19.5.2010
Süddeutsche.de
Schullandheim Razzien
„Eine Sauerei ersten Ranges“
Bei Polizei und Staatsanwaltschaft herrscht Unmut über die Strafanzeigen der Stadt, die Razzien in fünf Schullandheimen zur Folge hatten. Der Vorwurf der Untreue ließ sich in vier von fünf Fällen nicht halten. Der Verdacht besteht nun, dass ein Mitarbeiter des Schulreferats jenen Heimleitern die Polizei ins Haus geschickt hat, die den städtischen Sparplänen widersprachen.
Die Einsparungen bei den Landheimen des Schulreferats der Stadt München fordern ein weiteres Opfer: Neben dem Schullandheim Schwarzenbergalm soll auch die Jugendbildungsstätte Rohrauerhaus am Tegernseegeschlossen werden.
Das geplante Aus für den 60-Betten-Betrieb ist am heutigen Mittwoch Thema im Schulausschuss des Stadtrats. Die Maßnahme soll im Jahr 232000 Euro an Personal- und Sachkosten sparen. Daneben befasst sich das Gremium mit der wirtschaftlichen Situation der acht Schullandheime insgesamt.
Vorwürfe in vier von fünf Fällen nicht gerechtfertigt
Wie die SZ am Dienstag berichtet hatte, hatte die Stadt während des Streits um ein Sparprogramm die Leiter von gleich fünf Heimen wegen Untreue und Betrugs angezeigt. Die Polizei durchsuchte daraufhin zeitgleich im Januar die Schülerstätten in Seeheim und Ambach am Starnberger See, in Schliersee, Fischbachau und Oberaudorf.
Der Vorwurf, die Heimleiter hätten Lebensmittel und Haushaltsartikel über die Stadt abgerechnet und für sich verbraucht, ließ sich in vier von fünf Fällen nicht halten. Die Staatsanwaltschaft stellte die Verfahren wegen „geringer Schuld“ ein, in einem Fall ging der Streit um eine Summe von 20 Euro.
Die Korruptionsbeauftragte der Stadt, Angelika Beyerle, beharrt aber auf dem Vorwurf der Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht und verweist darauf, „für keinen der Beschuldigten hat es einen Freispruch erster Klasse gegeben“.
Die Vermutung der Heimleiter, die Polizeiaktion sei nur wegen ihrer Kritik an den Sparplänen der Stadt erfolgt, bezeichnete das Schulreferat als „falsch“. Es gebe hier „keinen Zusammenhang“.
Den Vorfall hätte auch die Innenrevision regeln können
Doch auch die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft glauben mittlerweile, „dass es der Stadt um mehr geht als um möglicherweise falsch abgerechnete Einkäufe von Semmeln, Kaffee oder Sonnenmilch“, wie ein Beteiligter der SZ sagte. „Solche Kleinigkeiten hätte auch die Innenrevision der Stadt regeln können.“
Einer der Heimleiter nennt das Vorgehen der Stadt „eine Sauerei ersten Ranges“. Er vermutet, dass es sich bei der Anzeige „um eine persönliche Abrechnung“ des früheren Leiters der Fachabteilung 4 im Schulreferat gehandelt habe, weil man sich dessen Spar-Anweisungen widersetzt habe. Dabei hatten die Heimleiter auch ein Gegengutachten zu einer möglichen Privatisierung der Heime erstellt. Der Beamte, der bei der Stadt für die Schullandheime verantwortlich war, ist mittlerweile im Ruhestand.
Nachdem mit der Stilllegung der Schwarzenbergalm eine Vollzeitstelle und vier Teilzeitstellen wegfallen, sind in der Jugendbildungsstätte Rohrauerhaus vier Arbeitskräfte betroffen. Der Leiter des Hauses hat bereits angekündigt, selbst den Hut zu nehmen, obwohl er das Rentenalter längst nicht erreicht hat.
Das Rohrauerhaus wird möglicherweise ebenso wie die Schwarzenbergalm verkauft. Die Verwertung der stattlichen Immobilien prüft derzeit das Kommunalreferat. Die bislang im Rohrauerhaus angebotene Jugendbildung soll nach den Plänen des Schulreferats im Schullandheim Seeheim weitergeführt werden. Auch der Leiter dieses Heims war im Januar von der Stadt angezeigt worden.
Die Rathaus-CSU findet das juristische Vorgehen samt Hausdurchsuchung „sehr interessant“, wie die schulpolitische Sprecherin, Marianne Brunner, sagte. Sie kündigte an, ihre Fraktion werde am Mittwoch dem Schul-Haushalt nicht zustimmen, solange nicht geklärt sei „wer und was da dahinter steckt“.