„Es gibt Dinge, die sein müssen“

von Andrea Weber, Isar Loisachbote vom 27. April 2017

Elisabeth Biron von Curland reproduzierte den berühmten Isenheimer Wandelaltar. Das Werk der Ickinger Künstlerin und Restauratorin wird in der Wallfahrtskirche eines Klosters bei Mainz seinen Platz finden. 

Icking/Dorfen – Gut drei Jahre hat Elisabeth Biron von Curland gebraucht, um den berühmten Isenheimer Altar zu reproduzieren. Es war keine Auftragsarbeit. Die Ammerlander Künstlerin sah die Arbeit vielmehr als Hommage an den Erschaffer des Kunstwerks Matthias Grünewald, und als „eine Zeit der intensiven Meditation und Spiritualität“. Nun hat die Reproduktion des wohl berühmtesten Wandelaltars aus dem Mittelalter auch einen Platz bekommen. Er steht künftig in der Wallfahrtskirche eines Nonnenklosters bei Mainz. Bevor das Werk überführt wird, lädt die Künstlerin am kommenden Sonntag in ihr Atelier ein.

„Es gibt manchmal Dinge, die sein müssen“, sagt Elisabeth Biron von Curland. Vor drei Jahren fragte Pfarrer Florian Gruber von der evangelischen Kirche St. Michael in Wolfratshausen bei ihr an, ob sie einen Vortrag über den Isenheimer Altar in seiner Gemeinde halten würde. Birons Ausdruckskraft ist das gemalte Bild. „Warum sollte ich dann einen Diavortrag halten?“, fragte sie sich. Sie begann die wandhohen Tafeln, zwei feste und vier drehbare Altar-Flügel, und die horizontale Predella (Sockel) mit den Abbildungen der Leidensgeschichte Christi mit Pastellkreide auf Packpapier zu zeichnen. Diese in Glas gerahmte Version wurde 2014 in St. Michael ausgestellt. Doch dauerhaft wäre die Arbeit auf Papier nicht haltbar. So entschied sich Biron, das Gesamtwerk ein zweites Mal mit Kreide, aber diesmal auf Leinwand zu kopieren. Durch die Kreide hat ihre Arbeit einen seidigen und leichten Duktus im Vergleich zum in Öl und Tempera gemalten Original. Um die Genauigkeit bis ins Detail zu wahren, studierte die Künstlerin historische Schwarz-Weiß-Fotografien, farbige Detailaufnahmen aus Kunstbänden und befasste sich intensiv mit Grünewalds Biografie und der Entstehungsgeschichte des Originals. Der Meister schuf den Altar zwischen 1512 und 1516 für die Spitalkirche des Ordens der Antoniter zu Isenheim. Die Antoniter waren ein Bettelorden, der sich um 1070 gründete. Ihre wichtigste Aufgabe war die Krankenpflege. Sie nahmen sich der Menschen an, die am „Antoniusfeuer“ erkrankten, einer weit verbreiteten Mutterkornvergiftung durch einen Pilz im Getreide. Der Altar, der dem heiligen Antonius gewidmet ist, sollte Wunder bewirken oder zumindest Trost im Gebet bei der Betrachtung der Kreuzigung Christi bringen.

Biron, geboren 1941 in Rom und aufgewachsen in Italien und Brasilien, ist bekannt für ihre ausdrucksstarke Porträtmalerei. Sie spiegelt Menschen nicht einfach wider. Sie hat die Begabung, ihnen Ausdruck und Seele zu geben. Als gelernte Gemälderestauratorin an der Bayrischen Staatsgemäldesammlung in München hat sie sich intensiv mit der Kunst der alten Meister auseinander gesetzt. Sie ist eine Verfechterin der klassischen Kirchenmalerei und sieht die Entwicklung kritisch, dass moderne Kirchen immer minimalistischer ausgestaltet werden. „Die Sprache der Bilder geht verloren“, sagt sie.