin wird auf Felix Kruis  verwiesen: „Schließlich aber, nicht erst bei der fabelhaften „Third Construction“ von Cage, geht das Kopfhören-Konzept von Julian Kämper und Felix Kruis voll auf.“

Geben Sie mit uns einem engagierten, jungen Lokalmatador die Chance, sich vorzustellen und kommen Sie zur Veranstaltung! Seine Vita ist unter www.felixkruis.com nachzulesen.

Um die Materialien in ausreichender Menge zur Verfügung stellen zu können, bittet Herr Kruis um Anmeldung unter 
vorstand@ostuferschutzverband.de 

Jeder schreibt für sich allein – Schriftsteller im Nationalsozialismus“

Lesung von und mit Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein – Schriftsteller im Nationalsozialismus“

In Kooperation zwischen dem Ostuferschutzverband und dem Hollerhaus in Irschenhausen fand am 9.12.22 eine musikalische Lesung statt. Der sicher jedem als Elternhaus des „Bullen von Tölz“ in der gleichnamigen Fernsehserie bekannten Drehort, war mit fast 70 Teilnehmern voll besetzt. Das war für uns Veranstalter besonders erfreulich, da die Tage vor Weihnachten meist terminlich verplant sind und das Thema anspruchsvoll war.

Für viel Zustimmung sorgten die Begrüßungsworte von Petra Schulze, dass der OSV das Mitglied Anatol Regnier einbringen konnte und das Hollerhaus eine wunderbare Location! Wir freuen uns über den Start einer hoffentlich fruchtbaren Zusammenarbeit!

Fürs kommende Jahr sind wir bereits mit weiteren Autoren im Gespräch. Besonders freuen wir uns, dass wir uns schon auf die Suche nach einem geeigneten Raum für die Lesung des Buchs „Bergheim“ vom Münsinger Verleger und Autor Fritz Wagner begeben haben. Wowo Habdank aus Münsing, bekannt als Theater- und Filmschauspieler und Hörspielsprecher, wird uns dieses beeindruckende Buch über Fritz Wagners Kindheit  am Obersalzberg vorstellen. Freuen Sie sich auf einen eindrucksvollen Abend, über den Sie noch gesondert eingeladen werden.

Alles tut weh

Berührende Lesung von Anatol Regnier im Hollerhaus

Irschenhausen – „Alles tut weh“ entschuldigt sich Anatol Regnier zu Beginn der Vorstellung im Hollerhaus mit einem lausbubenhaften Lächeln und ergänzt: „die Arthritis“. Aber wenn Lia Schneider-Stöckl zu einer „musikalischen Lesung“ einlade, dann würde er auch die Gitarre mitbringen und sein Bestes versuchen.

Und ja, man merkte ihm an, dass sich die Hände mit den Saiten seines Zupfinstruments schwertaten. Hingegen mit den Seiten seines neuen Buchs „Jeder schreibt für sich allein“, da lief alles wie am Schnürchen. Er las ausgewählte Textstellen und erzählte im voll besetzen Atelier über die Entstehungsgeschichte dieses Druckwerks. Der Titel sei dem Buch „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada nachempfunden, auf das er im Jahr 2011 bei seinem Sohn Michael aufmerksam geworden war. Es hat Regnier „nachhaltig beeindruckt“.

Zunächst wollte der 77-jährige Ambacher eine Biografie über Hans Fallada, 1893 als Rudolf Ditzen in Greifswald geboren, schreiben. Doch ein anderer Verlag und ein anderer Autor waren ihm zuvorgekommen. Nach einjähriger Bedenkpause war ihm klar: „Es gab ja so viele Dichter, auch hier aus der Region, die nicht emigriert, sondern geblieben sind. Diese Lebensentscheidung wollte ich beleuchten. Wie sie ihr Leben in der Nazizeit gestaltet haben und welche Kompromisse sie eingehen mussten.“

Regnier schöpfte aus dem Vollen. Er hat monatelang tief in Archiven gegraben, Informationen, geschichtliche Gräueltaten und amüsante Episoden zusammengetragen, ausgewertet und zu einem Buch verdichtet.

Diese Inhalte mischte er jetzt gekonnt mit privaten Anekdoten. Das Publikum lauschte aufmerksam und erfuhr viel Wissenswertes auch über den Ambacher – später Wolfratshauser – Autor Ernst Wiechert, die Ebenhauser Schriftstellerin Ina Seidel, den Tölzer Arzt und Schriftsteller Hans Carossa und über Wilhelm Emanuel Süßkind, den Vater des berühmten Patrick Süßkind, Schöpfer des Weltbestsellers „Das Parfüm“.

Die musikalische Lesung endete mit einem Zitat von Hans Fallada, der nach einem schwierigen Leben, vielen Erfolgen und tiefsten Krisen schlussendlich sein gefeiertes Buch zu Papier brachte. 550 Seiten innerhalb von vier Wochen. Regnier weiß – sicher auch aus eigener Erfahrung: „Jeder Stoff, in den man sich wirklich hineinkniet, gibt schließlich nach.“ BETTINA SEWALD, Isar Loisachboten, 20.12.2022

Der OSV zu Besuch beim Fischer in Ambach

Am 1.10.22 hatte uns der junge Berufsfischer und neues Beiratsmitglied des Ostuferschutzverbands Martin Maier nach Ambach zu einer Besichtigung seines Betriebs mit Vortrag eingeladen.

Der Fischwirtschaftsmeister Martin, dessen Familie hier das Fischereirecht seit 1541  ausübt, informierte uns kompetent und sehr charmant über folgende Themen:
 
 1) Wissenswertes über den Starnberger See


Der Starnberger See (bis 1962 noch Würmsee, in der letzten Eiszeit durch  den Isar-Loisach-Gletscher entstanden)  ist der fünftgrößte See Deutschland (5km breit, 20km lang), aber aufgrund seiner großen Durchschnittstiefe (ca. 54 m; tiefste Stelle 128 m) der zweit-wasserreichste. Dadurch kühlt der See nur langsam ab und erwärmt sich aber auch langsam.  Er hat nur kleine Zuflüsse und speist sich vorrangig aus unterirdischen Quellen. So dauert es rund 21 Jahre, bis der See sein Wasser einmal austauscht. Das macht ihn anfällig für Belastungen.

Seit den 70er Jahren, als die Abwässer der umliegenden Gemeinden in einer Ringkanalisation vom See ferngehalten wurden, hat sich die Nährstoffbelastung sehr verbessert. Schmunzelnd fügte Fischer Martin Maier hinzu, dass damit aber auch die „fetten Jahre“ für die Berufsfischer vorbei waren. Hatte sein Großvater noch  Renken mit einem Gewicht von durchschnittlich 300-400 g  im Netz gehabt, sind es heute nur noch rund 180-250 g pro Fisch.

 
 2) Informationen zur Organisation der Fischerei am See

Die Fischerei  ist 792 zum ersten Mal in einer Urkunde des Kloster Schäftlarn erwähnt. Derzeit gibt es  34 Berufsfischer. Das Fischereirecht liegt auf dem Grund und Boden und kann nur innerhalb der Familie an eine Person weitergegeben werde. Fangquoten, Netz- und Maschengrößen, Schonzeiten etc. legt die Genossenschaft fest. Gefischt wird auf Renke, Seeforelle und Seesaibling (beide in den letzten Jahren sehr rar geworden), sowie Brachse, Hecht, Karpfen, Rutte, Waller und Aal. 


 3) Vorführung Fanggeräte, sowie Tierschutz, Hege- und Pflegemaßnahmen
Martin hatte für uns extra an Land seine Aalreusen aufgestellt. Interessant war es auch, einmal ein Netz in die Hand nehmen zu dürfen und zu erfahren, wann und wie diese ausgelegt werden. Jeder Fischer hat 4 zusammenhängende Tage, an denen er seine Netze auslegen kann. Der Sonntag ist dabei immer fangfrei. Zur Hege und Pflege gehören auch die Uferstreifen. Besonderes Augenmerk wird  auf die Vogelwelt gelegt. So rasten oder überwintern hier während des Vogelzugs manchmal um die 25000 Vögel.


 4) Wissenswertes über den Aal
  Sehr spannend für uns war die Geschichte von „der langen Reise der Aale“, sowie  Fangbestimmungen und internationale Bemühungen, die Population des Europäischen Aals zu schützen.

 5) Sind steigende Wassertemperaturen, das offensichtliche Niedrigwasser  und der zunehmenden Tourismus ein Problem?
 Interessanterweise ist in einem so tiefen See die Erwärmung kein existentielles  Thema. Die Fische haben Platz in tiefere Gewässer umzuziehen. Auch die durchschnittliche Wassertemperatur hat sich in den letzten 15 Jahren nicht stark geändert. Nur kann es manchmal mit der Nährstoffbeschaffung eng werden. Interessante Diagramme abrufbar beim „Bayerischen Landesamt für Umwelt“. Angesprochen wurde auch die Problematik  der Zunahme von Booten und Stand Up Paddlern und die manchmal fehlende Einsicht, dass Schilfgürtel und fragile Uferstreifen nicht befahrbar sind. Generell konnte festgehalten werden, dass man sich der eigenen Einflussnahme bewusst werden sollte, egal ob Fischer, Urlauber oder Badegast.

In der anschließenden Fragerunde konnten viele Besonderheiten geklärt werden. Das klappte besonders gut bei kleinen, feinen Fisch-Häppchen/Wasser, Wein und Bier. Die liebevoll hergerichteten Platten offerierten Brachse, Karpfenschinken, Renke und Aal. Ein herzliche Dankeschön an Martin, der alles mit so viel Herzblut vorbereitet hatte.  Sein Fischladen in Ambach (neben Gasthaus Huber) ist momentan wegen Schonzeit geschlossen. Ab dem Wochenende vor Weihnachten bekommt man dort wieder all die Köstlichkeiten eines engagierten, jungen Fischers! Dann sind die Öffnungszeiten Donnerstag – Samstag von 10:30 – 18:30 Uhr sowie Sonn- und Feiertags 10:00 – 15:00 Uhr.

Petra Schulze, 2.Vorsitzende des OSV

Martins Köstlichkeiten

Bericht im Isar Loisachboten vom Besuch bei Martin Maier

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-berufsfischer-martin-maier-neuer-beirat-im-osv-vorstand-91865298.html

PRESSEMITTEILUNG zur Vermarktung der Bonsels Villa in Ambach

Mit Schrecken entnehmen die Ambacher Bürger der Süddeutschen Zeitung vom 24.07.22, dass nun auch das Anwesen der altehrwürdigen Waldemar-Bonsels-Villa in den Sog von Bodenspekulation und Grundstücksverwertung gerät. Die eigens eingerichtete Waldemar-Bonsels-Stiftung sollte eigentlich dem Andenken von Waldemar Bonsels in Ambach auf seinem Grundstück dienen, die Erträge einem guten Zweck. Das ging jahrzehntelang gut. Bonsels-Verehrer konnten vor Ort an seinem Grab des Meisters gedenken und – wenn sie Glück hatten – Zugang zum noch im Original Zustand befindlichen Arbeitszimmer erhalten. Die Mieterträge des Anwesens konnten der Satzung der Stiftung gemäß verwendet werden.

Nun will aber der Stiftungsrat – dem Zeitgeist und dem Profitinteresse folgend – mehr aus dem Stiftungsvermögen herausholen. Das Grundstück und die Villa sollen meistbietend verkauft werden. Um den Verkaufswert zu steigern kämpft die Stiftung sogar noch um ein Baurecht für ein zweites Haus auf dem Grundstück, obwohl auch der Denkmalgarten unter den Denkmalschutz fällt und der Rahmenplan der Gemeinde Münsing ausdrücklich vorsieht, dass keine weitere Bebauung erfolgen soll. Man darf gespannt sein, ob die Stiftungsaufsicht diesem Umsturz der Stiftungsstruktur zustimmen wird und ob die Gemeinde Münsing ihrem eigenen Rahmenplan folgt und eine weitere Bebauung dieses Grundstücks verhindert. Denn eine weitere Bebauung dient nur der Grundstücks-verwertung und Gewinnmaximierung, schadet aber der landschaftlichen Schönheit des Ostufers, dem Denkmal Bonsels-Villa und dem Andenken ihres ehemaligen Bewohners. Dem Makler Herbst bleibt sein schöner Seeblick aber erhalten, auch wenn es nicht zum Verkauf kommt.

Johannes Umbreit, Petra Schulze, Manfred Stecher, Gustav Neumeister,
Mechthild Felsch

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/bonsels-villa-ambach-waldemar-bonsels-waldemar-bonsels-stiftung-muensing-verkauf-satzung-steht-nicht-entgegen-regierung-von-oberbayern-stiftungsaufsicht-1.5644449

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/muensing-ambach-bonsels-villa-waldemar-bonsels-biene-maja-villa-verkauf-ostuferschutzverband-osv-entsetzt-offener-brief-1.5634309

https://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen-aktuell/im-feinen-starnberg-biene-maja-villa-steht-zum-verkauf-80911522.bild.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/bodenspekulation-beruehmte-villa-starnberger-see-zum-verkauf-im-sog-der-91715596.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-gemeinderat-lehnt-neubau-an-der-bonsels-villa-ab-90971239.html?itm_source=story_detail&itm_medium=interaction_bar&itm_campaign=share

Dichter unter Druck

Der Ambacher Anatol Regnier hat ein Buch über Literaten in der NS-Zeit geschrieben

VON VOLKER UFERTINGER

Münsing – Natürlich konnte man es machen wie Hans Fallada. In den verhängnisvollen 1930er-Jahren, als Deutschland die Welt in Brand steckte, saß der seinerzeit berühmte Schriftsteller irgendwo in Mecklenburg, betrieb etwas Landwirtschaft und schrieb Buch um Buch. Die Politik blendete er völlig aus. In den Notizen in seinem Kalender ging es nur darum, woher der Wind kommt, wie viel Regen fällt, und was gesät wurde. Hitler, Himmler oder Goebbels kamen nicht vor.

Für Anatol Regnier, Autor aus Ambach, war genau dieser Kalender eine Offenbarung. Dokumentierte er doch den verzweifelten Versuch, unpolitisch bleiben zu wollen, in Zeiten, in denen genau das nicht möglich war. In den zwölf Jahren, die das angeblich 1000-jährige Reich dauerte, standen deutsche Schriftsteller vor einem Problem, das nicht zu umgehen war: Wie hältst du es mit den neuen Machthabern? Bleiben oder gehen? Kompromisse schließen oder Widerstand leisten? Und wenn man blieb und Kompromisse schloss: Wo war der Punkt erreicht, wo man seine Glaubwürdigkeit verlor? Regniers neues Buch „Jeder schreibt für sich allein“, erschienen bei C.H. Beck, ist eine Anspielung auf ein Fallada-Buch mit dem Titel „Jeder stirbt für sich allein“, kurz nach dem Krieg erschienenen, eine Abrechnung mit der NS-Zeit.

Vor allem geht es um Autoren, die daheim geblieben sind – außer Thomas Mann, Fixstern der damaligen deutschsprachigen Literatur. Viele von denen, die geblieben sind, haben eben deshalb einen schlechten Ruf, nur wenige werden heute noch gelesen wie Gottfried Benn (komplexer Fall) oder Erich Kästner (komplexer als viele denken). Andere sind weitgehend vergessen, wie Ina Seidl oder Börries von Münchhausen, gewiss mit Sympathien für Hitler und die deutsche Revolution, aber keine lupenreinen Nazis. Die plumpen, völkischen Dichter kommen nicht vor. Wohltuend an Regniers Buch ist, dass er kein Interesse am Moralisieren hat, sondern das Dilemma seiner Figuren ernst nimmt. Dabei hilft ihm, dass er in vielen Archiven Nachlässe gesichtet hat, etwa im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar. Das Buch strotzt vor Zitaten.

So entfalten sich auf gut 300 Seiten große und kleine Dramen. Die Zeit ist das Präsens, der Stil ist ruhig und klar, die Darstellung lebensnah. Der Bogen reicht von den verbissenen Machtkämpfen in der Preußischen Akademie der Künste über kleine Episoden wie die unglückliche Liebe von Ina Seidl zu einer Kirchenmalerin bis hin zu jener unseligen Nachkriegsfehde zwischen exilierten und nicht-exilierten Literaten. Auch die Familiengeschichte des Autors blitzt auf: Regniers Mutter Pamela Wedekind war 1924 bis 1928 mit Klaus Mann verlobt, der später den berühmt-berüchtigen Schlüsselroman „Mephisto“ geschrieben hat. Darin wird Gustaf Gründgens als Inbegriff eines gewissenlosen Karrieristen porträtiert. Zu Recht? Kapitel 24 gehört zu den stärksten, weil differenziertesten.

Überhaupt ist es eine große Stärke des Buchs, dass der Ambacher Autor in der Einleitung erzählt, wie er persönlich zum Thema gekommen ist. Im Haus seiner Eltern nämlich – Pamela Wedekind und Charles Regnier – wurde wenig darüber geredet, erst ein Besuch in Israel öffnete ihm die Augen. „Heute weiß ich, es hätte eine Überprüfung auch der eigenen Rollen erfordert, unbedeutend wie sie gewesen sein mag“, schreibt der Autor. Dazu muss man wissen, dass seine Mutter unter Gründgens in Berlin Theater spielte. Und er fährt fort: „Dazu waren meine Eltern nicht bereit, und wir haben sie nicht gedrängt. Vielleicht wollten sie ihre Kinder schonen. Oder sich selbst. Vielleicht hielten sie eine solche Diskussion auch einfach nicht für notwendig.“ Einen gewichtigen Beitrag zur Diskussion hat Regnier jetzt geliefert.

Das Buch: Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein.
Schriftsteller im Nationalsozialismus. C.H. Beck, 366 Seiten, 26 Euro.