Blick über den See Richtung ZugspitzeAbendstimmung
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Chronik

von Manfred Stecher

 

Die Geschichte des Ostuferschutzverbandes beginnt im Grunde mit dem Automobilverkehr auf der Seestraße. Diese war offenbar schon vor dem Ersten Weltkrieg für den allgemeinen Verkehr gesperrt, weil aus dieser Zeit schon Bedingungen für die Sonder-Fahrgenehmigung für Seeanlieger berichtet sind. Jedes Auto wirbelte damals auf der nicht-asphaltierten Seestraße eine Staubwolke auf, die der Wind in die dahinterliegenden Gärten trieb. Den Anwohnern war zudem bewusst, dass jede Maßnahme zur Erleichterung des Verkehrs auf der Seestraße eine Minderung der landschaftlichen Schönheit zur Folge haben musste.

 

Pläne des Bezirksamts Wolfratshausen von 1926, die Ostufer-See­straße auf 6 bis 7 m zu ver­breitern – angeblich unter Beibehaltung des allgemeinen Fahrverbots auf Dauer –, stießen auf Misstrauen und heftigen Widerspruch der Anlieger und der Naturschützer. Auch die Zäune sollten weit zurückversetzt werden, damit „die zahlreichen Fußgänger sich nicht eingeengt fühlten“. Um die Zaun-Frage wurden mehrere Prozesse geführt, die die Anwohner mit RA Dr. Reinhard Geigel gewannen. Die Auseinandersetzungen gipfelten in einer Versammlung aller Ammerlander Familienvorstände im Gasthof Gerer in Ammerland am 3. Aug. 1928 unter Leitung des Münsinger Bürgermeisters Ruhdorfer. Dabei stellte Dr. Heini Weber an die Verwaltungsbehörde den Antrag auf Anordnung, dass sämtliche Kfz nicht nach Ammerland hereinfahren dürfen mit Ausnahme von Ärzten, Notdiensten und Anliegern. Demgegenüber vertrat der Bezirksamtmann Dr. Lössl den Standpunkt, dass die Straßenschleife bestehend aus Hauptstraße, Seestraße und Kapellenweg in Ammerland für sämtliche Kfz geöffnet werden solle und erklärte, die Versammlung könne beschließen was sie wolle, es werde noch in diesem Jahr eine Vorschrift erlassen, die diese Schleife zur Einbahnstraße erkläre. Außerdem hätten die Ammerlander schon zweimal Abstimmungen mit verschiedenen Ergebnissen veranstaltet und das Bezirksamt mache dieses Affentheater nicht mehr mit. Die Abstimmung wurde trotzdem durchgeführt und verlief im Sinne des Antragstellers. Eine Beschwerde Paul Dinkelackers beim Regierungspräsidenten von Oberbayern führte zu „einer dienstaufsichtlichen Würdigung“ des Verhaltens von Dr. Lössl und zur Mitteilung des Regierungspräsidenten am 23. Juni 1929, dass auch künftig die Straßenschleife nur vom Postautomobil benützt werden dürfe.

 

Wenn es den Seeanliegern nur um diese Frage gegangen wäre, hätte der OSV nicht gegründet werden müssen. Doch es ging um mehr. Und so kam es am 5. August 1929 zur Gründung der Vereins „Schutzverband für das Ostufer des Starnberger Sees“ (OSV) im Gasthaus Bierbichler zu Ambach in Anwesenheit von 30 Vertretern aus allen Ostuferorten. Es war eine beitragsfreie Vereinigung, die sich wörtlich folgende Aufgaben gestellt hat:

  1. Erhaltung der landschaftlichen Schönheit des Ostufers. Stellung des einzigartigen Seewegs unter amtlichen Naturschutz. (Anmerkung des Autors: „Seeweg“ = Seestraße)

  2. Grundsätzliches Freihalten des Ostuferwegs vom allgemeinen Kfz-Verkehr.

  3. Wahrung der Interessen der Ostufer-Bewohner (z.B. bei Anlegung von Stichstraßen)

  4. Werbung für den Besuch des Ostufers als Sommerfrische mit dem Hinweis auf lärm- und staubfreien Aufenthalt infolge des Kfz-Verbots auf dem Seewege.

  5. Verbesserung der Dampfschifffahrtsverhältnisse für das Ostufer, unter anderem: Einräumung eines Teils des Oberdecks für die vielen Reisenden der 2. Schiffsklasse.

Die Vereinigung wurde von einem Ausschuss geleitet, in den folgende Vertreter der Ostuferorte einstimmig gewählt wurden:

für Berg:  Oberst von Poschinger, ab 1931 durch Lüderitz, Kempfenhausen, ersetzt
für Leoni:   Dr. Werbrun, Herr F. Pohle
für AmmerlandKommerzienrat Ludwig Rank, Dr. med. Heini Weber, Schreinermeister Sebastian Wagner, Major d. L.(andwehr) Paul Dinkelacker
für Seeheim:  Hofrat Dr. Schwörer, Direktor Gruss
für Ambach: 

Prof. Dr. Meder, Kommerzienrat Barth, Gastwirt Bierbichler

 

Der Vereinigung können angehören: Einheimische, Villenbesitzer und ständige Sommergäste.

 

Zum Vorsitzenden wurde Paul Dinkelacker gewählt, der die Gründung umsichtig vorbereitet hatte

Die Namensliste der 112 Ammerlander Mitglieder liegt vor. Auf der Jahresversammlung 1931 berichtete Dinkelacker von 350 Mitgliedern. W. Naager berichtete später von einer Mitgliederzahl von bis zu  400.

Es wurde nicht versäumt, die Presse (12 Zeitungen und Zeitschriften) über Gründung und Ziele der Vereinigung ausführlich zu informieren.

 

Der OSV verbuchte auch Erfolge bei der Vertretung im Gemeinderat: anstelle von OSV-Gegnern wurden im Januar 1930 die OSV-Mitglieder Gärtner Xaver Kink und Landwirt Sebald (Staudach) gewählt, womit bewiesen war, dass der OSV auch bei Ortsansässigen Anerkennung fand.

 

Bereits auf der Jahresversammlung am 12. August 1931 im neu eröffneten Café Hubertus in Ammerland berichtete Dinkelacker, dass viele Vereinsziele erreicht worden seien:

  • – Begrenzung der Uferpacht: durch Eingaben an die Würmseeadministration konnte erreicht werden, dass von einer weiteren Erhöhung abgesehen wurde. Nun sollte eine Senkung des Pachtzinses ausgehandelt werden. Hierzu nahm der OSV auch Kontakt mit Anliegern am Westufer auf.

  • Errichtung einer Würmseeschleuse: Es bestanden Pläne zur Errichtung einer Schleuse zur Würm und zu deren Ausbaggerung. Als Vertreter des OSV fungierte Prof. Meder, der die Bedenken der Schiffhüttenbesitzer gegen ein zu weites Absenken des Seespiegels vorbrachte. Es sollte deshalb ein amtlicher Mindestwasserstand festgelegt werden. Die Schleuse sollte eine gleichmäßige Fließmenge für Kraftwerke und Papierfabriken an der Würm bewirken. Eine Nachfrage des Autors beim Landratsamt Starnberg Ende 2006 ergab, dass es bis dato keine Schleuse gibt. Offenbar sind die Pläne nicht realisiert worden.

  • Die Freihaltung des Seeweges vom allgemeinen Kfz-Verkehr ist nicht nur durch Ministerialerlass, sondern auch durch Beschluss des Landtages erreicht worden. Art und Umfang der Erschließung des Ostufers wurde leidenschaftlich diskutiert. Eine große Rolle spielte dabei die Unterstützung durch Naturschützer wie Staatsrat von Reuter (Bund Naturschutz in Bayern; Landesausschuss für Naturpflege), der mit Kunstmaler Josef Rösl befreundet war. Er schrieb am 14. Juni 1927 an das Bayr. 

Paul-Dinkelacker

Paul Dinkelacker (1873-1958)

Innenministerium [2]: „Das bestehende Sträßchen am Ostufer des Starnberger Sees ist wohl der schönste Ausflugsweg, den die nähere Umgebung Münchens besitzt. Von Leoni bis gegen St. Heinrich zieht es sich unmittelbar am Seeufer hin, vom See nur durch einen schmalen, mit Bäumen und Buschwerk besetzten Uferstrand getrennt, der fast überall den Ausblick auf den See, das gegenüberliegende Ufer und das im Hintergrunde aufsteigende, bei schönem Wetter sichtbare Hochgebirge gestattet. Nur für wenige Ansiedlungen hat dieser Uferstreifen Platz geboten, sie sind so spärlich und zerstreut, dass sie nicht als eine wesentliche Störung empfunden werden.“

Schutzpatron der Seestraße

Dinkelacker selbst war u.v.a. Sachwalter für den Naturschutz im Deutschen Alpenverein. Die Kontrolle des Fahrverbots führte in Ammerland die dort stationierte Landpolizei durch. Die Anlage von Stichstraßen an die Uferorte Berg, Leoni, Ammerland, Seeheim und Ambach ist am ganzen Ufer durchgeführt worden. Das Konzept wurde unterstützt durch Parkplätze an den Ortseingängen in Ammerland (beim Gerer), Seeheim und Ambach.

 

Von den von Gerer als notwendig bezeichneten 800,- Mark für die Auffüllung seiner Wiese stellten Mitglieder des OSV einen Großteil zur Verfügung. Es muss aber auch berichtet werden, dass die Hoteliers in Berg und Leoni sich massiv für die Erhaltung der Zufahrten zu ihren Hotels eingesetzt haben.

 

– In der Verbesserung der Dampfschifffahrtsverhältnisse war ein Teilerfolg zu vermelden: auf dem Dampfer „Tutzing“ wurde die Einheitsklasse eingeführt. Die überwiegende Zahl der Reisenden benutzte die 2. Schiffsklasse mit geringem Raum, der außerdem mit den Rauchern geteilt werden musste. Deshalb sollte das halbe Oberdeck für die 2. Klasse geöffnet werden. Doch es gab nur eine Treppe zum Oberdeck. Eine Lösung musste also noch gesucht werden. Diese Verbesserung sollte auch die fühlbare Abwanderung der Reisenden zum Postkraftwagen begrenzen, also den Fortbestand der Linienschifffahrt unterstützen.

  • Auch mit aus heutiger Sicht erstaunlichen Details der Postzustellung beschäftigte sich der OSV: so wurde durch Antrag an die Oberpostdirektion erreicht, dass die Zustellung der Ambacher Post noch am Samstag Abend bewilligt wurde.

  • Bei der Instandsetzung der Zäune sind Belästigungen durch die Aufsichtsbehörden unterblieben. Der OSV wies auf die Entscheidung des Obersten Landesgerichts hin, wonach für die Wiederherstellung von Zäunen, soweit sie in der bisherigen Form und Ausführung bleiben und sich nicht auf die ganze Grundstückslänge erstrecken, eine Genehmigung nicht erforderlich sei.

  • Im Kampf gegen den Lärm der Außenbordmotoren konnte festgestellt werden, dass derzeit nur noch ein einziges nummernloses und deshalb schwer feststellbares Boot sich unliebsam bemerkbar mache.

Der OSV schloss sich auch einer Einsprache des Gemeinderats Berg und des Gemeindebundes gegen die Errichtung einer Brennerei mit Rauchschlot oberhalb des Schlosses Berg an.

 

Die Belege [2] enden schon Anfang der Dreißiger Jahre. Es ist anzunehmen, dass noch kleine Fortschritte erzielt wurden, sich die Situation am Seeufer auch im Dritten Reich nicht wesentlich änderte.

 

Am 15.3.52 schrieb Dinkelacker an Anny Bierbichler: „Unser Verein besteht nicht mehr, da seit der Ansiedlung der Flüchtlinge die Mehrheit für den Autobusverkehr auf dem Seeweg eingetreten ist. Beruhigend ist, dass unser Herr Landrat im Vorjahr mit Nachdruck sich für den Naturschutz auf dem Seeweg eingesetzt hat. Wir dürfen hoffen, dass er seinen Standpunkt, der dem Gesetz entspricht, nicht ändert.“ (Anmerkung: Seeweg = Seestraße)

 

Wolfgang Naager, der 1. Vorsitzende ab 1959, berichtete in [3]: „1945 kam die amerikanische Besatzung, setzte sich in Ammerland im Schrenck-Anwesen und vorübergehend in Ambach fest… Sie fanden ihr Vergnügen nicht nur darin, Zäune niederzureißen, weil derartiges in Amerika nicht üblich sei, sondern waren auch völlig uninteressiert an einer Schonung der Seestraße. Das führte aber verständlicherweise in der Folge dazu, dass deutsche Kraftfahrer sich auch nicht mehr im Geringsten um die Regeln zur Beschränkung des Autoverkehrs kümmerten. Daran änderte sich auch nichts, als die Amerikaner einige Jahre später ihren Ammerlander Stützpunkt räumten… Das wäre ja noch zu ertragen gewesen, wenn nicht der deutsche Wiederaufbau, verbunden mit einer Zunahme der zivilen Kfz … sich auch auf der Seestraße bemerkbar gemacht hätte. 

 

1958/59 war es dann soweit, dass sich ähnlich wie 1928/29 die Kunde verbreitete, die Seestraße solle „geteert“ werden. Unter Teerung verstand die hellhörige Ostuferbevölkerung und verstanden vor allem die Anlieger zugleich die Verbreiterung zur zügig befahrbaren Autostraße.“

 

Naager fühlte sich veranlasst zu einem Aufmacher im „Isar-Loisachboten“, dessen Redaktion er angehörte, unter dem Titel „Seestraße in Gefahr – Kampf um ein Stück Heimat“. Darin forderte er zur Abwehr der offenkundig gewordenen Pläne auf. Der Erfolg war gewaltig und führte zur Neugründung des Schutzverbandes für das Ostufer des Starnberger Sees e.V. am 14. März 1959 im Gasthaus Bierbichler, Ambach.

 

Der Vorstand bestand aus Wolfgang Naager (1. Vorsitzender), Rolf Kratzer (Oberst a.D. 2. Vorsitzender) und Anny Bierbichler (Schatzmeister). Über einen Beirat ist nichts berichtet. Doch besteht ein Beirat, solange der Autor Mitglied des OSV ist. Wegen einer Erkrankung Naagers übernahm Rolf Kratzer das Amt des ersten Vorsitzenden von 1960 bis 64. Der Vorstand (Naager, Kratzer, Bierbichler) bestand bis 1969.

 

Diesmal sollte der Verband nicht wieder sang- und klanglos entschlafen können, weshalb er eine feste Satzung erhielt (bei deren Formulierung W.E. Süskind, Redakteur der Süddeutschen, tatkräftig mitwirkte) und ins Vereinsregister beim Amtsgericht Wolfratshausen eingetragen wurde.

Die Satzung bezeichnete als Aufgabe des Verbandes die Erhaltung der Ruhe und landschaftlichen Eigenart in seinem Tätigkeitsgebiet. Letzteres erstreckt sich von der Linie Starnberg-Seeshaupt nach Osten bis zum Wiederabfall des Geländes in das Isar- und Loisachtal. Naager legte Wert darauf, dass nicht in regelmäßigen Abständen Neuwahlen der Vorstandschaft durchgeführt werden müssen, sondern nur bei Bedarf, weshalb die Satzung festlegte, dass die Mitgliederversammlung den Vorstand jeweils bis auf Widerruf wählt. Er hatte als Lokalreporter sehr oft erlebt, wie viel Zeit bei Jahresversammlungen mit Vorstandsneuwahlen verschwendet wurde. Später wurde die Satzung erweitert (s. unten).

 

Zur Erreichung des unmittelbaren Gründungsziels kann berichtet werden: die Teerung der Seestraße unterblieb zwar zu nächst, erfolgte aber dann doch nach vorheriger Zusicherung, dass die Straße weder verbreitert noch für den Kfz-Verkehr freigegeben würde.

 

Landrat Lehmair erließ am 10. Febr. 1960 die Anordnung „Sperrung der Kreisstraße WOR 3 (heutige TÖL2) für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“, die das Verfahren für Ausnahmegenehmigungen genau festlegte und eine Anordnung vom 28.1.1949 aufhob. Wann die Öffnung der Schleife Hauptstraße – Südliche Seestraße – Kapellenweg in Ammerland erfolgte, ist nicht bekannt. Gleichzeitig muss wohl der Parkplatz beim Gerer wieder in eine Wiese rückgebaut worden sein.

Wolfgang Naager

Wolfgang Naager (1912 – 1990)

Dem Wunsch, die Nordgemeinden des Ostufers für den Verband zu interessieren, widmete sich eine Jahresversammlung am 30. Juli 1966 im Seehotel Leoni, die aber unglücklicherweise – damit war anscheinend nicht gerechnet worden – mit dem Endspiel um die Fußball-WM zwischen England und Deutschland zusammenfiel. Es kamen nur sehr wenige Mitglieder, dafür aber Landtagspräsident Hanauer und Landrat Lehmair, doch zogen sich die wenigen Mitglieder auch noch in ein Nebenzimmer des Hotels zur Übertragung des Endspiels zurück.

 

Naager berichtete über eine Äußerung Hanauers auf einer späteren Jahresversammlung des OSV im Dezember 1969. Naager hatte dargestellt, dass mittlerweise das Verständnis für die Erhaltung autofreier Straßen in landschaftlich schützenswerten Gebieten gewachsen sei und eines Tages ein Schutzverband wie der OSV überflüssig sein könnte. Darauf Hanauer: „Ihr Wort in Gottes Ohr. Ein Schutzverband wie der Ihrige wird angesichts der unaufhaltsamen Zunahme der Motorisierung in einigen Jahrzehnten noch wichtiger als heute.“

 

Neuer Vorstand: am 29. Nov. 1969 übernahm Kirchenrat a.D. Richard Eckstein den Vorsitz. 2. Vorsitzender blieb Rolf Kratzer und Schatzmeister blieb Anny Bierbichler. Nach dem Tod von Rolf Kratzer übernahm Dr. med. Wolfgang Kruis, ab 28. Juli 1973 das Amt des 2. Vorsitzenden. Am 26. Nov. 1979 wurde Dr. Wolfgang Kruis 1. Vorsitzender und Hubert Rank, Architekt, 2. Vorsitzender. Nach dem Tod von Anny Bierbichler übernahm Dr. Ludwig Rank (Dipl.-Ing. Hochbau) im Aug. 1980 das Amt des Kassiers.

In den 70iger Jahren begann dann für den OSV eine Phase  wegweisender Entscheidungen und Umwälzungen [5]. Diese Zeit ist gekennzeichnet als Blüteperiode hochfliegender Strassenbaupläne. Immer wieder wurde der Status der Seestrasse diskutiert. Es handle sich ja um eine Kreisstrasse. Von Seiten der Behörde wurde argumentiert, dass eine Kreisstrasse uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen müsse.

 

 Dann wurde behauptet, eine Kreisstrasse innerorts ohne Bürgersteig –  das ginge auf keinen Fall. Zur selben Zeit gelangte dann der Seeuferbericht, verfasst von der Staatsregierung, an die Öffentlichkeit. Ein eigener Seeuferweg wurde gefordert. In den teils aufgeregten Diskussionen vertrat der OSV (letztlich mit Erfolg) eine klare Linie. „Ein eigener Seeuferweg – ein herber Eingriff in die Natur- ist nicht notwendig. Dafür gibt es ja die Seestrasse; man muß sie nur dem öffentlichen Verkehr verwehren. Bürger-steige sind völlig unsinnig, da sie nicht in der Lage sind, in Spitzenzeiten Hunderte von Wanderern und Spaziergängern zu fassen. Zwangsläufig muss die Strasse mit genutzt werden. Und diese moderne Lösung kostet weder Geld noch Verwaltungsaufwand “

Richard Eckstein

Richard Eckstein (1899 – 1982)

Im Rahmen öffentlicher Förderprogramme sollte auch das gemeindeeigene Straßennetz ausgebaut werden. So sollte in Ambach die Strasse zum Bergfried und nach Luigenkam neu trassiert, geteert und für den touristischen Verkehr zum See hin ausgebaut werden, nicht zuletzt mit einem seenahen großen Parkplatz. Ein anderes Projekt war der Ausbau des landwirtschaftlichen Weges für den öffentlichen Verkehr durch das stille Kugelmühltal bis zur Einmündung in die Staatsstrasse und darüber hinaus die Fortführung einer Stichstrasse bis zur Stroblmühle.

 

Auch das Landratsamt plante. So sollte die Staatsstrasse südlich Buchscharns vom See weg in den Wald verlegt werden. Die zwischen der neuen Strassenführung und dem See liegende Fläche sollte dann der intensiven Naherholung zugeführt werden. Geopfert werden sollte bei dieser Aktion eine größere Sumpfwiesenfläche mit seltenen Pflanzen und der dort den Wasservögeln für die Brutzeit  raumgebende Schilfbestand.

 

Ein besonderes Projekt – gefördert nicht zuletzt durch landesweit bekannte Politiker- war der Ausbau und die Errichtung  touristischer Infrastruktur am Buchscharn. Eine Marina war geplant und zusätzlich eine Wochenendbewohnung im Sinne von Botels.

 

Alle diese Vorhaben konnten, insbesondere durch die Intervention des OSV, nicht zuletzt auch durch das zunehmend geweckte Bewusstsein in der Bürgerschaft und die daraus resultierende Protesthaltung, erfolgreich  abgewehrt werden.

 

Schließlich begann in dieser Zeit auch die Diskussion, ob es nicht genuine Aufgabe der Gemeindepolitik sei, das weitere Schicksal von besonderen Flächen und Bauwerken im Seeuferbereich aktiv mit zu gestalten. Das Poccischloss in Ammerland und das ehemalige  ADAC Erholungsgelände am Karniffelbach in Pischetsried waren diesbezüglich im Brennpunkt des Interesses.  Als für diese Gelände eine Besitzer- und Nutzungsänderung absehbar war, regten sich sofort Begierden von auswärtigen Investoren, deren Absichten keineswegs immer mit den Zielen des OSV übereinstimmten.

 

In dieser Phase der Arbeit erweiterte und änderte sich das Vorgehen des OSV. Neben den herkömmlichen Praktiken, nämlich Versammlungen abzuhalten und die Presse zu interessieren, wurde der Plan gefasst, Einfluss im Gemeinderat zu erlangen.

 

Es kam zur Gründung der „Unabhängigen Bürgerliste“ – der heutigen „Bürgerliste“, einer lokalpolitischen Gruppierung, deren Ziele teilweise deckungsgleich mit denen des OSV sind. Es war klar, dass der Erfolg des OSV nicht alleine durch Stellungnahmen an den Gemeinderat Münsing und andere Behörden und Organisationen bewirkt werden kann, sondern besser durch unmittelbare Mitwirkung im Gemeinderat. Ernst Kink war schon 1972 über die Ammerlander Liste Mitglied des Gemeinderats geworden. Zur Gemeinderatswahl 1978 trat die Bürgerliste zum erstenmal an und konnte auf Anhieb 3 Mitglieder in den Gemeinderat entsenden: Ernst Kink, Hubert Rank und Michael Bierbichler. Letzterer war damals Dirigent im Theater am Gärtnerplatz. Dieses Ereignis feierte Richard Eckstein mit einem Gedicht, aus dem hier zitiert wird:

 

Der guten Dinge sind stets drei

So ist’s auch da – ich sag’ es frei:

Mit Freude gratulieren wir

und zugleich statuieren wir:

Die Wahl kommt nicht nur uns gelegen,

auch der Gemeinde ist’s zum Segen,

wenn wackre Leute in ihr raten

und wenden ab so manchen Schaden.

Nicht immer wird’s erfreulich gehen,

Ihr werdet manchen Kampf bestehen

mit Dummheit und Kurzsichtigkeit

Ihr werdet haben manchen Streit.

Wir wünschen Euch in diesem Krieg

wie bei der Wahl noch manchen Sieg.

Ihr müsst nun fest zusammenhalten,

lasst Einigkeit stets bei Euch walten.

Ihr drei seid – wenn Ihr einig seid

`ne irdische Dreieinigkeit!

Wie der Dreifaltigkeit Gestalten

je in verschied’ner Weise walten,

hat in Eurer Dreieinigkeit

ein jeder seine Eigenheit,

wie sie als Vater, Sohn und Geist

die Christenheit voll Ehrfurcht preist.

Ein jeder hat sein eignes Feld,

das er in seiner Art bestellt.

Kink Ernst, der Gärtner, soll ausroden

all Unkraut vom Gemeindeboden.

Das Gute düngt er, soll’s auch pflegen

zu uns’rer Großgemeinde Segen.

Herr Rank, der Architekt, soll schauen,

dass sie nicht Mist und Unsinn bauen

in der Gemeindepolitik

und man das Rechte hab’ im Blick.

Herr Bierbichler, der Dirigent

tut, was er vom Konzert her kennt:

Er sorge, dass die Großgemeinde

wie ein Orchester sich vereine

zu reinem Klang und gutem Tone,

dass Harmonie im Orte wohne,

– so sollt Ihr drei in Einem sein,

dass die Gemeinde mög’ gedeihn,

dass sich das Ganze wohl gestalte:

Von Herzen wünscht Euch das

der Alte!

 

Ernst Kink blieb Gemeinderat bis 2005, Hubert Rank bis 1996. Dr. Florian Müller war von 1996 bis 2012 Mitglied des Gemeinderats. Ernst Kink war 2. Bürgermeister von 1996 bis 2002. Dr. Florian Müller war 3. Bürgermeister von 2002 bis 2008. Für Ernst Kink ist Peter Maier, Apotheker, Ammerland, nachgerückt und war Mitglied des Gemeinderats bis 2008. Dr. Müller war ab Mai 2008 bis 2012 der einzige Vertreter der Bürgerliste im Gemeinderat. Ursula Scriba übernahm dieses Amt ab 2012.

 

Im Jahr 1974 erfolgte der Bau der Ringkanalisation am Starnberger See. Als der Bau noch im Gang war, erschien Bürgermeister Müller mit dem Vorschlag zur Straßenverbreiterung zwischen Hauptstraße und Kapellenweg in Ammerland, weil ja die Zäune ohnehin neu zu errichten seien. Dies stieß auf heftigen Widerstand, weil ja vor Beginn der Bauarbeiten zugesichert wurde, dass die Zäune an Ort und Stelle wieder errichtet würden. Zur Absicherung möglicher Gerichts- und Rechtsanwaltskosten wurde aus Anlass der Straßenverbreiterung am 13.4.1975 der „Landschafts- und Heimatschutzverband (LHSV) Ammerland e.V.“ von 20 Unterzeichnern gegründet [4]. Die Gründung wurde von Hubert Rank und Dr. jur. Robert Geigel betrieben. Claus Wolfram wurde 1. Vorsitzender (bis Mai 1980), Ernst Kink 2. Vorsitzender und Emil Hemmer Kassier. Beisitzer waren Hubert Rank, Xaver Sailer, Richard Eckstein und Dr. Robert Geigel. Der Verein definierte in seiner Satzung als Ziel den Landschafts- und Heimatschutz zwischen Donau- und Alpengebiet, kämpfte aber konkret gegen drohende Landschaftszerstörung in Ammerland. Bei Auflösung des Verbandes sollte das Vereinsvermögen dem Heimatmuseum der Stadt Starnberg zugute kommen. Bereits Ende 1975 hatte der Verband 74 Mitglieder. Am 27.9.80 beschloss die Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung, wonach bei Auflösung das Vereinsvermögen an den OSV für dessen gemeinnützige Zwecke gehen sollte. 

 

Dr. Dietrich Freiherr von Laßberg wurde auf dieser Versammlung zum 1. Vorsitzenden gewählt. Nachdem die Anlieger im Mai 1982 einem Kompromiss zur Seestraßenverbreiterung zugestimmt hatten, fasste die Mitgliederversammlung am 17.7.82 den Beschluss zur Auflösung des LHSV. Viele Mitglie­der schlossen sich dem OSV an. Das Vereinsvermögen des LHSV in Höhe von 10 TDM wurde dem OSV als Treuhänder zur Renovierung der Ammerlander Schloss-Kapelle übertragen.

 

Zur Straßenverbreiterung führte die Regierung von Oberbayern ein Planfeststellungsverfahren durch. Als Einsprüche dagegen nichts nützten, wurde von den Anliegern Klage gegen den Freistaat Bayern zum VGH erhoben. Der Prozess endete mit einer Niederlage des Freistaats, weil die von der Verwaltung vorgelegten Unterlagen fehlerhaft waren. Da aber zu befürchten war, dass das LRA die Sache nicht auf sich beruhen lassen würde, gingen die Anlieger am 6.5.1982 auf einen Kompromissvorschlag ein. Dieser lautete: 6 m Straßenbreite (incl. Gehweg) von Zaun zu Zaun. Das LRA hatte 7,5 m gefordert. Außerdem wurde der Parkplatz vor dem Anwesen Sedlmair um 3 m erweitert.

 

Ab September 1985 bestand der OSV-Vorstand lt. Registergericht aus Dipl.-Ing. Hubert Rank (1. Vorsitzender), Dipl.-Ing. Ernst Kink (Gärtner, 2. Vorsitzender) und Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Rank (Kassier). Wegen neuer beruflicher Aufgaben von Dr. Kruis, hatte Hubert Rank jedoch schon im Sommer 81 die Geschäfte des OSV übernommen (s. Jahresbericht vom Aug. 1985). Nach dem Tod von Dr. Ludwig Rank übernahm Dr. jur. Florian Müller im Jahr 1986 das Amt des Kassiers.

Tätigkeitsfelder 1984 bis 1991:

Tätigkeitsfelder 1992 bis 2005:

Tätigkeitsfelder ab 2005:

 

Mitgliederzahlen des OSV:    

  • 1985    180

  • 2002   195

  • 2010   237

  • 2017   236


Quellen:

[1] „Paul Dinkelacker – ein engagiertes Leben, 1873 – 1958“, Christa Freifrau von Laßberg, Ammerland, 2006.

[2] Unterlagensammlung Familie Rank

[3] Wolfgang Naager: „Kurzer Rückblick auf 60 Jahre Ostuferschutzverband (alt) und 30 Jahre Schutzverband (neu)“ vom 20. Juli 1989.

[4] Unterlagensammlung Dr. Dietrich Freiherr von Lassberg

[5] Beitrag von Prof. Dr. Kruis über Aktivitäten der 70er Jahre

[6] Dinkelacker-Chronik Band II

Hubert Rank

Hubert Rank