Münsing,
5.9.2019 – Jahrzehntelang ist die Kapelle an der nördlichen Seestraße
beim Ammerlander Schloss schon für Besucher unzugänglich. Denn der
ursprüngliche Eingang des Sakralbaus aus dem 17. Jahrhundert liegt auf
dem Privatgrund der heutigen Schlossinhaber. Niemand konnte mehr hinein.
Das könnte sich nun bald ändern. Spätestens 2020 rechnet die
Vorsitzende des Ostuferschutzverbandes (OSV), Ursula Scriba, damit, die
Kapelle weihen und für die Öffentlichkeit öffnen zu können. Dann kann
jeder das prächtige Deckengewölbe im Zustand des 19. Jahrhunderts
bewundern. In einen dunkelblauen Nachthimmel blickt, wer im Hauptschiff
nach oben schaut. Plastisch heben sich die zahlreichen goldenen Sterne
davon ab. „Im Moment habe ich ein sehr gutes Gefühl“, sagt Scriba. „Der
Pfarrer unterstützt uns.“
Zum
Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, steht die Kapelle
für einen ersten Eindruck bereits offen. Die OSV-Vorsitzende Scriba wird
von 17 Uhr an Fragen beantworten, über die Historie der Kapelle und die
Sanierungsarbeiten berichten. Hinein kommen die Besucher durch den
neuen von der Straßenseite geschaffenen Eingang an der Sakristei – über
eine Treppe. Denn der Boden des Baus liegt heute etwa 75 Zentimeter
unterhalb des Straßenniveaus.
Nach dem fast vollständigen Verfall
in den 1970er Jahren waren die Sanierungsarbeiten nur stockend
vorangegangen. Das lag wohl auch an der vielfältigen Interessenslage mit
vielen Beteiligten – von der Münsinger Kirchenstiftung, bis zum
Erzbischöflichen Ordinariat, den Schlossbesitzern und dem Landesamt für
Denkmalpflege. Umso mehr freut sich Scriba über die jetzige, tragfähige
Lösung. Der OSV hatte die Sanierungen federführend betreut. „Die Kapelle
sah wüst aus. Aus dem Dach des Hauptschiffs wuchs sogar ein Baum“,
beschreibt dessen Vorsitzende den einst traurigen Zustand des
Sakralbaus.
Glaskunst von Bernd Nestler
Die
besonderen Details machen heute den Charme der denkmalgeschützten
Kapelle aus. Das Motiv der Heiligen Drei Könige samt der Muttergottes
Maria mit Kind und dem Stern ziert das farbkräftig leuchtende Fenster
oberhalb des Altars im Osten des Innenraums. Für die den Heiligen Drei
Königen geweihte Kapelle hat der Münchner Glaskünstler Bernd Nestler
eine Darstellung aus dem Regensburger Dom aufgegriffen. Um sein Werk vor
den Straßenverunreinigungen zu schützen, wurde ein zweites Fenster im
Mauerwerk der Kapelle davor gesetzt. Darin ist das Motiv der Heiligen
Drei Könige in seinen Umrissen nochmals eingeätzt. Nur noch
bruchstückhaft waren auch die Seitenfenster der Kapelle mit gelben und
türkisfarbenen Rauten erhalten. Nach diesem Vorbild hat eine Werkstatt
aus München neue gefertigt.
Ebenso rudimentär waren auch die
Überbleibsel des einstigen Hochaltars. Von den Seitenteilen existierten
nur noch einzelne Bretter. Lediglich ein grob gerastertes, altes
Zeitungsfoto vermittelte noch einen Eindruck vom Mittelteil. „Das
Landesamt für Denkmalpflege hat sich dafür entschieden, den Hochaltar
nicht mehr zu restaurieren“, sagt Scriba. Für die Tischplatte des Altars
werde derzeit an einer Lösung gearbeitet.
Ein Speziallabor hatte
die Farbschichten in den Innenräumen der Kapelle untersucht. Die
Restauratoren von Engel & Paric aus Wessobrunn stellten den in den
1920er Jahren weiß übertünchten Sternenhimmel und damit den Zustand aus
dem 19. Jahrhundert wieder her. Laut Scirba soll das Fresko dank
ausgeklügelter LED-Beleuchtung noch plastischer wirken. „Man meint, die
Sterne kommen auf einen zu. Die farbige Decke tritt in den Hintergrund“,
beschreibt Scriba die neue Raumwirkung. Damit die Proportionen der
Kapelle gefälliger wirken, wurde der Wandsockel farblich abgesetzt. Die
Restauratoren ergänzten den durch Salze aus dem nahen Straßenverkehr
lädierten Natursteinboden teilweise.
Ursprünglich hatte der
Wittelsbacher Fürstbischof Albrecht Sigmund die Kapelle zwischen 1683
und 1685 etwa zeitgleich mit dem neuen Schloss am Ostufer des
Starnberger Sees errichten lassen. Der Sakralbau war von damals bis
heute im Besitz der Kirchenstiftung Münsing. Die Sakristei wurde 1728
nördlich an die Kapelle angebaut. Im Inneren ist noch ein alter
Zierfries erhalten.
Schlossbesitzer Pocci pflegten die Kapelle
Bis
in die 1930er Jahre sollen die späteren Schlossbesitzer der Familie von
Pocci die Kapelle gepflegt und dort Gottesdienste organisiert haben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verkauften die Poccis das Schloss. Die
Besitzer wechselten. Die Räume und auch die Kapelle verfielen. Für deren
Erhalt hatten der Ammerlander Freiherr Dietrich von Laßberg und der OSV
im Jahr 1981 eine Rettungsaktion begonnen und Spenden gesammelt. 1986
hatte das Erzbischöfliche Ordinariat München und Freising mit der
Sanierung begonnen. Die Räume wurden entfeuchtet. Die Kapelle bekam
einen neuen Dachstuhl. Doch dann stockten die Arbeiten wieder.
Problematisch
blieb der Zugang zur Kapelle. Neue Eigentümer sanierten von 1988 bis
1992 das benachbarte Schloss. Damit war die ursprüngliche Eingangstür
von der Nordseite nicht mehr erreichbar, weil sie in dessen Garten
liegt. Um neue Zugangsmöglichkeiten wurde lange gerungen. Erst viel
später stimmte das Erzbischöfliche Ordinariat zu, eine Tür auf der
Straßenseite einzurichten. Über vier Stufen geht es künftig dahinter in
die Sakristei hinunter und von dort in die Kapelle. Der Ammerlander
Schreiner Josef Wagner fertigt die Holztreppe an.
Für den ersten
Bauabschnitt ist laut Scriba mit Kosten von 100000 Euro zu rechnen.
Finanziell unterstützen die Kommune Münsing, das Tölzer Landratsamt, der
Bezirk Oberbayern und das Landesamt für Denkmalpflege die
Sanierungsarbeiten. Zusätzliche Spendengelder flossen. Die
Messerschmidt-Stiftung hat beispielsweise mit 22000 Euro die neuen
Fenster finanziert. Für die Kapellenbänke hat der OSV die Meitinger
Stiftung als Sponsor gewonnen.
Über die Unterstützung freut sich
die OSV-Vorsitzende Scriba. Sie ist zuversichtlich, dass die Kapelle von
2020 endlich wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
Mein Dank gilt den Helfern dieser Veranstaltung:
Manfred Stecher für die Beratung von potenziellen Spendern
Josef Wagner für die Präsentation der neuen Treppenplanung und den Holzmustern
Regina Wagner für die Vorbereitung des Raumes
Bernd
Nestler für die Präsentation und Erläuterung unseres Vorgehens zu den
künstlerisch gestalteten Gläsern, besonders des Altarfensters.
Maria Mannes für die Chance des OSV sein großes ehrenamtliches Projekt auf einer bundesweiten Liste präsentieren zu dürfen.
Sobald wir einen entscheidenden Schritt weiter sind, werden wir die Mitglieder in die Kapelle wieder einladen. Bitte denken Sie daran, dass wir gerade jetzt dringend auf Spenden angewiesen sind und unterstützen Sie uns. Ursula Scriba Die IBAN lautet: DE12 7005 4306 0011 7217 50. Herzlichen Dank.
Schlosskapelle Ammerland, Münsing, nördliche Seestraße 11 um 17 Uhr zu Führung und Vortrag mit Ursula Scriba, Manfred Stecher, Josef Wagner und Bernd Nestler.
Auf
Einladung unseres Ehrenmitglieds und Kreisheimatpflegerin Maria Mannes
und mit Zustimmung von Pfarrer Kirchbichler für die Kirchenstiftung
Münsing öffnet der OSV dieses Jahr die Tür der Kapelle zu einer
Einführung in die Geschichte und Restaurierungsgeschichte der
Filialkirche Ammerland Heilige Drei Könige.
Dies ist der richtige Moment, um mich bei allen bisherig Beteiligten zu bedanken:
An
erster Stelle steht das Vertrauen der Eigentümer Herrn Pfarrer
Kirchbichler und der Kirchenstiftung Münsing in den OSV für eine
professionelle Sanierung und Restaurierung der denkmalgeschützten
Kapelle aus dem Jahr 1685. Kreisheimatpflegerin Maria Mannes danken wir
für die fürsorgliche Unterstützung all die Jahre bis jetzt.
Baronin
Christa von Laßberg (mit Familie) und Annabel von Boetticher gilt unser
Dank für die engagierte Unterstützung besonders in der Startphase des
Projekts 2007. Freundliche, zugewandte Offenheit und Hilfe für alle Nöte
spendeten die Nachbarn und Schlossbesitzer Werner Döttinger und Herr
Nickl.
Früherer 2. Vorstand Klaus
Reid hat ehrenamtlich die Statik untersucht und geprüft, sowie die
ersten baumeisterlichen Schritte unternommen. Manfred Stecher, unser
Klassier, hat all die Jahre zuverlässig die Finanzen betreut, auch in
Feinabstimmungen mit der Kirche und den vielen, vielen Spenden, die über
die Jahre eingetroffen sind. Herr Fritz Noppes, Träger des
Gabriel-von-Max-Denkmalpreises, brachte sein Wissen zu Restaurierungen
immer wieder ein. Herr Prof. Johannes Umbreit hat mit seinen
musikalischen Begleitern viele Benefizkonzerte ausgerichtet, die alle in
ihrer phantasievollen Einmaligkeit unvergesslich sind. Im Jahr 2018
haben David Greiner mit Marina Cesarale, Rom feingestimmte vier
biblische Lieder vorgetragen und beim vorläufig letzten Konzert Herr
Prof. Edgar Krapp und Prof. Markus Bellheim ein vierhändiges
Sternstundenkonzert gegeben. Elisabeth Biron und Maria Mannes standen
immer zur Verfügung zur konzeptionellen und künstlerischen Beratung. Wir
genossen jederzeit die fachliche Begleitung des Erzbischöflichen
Ordinariats, des Landesamtes für Denkmalpflege, sowie des Unteren
Denkmalschutzes am Landratsamt Bad-Tölz Wolfratshausen.
Spenden
erhielten wir dankenswerterweise vom Landkreis, vom Bezirk, vom
Landesamt für Denkmalpflege, der Messerschmitt Stiftung, dem Legat
Irmingard Haussmann, der Meitinger Stiftung und vielen, vielen Freunden
der Schlosskapelle.
Folgende örtliche
Firmen brachten sich ein: Schreinerei Will, Fa. Krämmel, Fa. Graf, Fa.
Zündorff, Schreinerei Josef Wagner, Ammerland-Seestraße, die Mayersche
Hofkunstanstalt, die Restauratoren Engel und Paric sowie Glaskünstler
Bernd Nestler.
Wir freuen uns auf Sie und wollen aus der Geschichte der fürstbischöflichen Kapelle und unserer Arbeit berichten.
Was alle Konzerte verbindet, seien sie gespielt von arrivierten oder aufstrebenden Musikern, szenisch oder konzertant, solistisch oder im Ensemble, ist die ungezwungene Atmosphäre, mit der Musik hier erfahrbar wird. Es ist diese Leichtigkeit, welche die Holzhauser Musiktage auch in diesem Jahr zu einem außergewöhnlichen Festival werden lässt. – Süddeutsche Zeitung 29.4.2019
Am 6. Juli beginnen die Holzhauser Musiktage 2019.
International gefeierte, junge Stars der Klassikszene wie die Geigerin Veronika Eberle, der Pianist
Nikolai Lugansky, die Sopranistin Nikola Hillebrand, der Cellist Maximilian Hornung uvm.
kommen Mitte Juli ans Ostufer des Starnberger Sees und spielen Konzerte in Scheunen und Reithallen.
Neuer Partner der Holzhauser Musiktage ist ab diesem Jahr BR Klassik. Der Rundfunksender wird zwei Konzerte aufzeichnen und widmet dem Festival am 29.7. eine dreistündige Sendung zur Prime Time um 20 Uhr.
Fünf Konzerte bieten die Holzhauser Musiktage dieses Jahr wieder in ihren charmanten Konzertsälen an: In der Reithalle des Gut Ried in Ammerland fliegen Nikolai Luganskys Hände über die Tasten und in Münsing verwandelt Nikola Hillebrand die Tenne des Loth Hof in eine Opernbühne. Nikola Hillebrand, Gewinnerin des internationalen Wettbewerbs Das Lied, ist in Berg am Starnberger See aufgewachsen und singt inzwischen an den besten Opernhäusern Europas.
Maximilian Hornung & Friends tauchen mit Tchaikovskys berühmten Streichsextett „Souvenir de Florence“ in italienisches Sommerflair ein, während Veronika Eberle, Julian Steckel und William Youn das leidenschaftliche Klaviertrio in a-moll „à la memoire d’un grand artiste“ von Tchaikovsky zum besten geben.
Das Andenken an den großen Künstler aus Ambach, den Geiger und Pädagogen Dénes Zsigmondy, tragen die Holzhauser Musiktage mit dem Angebot von zwei Meisterkursen weiter.
NIKOLA HILLEBRAND & FRIENDS. Opéra Miniature 6. Juli, 20 Uhr, Loth Hof Tenne Münsing Die
gefeierte Sopranistin Nikola Hillebrand gestaltet mit Freunden einen
amüsanten Abend mit Liedern und Arien von F. Schubert und W.A. Mozart
EBERLE – STECKEL – YOUN. Klaviertrio 12. Juli, 20 Uhr – Loth Hof Tenne Münsing Klaviertrio Rezital mit Veronika Eberle, Julian Steckel und William Youn Werke von Rachmaninov, Debussy, Tchaikovsky u. Messiaen
ENTRE AMIS – Maximilian Hornung & Friends 17. Juli, 20 Uhr – Loth Hof Tenne Münsing Streichsextette von J. Brahms und Tchaikovsky „Souvenir de Florence“
NIKOLAI LUGANSKY . Piano Solo 20. Juli, 19.00 Uhr – Gut Ried Ammerland Der international konzertierende Pianist lässt die Finger über die Tasten fliegen!
JUNGE TALENTE – STARS VON MORGEN 21. Juli, 19 Uhr – Gut Ried Ammerland Die Meisterschüler für Violine und Gesang stellen sich in einem gemischten Programm vor
Aus
Mauerresten wuchsen Blumen, die Welt war wieder offen, man durfte
wieder träumen. Aber konnte man unbeschwert weitermachen, nach Leid,
Vertreibung, Verbrechen?
Das neue Programm des Münchner
Erfolgstrios Julia von Miller, Anatol Regnier und Frederic Hollay
verschweigt die Brüche nicht, aber balanciert sie aus mit tollen
Liedern, geschliffenen Texten und schwungvollem Klavierspiel.
Eine Zeitreise der besonderen Art! Sie werden inspiriert nach Hause gehen!
Eintritt 12 €, bitte kurze schriftliche Kartenbestellung an diese mail-Adresse: ak-kultur-osv@web.de
Ulrike Weihe hat im Schlossgut Oberambach, einer der „Knittl-Villen“, gelebt. Die Künstlerin fühlte sich von dem Anwesen inspiriert. Eine Nachfahrin des Baumeisters liest in Holzhausen
Von Benjamin Engel, Wolfratshauser SZ, 29. November 2018
Münsing – „Oberambach hatte immer eine besondere Aura“, sagt die Künstlerin Ulrike Weihe, als sie im Café des heutigen Bio-Hotels bei Holzhausen sitzt. Früher war das der Salon ihres Großonkels Eberhard von Kleydorff, der dort bis zu seinem Tod 1987 lebte. Im Raum an der Südseite des Hauses hoch über dem Starnberger See kann sich die 73-jährige Künstlerin noch genau an den Elsässer Schrank und den großen Eichentisch erinnern. Daran saß etwa der marokkanische König, um über politische Fragen zu diskutieren. Genauso lud der Baron Künstler in sein Haus, auch aus dem Kreis des „Blauen Reiter“, wie Wassily Kandinsky. Eberhard von Kleydorff hatte selbst Malerei an der Berliner Akademie studiert und war an neuen kulturellen Ideen interessiert.
Dass der intellektuelle Gedankenaustausch gerade in Oberambach so gepflegt wurde, hängt für Weihe auch mit der Architektur zusammen. Das an das Anwesen angebaute Herrenhaus sei nach den Prinzipien der Geomantie errichtet worden. Diese Lehre soll helfen, den energetisch idealen Platz für ein Haus zu finden. Weihe erklärt, das Gebäude sei so ausgerichtet, dass immer Sonnenlicht in die Innenräume falle. So sei ein geistig anregender Ort der Harmonie zwischen den Menschen entstanden.
Im Jahr 1907 hatte der Karlsruher Oberstleutnant Hans Ebers den Tutzinger Baumeister Xaver Knittl mit den Arbeiten beauftragt. Dessen Familie hatte in der Prinzregentenzeit eines der größten Baugeschäfte in der Region. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte Knittl mehr als 350 Mitarbeiter. Er realisierte mehr als 250 Bauprojekte, darunter allein auf Münsinger Flur das Schlossgut in Oberambach, das Seeheim oder das inzwischen abgerissene Ammerlander Gasthaus Hubertus. Zum Markenzeichen seiner Villen und Landhäuser entwickelte er den „Knittl-Stil“ mit aufwendigem Zierfachwerk.
Als Nachfahrin Stefanie Knittl 2012 den denkmalgeschützten Stammsitz der Familie sanierte, begann sie, die 115-jährige Unternehmensgeschichte zu erforschen und veröffentlichte darüber ein Buch. Im Alten Schulhaus in Holzhausen wird sie ihre Publikation an diesem Freitag vorstellen. Der Ostuferschutzverband hat die Autorin eingeladen. Knittl sagt, sie wolle das Wissen um den Wert der historischen Villenkultur am Starnberger See der Öffentlichkeit wieder bewusst machen. Es mache sie traurig, wie viele der schönen alten Häuser schon verschwunden seien, sagt sie. Deshalb setzt sie sich für den Erhalt dieser besonderen Architektur ein.
In Oberambach freut sich Weihe, dass die Hoteliersfamilie Schwabe die ursprüngliche Bausubstanz nahezu unverändert erhalten hat. Die Einbauten und das Parkett im Salon sind original. Und noch immer faszinieren sie die Führung der Wendeltreppe oder die Stuckornamente an der Decke genauso wie vor Jahrzehnten. Zwischen 1978 und 1986 hatte sie selbst gemeinsam mit ihrem Großonkel in Oberambach gewohnt. Damals existierte noch die alte Bibliothek mit Originalausgaben von Dante, Novalis oder Goethe. Mit ihrem Großonkel diskutierte Weihe über Literatur und Musik, organisierte jeden Herbst selbst kulturelle Veranstaltungen im Haus.
In den Familienbesitz kam es 1919. Damals hatte der Düsseldorfer Generalkonsul Otto Heye das Gut seiner Tochter Angelika zur Existenzgründung gekauft. Sie war mit Baron von Kleydorff verheiratet.
Weihe sagt, ohne die besondere Energie in Oberambach hätte sie ihren künstlerischen Weg kaum gehen können. Sie studierte Grafikdesign und Malerei an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Unter anderem war sie Schülerin bei Joseph Beuys. In ihrem Werk hat sich die heutige Starnbergerin damit beschäftigt, Klang und Bild zu verbinden – und das etwa mit Mitteln des Films umgesetzt. An die Zeit in Oberambach, mit Kutschfahrten durch die verschneite Winterlandschaft, denkt Weihe gerne zurück. „Hier war so eine Lebendigkeit“, sagt sie.
Lesung von Stefanie Knittl aus dem Buch „Häuser erzählen Geschichten“: Freitag, 30. November, 19 Uhr, Altes Schulhaus Holzhausen, organisiert vom Ostuferschutzverband
Ein neues Buch über die Tutzinger Baumeisterfamilie Knittl und historische Bauten am Starnberger See
Vor drei Jahren stieß eine Ausstellung im Ortsmuseum in Tutzing unter dem Titel: „Knittl, Baumeister, Tutzing – Häuser und Villen am Starnberger See“ auf großes Interesse. Die Kuratorin Stefanie Knittl veröffentlicht nun ein mit Zeitdokumenten und Fotografien ausgestattetes Buch über die Baumeisterfamilie Knittl (1872-1987), ihre Häuser und Villen sowie über die Menschen, die in ihnen wohnten. In den beiden Tutzinger Buchhandlungen ist das Buch bereits erhältlich.
Stefanie Knittl dokumentiert auf 300 Seiten mit 345 Abbildungen das historische Bauen am Beispiel von mehr als 200 Häusern. Erzählt wird Orts-, Regional- und Architekturgeschichte, aber vor allem die Geschichte des Wohnens und Lebens am Starnberger See über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert. Die Baumeisterfamilie war verzweigt, so dass Bauten nicht nur in Tutzing entstanden, sondern auch in Feldafing, Seeshaupt, Pöcking, Bernried, dem Ostufer und anderen Schauplätzen im Voralpenland.
„Wichtig war mir, Einblick in das gesellschaftliche Leben zu geben und die Hintergründe aufzuzeigen, warum man heute anders baut und ein altes Haus nicht einfach nachgebaut werden kann“, erklärt Stefanie Knittl. Darüber, wie die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft die Architektur verändert haben, und wie Erfolg und Ende des einst größten Baugeschäfts am Starnberger See verlaufen sind, erfahren Sie in einem interessant gestaltetem Buch, das viele persönliche und zwischenmenschliche Blickwinkel aufzeigt und die noch vielen „kleinen“, bisher eher unbekannten Geschichten der Bewohner dieser Häuser erzählen. In diesem Sinne kein klassisches Heimatbuch.
Erhältlich ist das Buch für 39,80 Euro in den Tutzinger Buchhandlungen sowie nach Bestellung auf www.villaknittl.de. und jetzt auch bei „Mein lieber Schwan“, Hauptstraße 6 in Münsing
Das Erbe der Baumeister
Stefanie Knittl hat mit großem Aufwand ein baufälliges Haus an der Tutzinger Hauptstraße saniert. Zum Nachlass gehören Papiere, die eine 115-jährige Familien- und Firmengeschichte dokumentieren
Von Katja Sebald, Starnberger SZ vom 19. Juli 2018
Tutzing – „Entweder ich verkaufe jetzt alles oder ich mache was draus“, dachte Stefanie Knittl, nachdem sie ein altes baufälliges Haus an der Tutzinger Hauptstraße, dazu ein großes Grundstück und mehr als ein Jahrhundert Familiengeschichte geerbt hatte. Die 50-Jährige ist die letzte in der Ahnenreihe der Baumeisterfamilie Knittl: Ihre Vorfahren betrieben einst das größte Baugeschäft weit und breit, sie haben unzählige Häuser und Villen gebaut und damit die Architekturlandschaft rund um den Starnberger See nachhaltig geprägt. Sie selbst hat sich am Ende entschieden, etwas aus ihrem Erbe zu machen: 2012 sanierte sie mit großem Aufwand das denkmalgeschützte Stammhaus der Firma Knittl und dokumentierte anschließend die Firmen- und Familiengeschichte.
Im Jahr 1864 hatte Herzog Ludwig in Bayern, Sisis ältester Bruder, den Tiroler Maurergesellen Josef Knittl nach Garatshausen geholt. Jahre lang beschäftigte er ihn beim Umbau des Schlosses, bis sich Knittl 1872 selbständig machte und eine Tutzinger Fischertochter heiratete. Damit begann die Geschichte der Baumeisterdynastie Knittl. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie erlebte Tutzing einen wahren Bauboom, der Firmengründer hatte viel zu tun: Prägnante Bauten wie die Villa Trutz und die Villa Thudichum in Tutzing oder die Villa Reber in Pöcking entstanden, aber auch viele kleine Handwerkerhäuser. In der zweiten Generation wuchs die Firma in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf 350 Mitarbeiter an. Xaver Knittl war in der Prinzregentenzeit der „Platzhirsch“ unter den Baumeistern rund um den See. Er realisierte mehr als 250 Bauprojekte, darunter das Tutzinger Kloster, die Grundschule, das Rathaus und beide Kirchen. Für die von ihm gebauten Villen und Landhäuser entwickelte er den typischen „Knittl-Stil“ mit aufwendigem Zierfachwerk. Sein jüngerer Bruder Engelbert hatte in Feldafing das Baugeschäft von Johann Biersack übernommen, wo er nun ebenfalls an Villenbauten beteiligt war und unter anderem die mittlerweile denkmalgeschützte Badeanstalt entwarf. In der dritten Generation führte Carl Knittl das Tutzinger Baugeschäft bis in die 1950er Jahre. Unter Karl Xaver Knittl, Vater von Stefanie Knittl, endete 1987 die Baumeistertradition: Zuletzt konnte er – wie viele andere Handwerksbetriebe – dem Wettbewerbsdruck durch Billiganbieter nicht mehr standhalten.
Für Stefanie Knittl, die den geschäftlichen Überlebenskampf ihrer Eltern hautnah erlebt hatte, stellte sich nie die Frage, ob sie das Familienunternehmen übernehmen sollte. Sie absolvierte ein Ingenieurstudium, studierte dann Politik. Heute ist sie Berufsschullehrerin in München und unterrichtet unter anderem Sozialkunde. Ihre Familiengeschichte, aber auch die Geschichte des Bauens und Wohnens am Starnberger See interessiert sie vor allem unter soziologischen Gesichtspunkten: „Mich fasziniert der Zusammenhang zwischen Architektur und Gesellschaft“, sagt sie, „das Denken im Bau hat sich komplett verändert und damit auch das Verhältnis der Menschen zu ihren Häusern.“ Fortschrittsgläubigkeit, gesetzliche Vorgaben sowie wirtschaftliche Aspekte lassen nurmehr standardisierte, seelenlose Bauten statt individueller Häuser entstehen. Ein Haus wie das ihrer Familie könne man heutzutage nicht mehr bauen. Seit Jahren setzt sie sich deshalb für Denkmalschutz und den Erhalt alter Bausubstanz ein.
Bei der Sanierung ihres Elternhauses stieß sie auf handgeschriebene Betriebsbücher, historische Dokumente und Fotografien, aus denen sie 2016 eine Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum zusammenstellte. Viele Stunden hatte sie schon damals über alten Plänen im Staatsarchiv verbracht. Jetzt entstand aus ihrer Forschungsarbeit ein Buch, in dem sie auf 300 Seiten die von der Baumeisterfamilie Knittl in 115 Jahren Firmengeschichte realisierten Projekte nahezu lückenlos dokumentiert: Landhäuser, Villen, Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels, Gastwirtschaften, landwirtschaftliche Gebäude, Brücken und Mauern, nicht nur Tutzing, Feldafing, Garatshausen und Pöcking, sondern auch in Starnberg, Bernried, Seeshaupt, am Ostufer und in den Voralpen. Das Buch erzählt aber auch von Erfolg und Ende einer typischen Handwerkerfamilie am Starnberger See. Und nicht zuletzt erzählt es die „kleinen Geschichten“, wie Knittl sagt: Von Maurern, die 50 Jahre lang in der Firma beschäftigt waren und fast zur Familie gehörten. Von Krankheit und Tod, Heiraten und Kinderkriegen, Sparen und auch vom Scheitern: Diese Geschichten machen das Buch zu einem eindringlichen Stück Orts- und Regionalgeschichte.
Gabriel von Max? Das ist für die Öffentlichkeit jener Künstler aus dem 19. Jahrhundert, dessen alte Villa in Ammerland trauriger Weise verrottet. Dass er ein bedeutender Maler war, beweist das derzeitige Faust-Festival in München. Dort sind einige seiner Bilder zu sehen. Sie sind beeindruckend.
Münsing/München – München huldigt dem „Faust“. Noch bis Juli läuft ein Festival, wie es die Stadt noch nicht gesehen hat. Im Mittelpunkt: Goethes großes Drama, das wohl wichtigste oder zumindest bekannteste Werk der deutschen Literatur. In einer unüberschaubaren Anzahl an Veranstaltungen wird der Gelehrte, der sich dem Teufel verschreibt, als Prototyp des modernen Menschen dargestellt, unruhig, getrieben, rastlos. Die Ausstellung „Du bist Faust!“ in der Kunsthalle München an der Theatinerstraße zeigt, wie der „Faust“ Eingang in die bildende Kunst gefunden hat. Drei der ausgestellten Bilder stammen von Gabriel von Max: „Mephisto in Fausts Kleidern“ (1869), „Gretchen in der Walpurgisnacht“ (um 1875) und „Die Kindsmörderin“ (1877). Sie wurden aus ganz Deutschland zusammengetragen.
Gabriel von Max ist das, was man eine schillernde Figur nennt. Er malte Bilder, die die Zeitgenossen elektrisierten, etwa die „Märtyerin am Kreuz“ von 1867, das wohl bekannteste Beispiel seiner berühmten „Seelenmalerei“. Er war ein früher Anhänger Darwins und von dessen umkämpfter Evolutionstheorie und hatte Riesenerfolge mit Affenbildern. Das Geld, das er damit erwirtschaftete, steckte er in eine 60 000 Objekte umfassende Sammlung, vor allem bestehend aus prähistorischen Tier-Schädeln. Und: Ab etwa 1900 wohnte er am Starnberger See, in jener 1871 errichteten Villa, die seit vielen Jahren dem Verfall preisgegeben ist.
Zeit seines Lebens war Gabriel von Max bekennender Verehrer des Weimarer Dichters. „Ich bewundere Göthes okkultistisches Wissen, seine Geschicklichkeit im Schreiben und im Innern anders zu denken, seine Keckheit und Missachtung der Leute. Poetisch zu sein traf er auch“, schreibt er einmal. Eine besondere Stellung nahm für den gebürtigen Prager – wie für fast alle Zeitgenossen – der „Faust“ ein, vor allem der 1808 erschienene erste Teil der Tragödie. Ende der 1860er Jahre erhielt Gabriel von Max den Auftrag, eine Prachtausgabe zu illustrieren, wie sie für die damalige Zeit typisch war. Doch die – insgesamt 60 – Zeichnungen, die er anfertigte, waren dem Berliner Verleger Grote nicht prächtig genug. Zu wenig Pomp, zu wenig vaterländisch, zu wenige historische Details: Das waren die Einwände gegen die Illustrationen des eigenwilligen Künstlers. Das Projekt zerschlug sich.
Immerhin gingen aus diesen Arbeiten teilweise jene Bilder hervor, die heute in München zu sehen, besser: zu bewundern sind. Da wäre einmal das Bild „Mephisto in Fausts Mantel“ von 1869. Es zeigt, wie Teufel und Faust zu einer Figur verschmelzen. „Die linke Hand liegt, vom Umhang befreit, ruhig auf dem Schoß, während die rechte sich, zur Kralle geformt, unter dem Mantel hervorschiebt und dabei ein Stück des roten Ärmels sichtbar werden lässt“, heißt es im Ausstellungskatalog. Faust hat längst eine doppelte Identität. Die Tragödie kann ihren Lauf nehmen.
Ebenso sehr wie der Faust beschäftigte den Maler dessen blutjunge Geliebte, das berühmte Gretchen. Bekanntlich bringt sie, von Faust verlassen, das gemeinsame Kind um und wird dafür zum Tode verurteilt wird – ein Schicksal, das damals häufig vorkam und das die Generation Goethes entsetzte. Das Bild „Gretchen in der Walpurgisnacht“ (um 1875) zeigt die Vision, die Faust während eines Hexensabbats in der Nacht auf den 1. Mai von seiner Ex-Geliebten hat. Geisterhaft starr schaut sie aus, eine kleine Flamme auf dem Kopf, die Raben neben ihr verstärken die düstere Stimmung.
Allgemeiner gehalten ist der Titel des Bildes „Die Kindsmörderin“ (1875). Es zeigt eine Frau in einer extrem seelischen Notlage, die verzweifelt und voller Liebe das von ihr soeben getötete Kind küsst. Genau dies ist der Fall von Gretchen – und der Kern der „Gretchentragödie“.
Vergleicht man von Max’ Illustrationen mit denen vieler Zeitgenossen, fällt auf, wie wenig er mit nationalistischem Pomp anfangen konnte. Nach der vorherrschenden Lesart war der „Faust“ ein Beweis dafür, dass die Deutschen anderen Nationen ebenbürtig, wenn nicht überlegen sind. Da machte Gabriel von Max nicht mit. Auch in dieser Hinsicht war der Wahl-Ammerlander ein eigenwilliger Mann.
Infos:
Die Ausstellung in der Kunsthalle dauert noch bis 29. Juli. Ein Aufsatz über Gabriel von Max und seine Faustillustrationen bietet der Ausstellungskatalog des Lenbachhauses „Gabriel von Max: Malerstar, Darwinist, Spiritist“ (2010). Infos zum Faustfestival im Internet unter www.faust.muenchen.de
VON VOLKER UFERTINGER, Isar Loisachbote vom 24. Februar 2018
Der Ammerlander Künstler Ernst Grünwald ist ein gefragter Bildhauer. Zum Broterwerb fertigt er auch Ehrenpreise an. Diese hübschen, kleinen Auftragswerke haben schon die verschiedensten Leute bekommen. Etwa der berühmte Basketballer Dirk Nowitzki.
Münsing – Der neueste Ehrenpreis aus der Werkstatt von Ernst Grünwald – der Kulturpreis der Stadt Geretsried für Werner Sebb – trägt den schönen Namen „Dialog“. Auf einer Bank sitzt links eine lesende Frau, rechts macht ein Akrobat einen Handstand, beide im Gleichgewicht. Wie er auf die Idee gekommen ist? „Ich wusste ja nicht, ob die Auszeichnung an eine Frau oder einen Mann geht“, erzählt er. „Also kommen beide Geschlechter vor.“ Eine Schwäche für Akrobaten hat er ohnehin. Der Rest war künstlerische Freiheit.
Auftragsarbeiten wie der „Dialog“ spielen für Künstler wie Grünwald (61) eine wichtige Rolle. „Sie dienen schlicht und einfach dem Broterwerb“, sagt er. Während man bei Ausstellungen nie vorhersagen kann, ob sich ein Käufer findet, landet in diesem Fall das Geld verlässlich auf dem Konto. Wobei die Arbeit nach bestimmten Wünschen eine ganz andere ist. „Wenn ich mir sonst ein Werk vornehme, horche ich mich hinein“, sagt Grünwald. „Bei Auftragsarbeiten horche ich eher anderen zu.“
So zum Beispiel bei einem Werk aus dem Jahr 2007, dem „goldenen Waigel.“ Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hatte den Preis für den größten deutschen Steuerzahler ausgelobt und nach dem ehemaligen Bundesfinanzminister benannt. Der Auftrag ging an Grünwald. „Gott sei Dank ist Herr Waigel ein Mann mit markantem Äußeren“, erinnert er sich. So war es leicht, eine wiedererkennbare Figur in der Größe von 22 Zentimetern anzufertigen, die über zwei mächtige Augenbrauen und einen Aktenkoffer verfügt.
Auch Sporttrophäen stammen aus der Werkstatt am Riedweg in Ammerland. So zählte Grünwald jahrelang den Internationalen Basketballverband FIBA zu seinen Kunden. Der in der Schweiz ansässige Verband orderte die Auszeichnungen „Young Player“, „Womens Player“ sowie „Player of the Year“. Der gebürtige Münchner hat sie alle aus Bronze und sehr dynamisch bei der Ausübung ihrer Sportart gestaltet. Einer der Preisträger: Dirk Nowitzki, der wohl berühmteste Basketballer der Welt. Wer weiß, vielleicht hat die kleine Skulptur aus Bronze in der Villa von Nowitzki in Dallas einen Ehrenplatz.
Doch es müssen nicht immer die ganz großen Namen sein. So hat der Künstler, zugleich Dritter Bürgermeister der Gemeinde, auch den Münsinger „Energiewende-Cup“, den „Lupus-Cup“ für den Golfclub Wolfrathausen und die Bürgermedaille für die Gemeinde Krailling kreiert. Alle zwei Jahre verleiht außerdem die Evangelische Akademie Tutzing einen Preis für Nachwuchskünstler. Sein Name: „Phönix“, das sprichwörtliche Tier erhebt sich in der Darstellung von Ernst Grünwald soeben aus der Asche in die Lüfte. Das Material: Messing – also ausnahmsweise nicht das vom Künstler geliebte Bronze.
Besonders wichtig findet Grünwald den Gabriel-von-Max-Denkmal-Preis. Damit wird in Münsing ein Stück lokale Kulturpolitik gemacht. Denn: Mit der Auszeichnung prämiert der Ostuferschutzverband jedes Jahr ein Positivbeispiel in Sachen Denkmalschutz. Das hat durchaus seinen Sinn, denn die Villa Max in Ammerland, das einstige Domizil des Malers, Spiritisten und Darwinisten Gabriel von Max, ist ein abschreckendes Negativbeispiel. Sie verfällt, ohne dass die Eigentümerin auch nur das Geringste dagegen unternimmt. Grünwald hat sich von der Tatsache inspirieren lassen, dass das Lieblingstier des Malers der Affe war. So kommt es, dass die vorbildlichen Denkmalschützer des Ostufers jetzt zur Feierstunde ein solches Tier aus Bronze verliehen bekommen. Der Affe sitzt auf einer Säule, hält eine Miniaturausgabe der Villa im Schoß und grübelt offensichtlich vor sich hin. Worüber? Die Evolution? Den Lauf der Zeit? Den mangelnden Respekt vor Denkmälern? Da kann sich jeder seinen eigenen Reim machen. Wie immer bei der Kunst.
Was mit seinen Ehrenpreisen nach der Verleihung passiert, erfährt Grünwald selten. Dass sich jemand meldet, um sich zu bedanken oder über die Botschaft des Kunstwerks zu philosophieren, passiert praktisch nie. Grünwald hat nur einen Wunsch. „Es wäre schön, wenn sie nicht in irgendeiner Schublade verschwinden.“ Wer sie kennt, kann nur sagen: Wäre wirklich jammerschade drum.
Regisseurin Verena von Kerssenbrock gibt die Feldpostbriefe ihres Urgroßvaters heraus, des Münsinger Malers Colombo Max
Von Benjamin Engel, Wolfratshauser und Starnberger SZ 24. Januar 2018
Münsing – Die Musiktheaterregisseurin Verena von Kerssenbrock bewundert ihren Urgroßvater Colombo Max (1877 bis 1970). „Für uns war er immer der Nonno“, erzählt sie. Der Maler und Sohn des Künstlers Gabriel von Max sei ein Vorbild gewesen, das sie als Kind noch persönlich erlebt habe. Colombo Max habe sehr viel gewusst, ganz in und mit der Natur gelebt, erinnert sie sich. Eine weitere Facette lernte Kerssenbrock kennen, als sie auf seine mehr als 1000 Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg stieß. Die zeigen ihn und seine Frau Paula als Skeptiker gegen den Kriegswahnsinn. Daraus ist ein Buch entstanden: „Die Münchner Künstlerfamilie Max. Feldpostbriefe 1914-1918“.
Von der Lektüre der Briefe war die Regisseurin sofort begeistert. „Das sind wahnsinnig spannende, sehr detaillierte Zeitdokumente“, erläutert sie. Paula hatte aus Liebe zu Colombo – sie hatten 1910 geheiratet – ihre Tanzkarriere aufgegeben. Am Gasthaus in Ammerland – in dem Ort hat die Künstlerfamilie Max ein Sommerhaus – liest sie von der Mobilmachung der deutschen Soldaten und notiert am 5. August 1914 in ihrem Tagebuch: „Man glaubt zu träumen, hier diese Ruhe und draußen soll Krieg werden. Mein Verstand kann diese beiden Dinge nicht vereinen.“ Warum ein so selbständiger Mann wie Colombo gezwungen wird, „alles zu verlassen und zum Raufen zu gehen“, versteht sie nicht. „Sind die Menschen noch nicht reif und gebildet genug, um sich so blutig wie Buben oder Raufbolde zu schlagen.“
An dem Buch hat Kerssenbrock fünf Jahre gearbeitet. Sie transkribierte die teils nur schwer entzifferbaren handschriftlichen Feldpostbriefe aus fünf Kriegsjahren. Die Korrespondenz war teils in Familienbesitz, teils wurde sie im Archiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg fündig. In den Räumen lagerten viele Briefe in Kisten, erzählt sie. „Die waren noch ungeordnet.“ Die ursprüngliche Idee, die Briefe nur für den privaten Familienkreis zu bearbeiten, gab Kerssenbrock bald auf. Zu spannend erschienen ihr die Briefe als Zeitdokumente für die Öffentlichkeit. Sie kontaktierte den Münchner Scaneg Verlag, der das Buch Ende 2017 herausgab.
Colombo Max wurde als Unteroffizier der Landwehr eingezogen. Von Ingolstadt kam er mit seinem Bataillon im Oktober 1914 an die Westfront. Seine Aufgabe war es, die Infanterie mit Munition zu versorgen. Später war er für die Verpflegung der Soldaten verantwortlich. Noch in Ingolstadt hält Colombo beim Anblick von gefangenen französischen Soldaten fest: „Wenn sie nicht rote Hosen anhätten, könnte man sie für intelligente Bayern ansehen.“ Im April 1915 schreibt er an seine Frau aus Fournes im französischen Flandern von Totenkreuzen, die wie Blumen in den Himmel wachsen. In der Kirche hat die Muttergottes keinen Kopf und keine Hände mehr. „Weggeschossen“, notiert er. „Bei Anblick von Verwundeten, Leichen und all dem Zerstörten habe ich immer nur ein mächtiges Gefühl der Scham“, schreibt er ein paar Tage später.
In inniger Verbundenheit präsentiert sich die Familie Max mit Paula, Colombo und Sohn Thomas (von links) auf einem Gemälde. Foto: Privat
Colombo und seine Frau korrespondierten fast täglich. Von Kriegsbegeisterung ist dabei nie zu lesen. Er kann nicht verstehen, warum nur von der hohen Begeisterung der Soldaten und den mächtigen Tönen der Kanonen geschrieben wird. Der Kriegslärm erzeugt in ihm „Wut aus Scham über die Menschheit“. Diese pazifistische Grundhaltung hatte wohl auch mit seiner Erziehung zu tun. Colombo war das dritte Kind aus der Ehe des Malers Gabriel von Max (1840 bis 1915) mit Emma Kitzing. Er hatte noch eine Schwester, Ludmilla, und den Bruder Corneille, ebenfalls Maler. Auf Wunsch des Vaters lebte die Familie isoliert. Er selbst und Hauslehrer unterrichten die Kinder, die keine Schule besuchten. Eine Kinderbuchautorin berichtet, dass die Buben auch nicht mit Soldaten spielen durften
Schrecken ohne Ende
Der Widerstandskämpfer Thomas Max wurde in den letzten Kriegstagen von einem glühenden Nazi in Grünwald erschossen. Das Ereignis wirkt bis heute nach, in der Familie des Opfers und der des Täters
Von Bernhard Lohr
Alles schien nach Plan zu laufen. Thomas Max war in seiner Wohnung, als gegen 8 Uhr die Meldung über Radio verbreitet wurde, die Freiheitsaktion Bayern (FAB) habe die Kontrolle über staatliche Stellen übernommen. Er wurde am Morgen des 28. April 1945 vom Glücksgefühl des nahenden Kriegsendes übermannt und tanzte vor Freude. Dann klingelte das Telefon. Man rief ihn als Arzt zu einem Verletzten ins nahe Rathaus. Seine sechsjährige Tochter Veronika wollte noch mitkommen. Doch ihr Vater wies sie an zu bleiben. Kurz darauf traf Max auf den glühenden NS-Anhänger Friedrich Ehrlicher. Es gab ein Wortgefecht. Und dann hörte die Tochter im Garten des Hauses die Schüsse, die ihren Vater im Alter von 38 Jahren tödlich in den Rücken trafen.
Thomas Max war mit den Kreisen um die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ befreundet und Anhänger der Freiheitsaktion Bayern, deren Mitglieder sich am 28. April an 78 Orten erhoben, um das sinnlose Sterben zu beenden. In Grünwald machten sich die Aktivisten daran, Sprengladungen an der Grünwalder und der Großhesseloher Brücke zu entfernen. Thomas Max setzte mit Freunden in den frühen Morgenstunden zudem den Ortsgruppenleiter Karl Müller und andere Nazigrößen im zweiten Stock des Rathauses fest. Zwei FAB-Aktivisten schoben Wache, als Friedrich Ehrlicher, Zugführer des Grünwalder Volkssturms, in Begleitung von zwei Hitlerjungen kam und die Nationalsozialisten befreite. Dabei wurde der FAB-Mann Erich Sachsinger durch Schüsse an Schulter und Achsel verletzt und Thomas Max wurde gerufen, um seinem Mörder in die Arme zu laufen. Der Aufstand der Freiheitsaktion brach zusammen und die NS-Herrschaft wurde um Tage verlängert. Am 1. Mai rollten Panzer der US-Armee durch Grünwald.
Thomas Max‘ Enkelin Verena von Kerssenbrock hat ein Buch zur Familiengeschichte veröffentlicht. An die Wand projiziert: Thomas Max mit seinen Eltern Colombo und Paula.
Mehr als 70 Jahre später hat Veronika von Kerssenbrock die Schüsse noch im Ohr, die ihr den Vater raubten und das Leben der Familie veränderten. Sein Tod war ein Schock für sie und ihren damals achtjährigen Bruder Nikolaus. „Ich habe ihn noch tot gesehen“, erinnert sich der heute 81-Jährige an das Bild, wie der Vater in einer blutdurchtränkten Militärjacke mit entfernten Hoheitsabzeichen in einem Schuppen in der Nähe des Tatorts lag. Dort hatten ihn Ehrlichers Anhänger lebend hingebracht. Erst zwei Stunden nach seinem Tod wurde die Familie benachrichtigt.
An die Ermordung von Thomas Max am 28. April erinnert ein Gedenkstein vor dem Rathaus. Die Dr.-Thomas-Max-Straße ist nach dem Mann benannt, dem der Widerstand gegen Gewalt und staatliche Willkür in die Wiege gelegt schien. Thomas Max war Adoptivsohn des Malers Colombo Max, der unter dem Eindruck der Gräuel an der Front im Ersten Weltkrieg eine stark pazifistische Ader entwickelte. In einem Feldpostbrief schrieb Colombo Max an seine Frau Paula den prophetischen Satz „Tommi muss ein Freiheitskämpfer werden. Wir sind’s nicht. Noch nicht“. Als sein Sohn ermordet wurde, wollte Colombo Max erst nicht mehr leben und wurde dann für seine Enkel Veronika und Nikolaus Vaterersatz. Sie besuchten ihn in der Max-Villa in Ammerland am Starnberger See, wo der Historienmaler Gabriel von Max schon gelebt und gearbeitet hatte, der Vater von Colombo und Corneille Max – der Malerbrüder aus Ammerland.
Colombo Max kam nie richtig hinweg über die Ermordung des geliebten Sohns , den er in seinen Feldpostbriefen im Ersten Weltkrieg viele Male als „lieben Tommi“ Grüße und Küsse ausrichten ließ. Auch ein Brief des gerade elfjährigen Tommi an seinen Vater, der als Soldat in Frankreich war, ist in dem dieser Tage erschienenen Buch „Die Münchner Künstlerfamilie Max“ abgedruckt, in dem Tommi seinem Vater von den Ereignissen im November 1918 berichtet: „In München ist Revolution! Die Soldaten sind frei und haben heute Nacht in die Luft geschossen. Maschinengewehre haben sie aufgestellt und Unser König hat abgedankt. Bayern ist Republik! […]Gruß und Kuss Dein Sohn Tommi“ Diesen Umsturz erlebte Thomas Max als Kind freudig mit, so wie er als Erwachsener das Kriegsende 1945 erwartete. Als Familienvater war Thomas Max in den Widerstand gegen Diktatur und Militarismus gegangen, als es geboten war – und fand doch nur den Tod.
Der nur ein Jahr ältere Todesschütze Friedrich Ehrlicher stand politisch auf der Gegenseite. Er war seit 1930 Mitglied der NSDAP gewesen und unter anderem Leiter der Abteilung Propaganda/Rednerwesen im Gau München-Oberbayern. Von 1938 bis 1945 führte er das Stadtjugendamt und kämpfte bis zum Schluss für den Fortbestand der Diktatur. Im Jahr 1952 musste er sich wegen der Schüsse auf Thomas Max vor Gericht verantworten. Colombo Max verfolgte die Verhandlung und erlebte, wie seine Familie ein zweites Mal Opfer wurde. „Richter zu alt (National verkalkt)“, notierte Colombo Max damals in sein Tagebuch. Stimmung „pro Ehrlicher“. Dieser sei ein „sturer Nazi“ und „militärisch“. Die Anklage lautete auf versuchten Totschlag an Sachsinger und Totschlag an Max. Ehrlicher wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ein viel zu mildes, ungerechtes Urteil, wie Colombo Max fand, weil er nicht gelten ließ, dass Ehrlicher angeblich in Notwehr gehandelt hätte. Thomas Max war beim Zusammentreffen bewaffnet. Aber: „Wenn Tommi wirklich geschossen hat, war es in Notwehr. Er konnte sich denken, dass er in den nächsten Stunden gehängt würde, wenn er lebend denen in die Hände fällt.“ So der Vater. Der Täter war jedenfalls bald raus aus dem Gefängnis. Grund sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, sahen er und seine Familie über Jahrzehnte in der jungen Bundesrepublik nicht.
So geriet für die Familie von Thomas Max das Ende des NS-Regimes nicht zur inneren Befreiung. Die Gesellschaft war in den Fünfzigerjahren weit davon entfernt, Widerstandskämpfer als Helden anzusehen. Die Münchner Familientherapeutin Eva Madelung und der Historiker Joachim Scholtyseck beschreiben in ihrem Buch „Heldenkinder, Verräterkinder: Wenn die Eltern im Widerstand waren“, wie belastend für viele Nachkommen das Erbe war. NS-Täter wie Friedrich Ehrlicher waren nicht nur vor national gesinnten Richtern wieder obenauf. Der Verdienst etwa der Männer des 20. Juli wurde herabgesetzt und linker Widerstand nicht anerkannt. Behörden erließen Bescheide, dass „keine staatliche Unterstützung an Verräterfamilien“ zu zahlen sei. Selbst Mitglieder der „Weißen Rose“ hätten sich nicht getraut, sich öffentlich zum Widerstand zu bekennen, schreiben Madelung und Scholtyseck. Widerstandsfamilien seien isoliert gewesen und auf sich gestellt und hätten unter einem janusköpfigen Vermächtnis der Widerstandskämpfer zu leiden gehabt: Helden oder Verräter? Täter oder Opfer? Das war für viele Menschen damals nicht ausgemacht. Madelung und Scholtyseck gehen dem Phänomen in Interviews mit Betroffenen auf den Grund.
Nikolaus Max musste als nicht einmal zehnjähriger Bub erleben, wie verstörend die Umwelt auf die Ermordung seines Vaters reagierte. Der Täter kam gefühlt mit einem Freispruch weg. „Das Ganze ist der Familie sehr nahe gegangen“, sagt der 81-Jährige. Die Familien Ehrlicher und Max kannten sich. Man begegnete sich. Nikolaus Max ging sogar mit einem Sohn des Friedrich Ehrlicher in die Schule und hörte sich an, wie dieser sagte, dass dessen Vater seinen erschossen habe. Mit dem Täter kreuzten sich die Wege des Nikolaus Max später beinahe, als er in München an der Briennerstraße Kurse an der Gewerbeschule besuchte. Friedrich Ehrlicher war dort tätig. Max belegte einen Samstagskurs, Ehrlicher arbeitete dort unter der Woche. Begegnet sind sie sich nicht. Und doch war Nikolaus Max immer klar, wenn er die Schwelle zur Schule überschritt: Hier geht auch der andere ein und aus.
Dann vergingen Jahrzehnte. Nikolaus Max machte als Kaufmann sein Glück. Friedrich Ehrlicher lebte später in Haar. Die Geschehnisse vom 28. April 1945 gerieten in den Hintergrund. Doch wie durch ein unsichtbares Band blieben die Familien Max und Ehrlicher durch die Vergangenheit weiter verbunden. Ein Sohn von Friedrich Ehrlicher sprach Veronika von Kerssenbrock vor zehn Jahren bei einer Gedenkfeier für ihren Vater in Grünwald an und offenbarte ihr, dass auch die Täterfamilie bis heute unter dem Ereignis am Kriegsende leidet. Gesprochen wurde aber lange nicht darüber. Jetzt vor kurzem erst wandte sich ein Guy Hofmann mit einem Brief an Veronika von Kerssenbrock. Er ist ein Großneffe zweiten Grades des Volkssturmmanns Friedrich Ehrlicher. Hofmann kam nach dem Krieg zur Welt und war schon jenseits der 50, als er erkannte, wie in seiner Familie das Verbrechen an Thomas Max verdrängt wurde. Eine beiläufige Bemerkung in der Familie brachte Hofmann darauf, den Namen des entfernt Verwandten in eine Internet-Suchmaschine einzugeben, wo er auf einen Artikel in der Online-Enzyklopädie Wikipedia über seinen Großonkel stieß.
Als Guy Hofmann von dem Mord an Thomas Max erfuhr, versetzte es ihm einen Stich. Er dachte an Thomas Max‘ Tochter und Sohn und seine fünf eigenen Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren. Er fand den Gedanken furchtbar, dass Max‘ Kinder keinen Vater gehabt haben. Die Tat eines Fanatikers, sagt Hofmann. In der Familie war das aber nie offen Thema. „Es ist wirklich abenteuerlich“, findet Hofmann. Er und Veronika von Kerssenbrock telefonierten und sie gab ihm weitere Unterlagen. Von Kerssenbrock gibt sich heute versöhnlich und sagt: „Ich glaube, dass es im Moment für diese Familie noch viel schlimmer ist, die Geschichte zu verarbeiten. Als Kind war es natürlich schwer, aber für mich ist es vorbei. Wenn ich ihnen dabei helfen kann, es zu verarbeiten, ist das in Ordnung.“ Die Kinder könnten schließlich nichts dafür.
Doch es lässt sie auch nicht los. Guy Hofmann engagiert sich heute im Osnabrücker Forum „Kriegskinder und Kriegsenkel“ und fragt sich: „Wie viel Nazi steckt in mir?“ Dem gebürtigen Münchner gehen Szenen aus seiner Kindheit und Jugend nicht mehr aus dem Kopf. Ihn beschäftigt, dass Friedrich Ehrlicher lange den 8. Mai als einen „Tag der Niederlage“ bezeichnete und sein Großvater, ein erfolgreicher Geschäftsmann in München, noch in den Sechzigerjahren an Hitlers Geburtstag, dem 20. April, die Reichskriegsfahne hisste. Die Firmenfahrzeuge waren nicht zufällig schwarz-weiß-rot lackiert, in den Farben der umstrittenen Reichskriegsflagge.
Der gelernte Gesundheits- und Krankenpfleger Guy Hofmann erkennt in manchen, die in seiner Generation psychische oder körperlichen Leiden entwickeln, „Symptomträger“, die mit der „gewissen Gefühlsunterkühlung der Eltern“ zu kämpfen haben. „Mit diesem Schicksal bin ich nicht alleine.“ Über Krieg und Schuld zu sprechen war wichtig für Hofmann. Mit seiner Mutter oder Tante ging das nicht.
Hofmann arbeitet nun die Familiengeschichte auf. „Ich kämpfe gegen das Vergessen an“, sagt Hofmann. Gemeinsam mit einem Enkel Friedrich Ehrlichers, dem Romanistikprofessor Hanno Ehrlicher, will er für Wikipedia einen Lexikonartikel für Thomas Max erarbeiten. Beistand erhalten sie von der Historikerin Veronika Diem, die über die Freiheitsaktion Bayern promovierte. Sie hat den Aufstand am 28. April 1945 untersucht, bei dem im südbayerischen Raum 57 Menschen ihr Leben verloren. Außer Max erschossen NS-Schergen von der Grünwalder Widerstandsgruppe den französischen Kriegsgefangenen Lucien Merlin.