In Degerndorf plant die Firma AGROBS nach eigener Angabe eine Betriebserweiterung durch Bau zweier großer neuer Produktions- und Lagerhallen im Außenbereich auf der Nordseite des Betriebsgeländes. Dieses Vorhaben beschäftigt anscheinend seit längerer Zeit Landratsamt und Gemeinde Münsing. Es stellt die Bürger der Gemeinde und unseren Verband vor die schwierige Frage, was schwerer wiegt: Der verständliche Wunsch eines heimischen Futtermittelbetriebs nach Vergrößerung oder der Schutz des Außenbereichs vor weiterer Zersiedelung und Versiegelung. Einerseits sollen einheimische Betriebe in ihrer Entwicklung nicht behindert werden. Andererseits soll der Außenbereich nicht einer Bebauung geopfert werden, deren Ende nicht abzusehen ist. Ob die Belastung der Umwelt durch die Staubentwicklung der Futtermittelherstellung tatsächlich so groß ist, dass dafür Außenbereich geopfert werden muss, sollte genau geprüft werden. Für derartige Betriebe sind eigentlich Gewerbe- und Industriegebiete vorgesehen. Es ist ja eine seltsame Logik, dass ein Betrieb sich umso leichter im Außenbereich ansiedeln darf, je stärker er die Umwelt belastet. Diese Fragen und die Frage der zusätzlichen Verkehrsbelastung sollten mit den Bürgern und dem Gemeinderat vor einer Entscheidung gründlich diskutiert werden. Jedenfalls sollte ohne gründliche Planung und Abwägung aller Fragen kein ständig weiterwachsendes Futtermittelindustriegebiet am Rand von Degerndorf geschaffen werden.
Isar Loisachbote, 26./27. August 2023, Tanja Lühr
Wolfratshauser SZ vom 6.01.2024
Dilemma mit Pferdefuß
Gemeinderat berät am Dienstag über die teils umstrittenen Erweiterungspläne der Firma Agrobs
Münsing – Die Degerndorfer Firma Agrobs möchte erweitern. Am kommenden Dienstag, 29. August, wird der Gemeinderat über den Bauantrag für zwei weitere Hallen – Nummer 6 und Nummer 7 – auf dem Grundstück an der Angerbreite beraten. Zum Ärger mancher Bürger gab es bereits nicht öffentliche Vorbesprechungen zu dem Projekt.
Der Pferdefutter-Hersteller wäre nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG) privilegiert, das heißt zum Bauen berechtigt. Weil täglich um die 350 Tonnen staubintensive Schüttgüter bei der Produktion anfallen, kann Agrobs nicht einfach in ein Gewerbegebiet oder an einen anderen Standort mit Menschen in der Nachbarschaft ausweichen. Versucht haben die Brüder Simon und Florian – beide Geschäftsführer – sowie Thomas Berger (Prokurist) das nach eigenen Angaben, indem sie unter anderem im neuen Gewerbegebiet in Gelting angefragt haben. Doch dort wollte man sie nicht.
Die Expansionspläne sind im Gemeinderat und in der Bevölkerung umstritten. 2016 errichtete Agrobs zwei neue, rund zehn Meter hohe Hallen zu den damals bereits bestehenden drei. Der Gemeinderat hatte das aufgrund der Rechtslage zähneknirschend genehmigt, jedoch betont, dass man die Entwicklung im Außenbereich damit als abgeschlossen betrachte. Die zwei neuen Gebäude sollen nun auf der freien Wiese nördlich des Bestands entstehen, mit gut 150 Metern Abstand zur geplanten Freiflächen-Photovoltaik-Anlage, um Staub auf den neuen Paneelen auszuschließen.
Während einer Firmenbesichtigung erklärten Simon und Thomas Berger unserer Zeitung, warum die Neubauten notwendig sind. Das vor genau 30 Jahren von Jakob Berger gegründete Unternehmen floriert. Auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten gibt es genügend Pferdebesitzer, die ihren Sport- und Freizeittieren nur das beste Futter anbieten möchten.
Hochwertig sind die mehrfach preisgekrönten Produkte von Agrobs zweifelsohne. Jakob Berger brachte 1983 die ersten gepressten Heupellets für Pferde auf den Markt, die noch heute erhältlichen „Pre Alpin Wiesencobs“. Das Sortiment wurde mit Hilfe von Tierärzten stetig verfeinert und verbessert. Heute findet man von völlig getreidefreien und somit gut verdaulichen Produkten über eiweißreiche Mischungen für laktierende Stuten und Sportpferde bis hin zu kurz geschnittenem Seniorenfutter so ziemlich alles, was das Herz begehrt – Leckerlis, kompakte Würfel für unterwegs sowie mit Luzerne, Ölen, Apfeltrester oder Sonnblumenkernen angereicherte „Müslis“ eingeschlossen. Schon seit 1989 gibt es eine Bio-Schiene.
„Wir verarbeiten 50 verschiedene Rohstoffe“, sagt Simon Berger, der das Unternehmen mit seinen Brüdern seit 2007 leitet, und zeigt auf die vielen, unterschiedlich etikettierten Säcke in den Regalen. 78 eigene Produkte sind es. Auch einige andere Pferdefuttermittel-Hersteller nahmen seine Eltern 1996 mit auf. Das verarbeitete Gras stammt von rund 600 Vertragslandwirten aus der Gemeinde und Umgebung, die nicht alles selbst für ihre Tiere benötigen, beziehungsweise keine Viehhaltung betreiben. Es wird getrocknet, gesiebt, entsteint und entstaubt.
Trotz aller Technik entweiche Staub, und dieser setze sich rund um den Standort ab, erklärt Simon Berger. Das tägliche Volumen sei begrenzt: 400 Tonnen staubintensive Schüttgüter dürften es maximal sein. Das Landratsamt in Tölz habe die Werte vor der Genehmigung der Hallen 4 und 5 prüfen lassen und jetzt noch einmal ganz aktuell, sagt Simon Berger.
Bürgermeister Michael Grasl erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, der Gemeinderat müsse in der kommenden Sitzung darüber entscheiden, ob er einen Bebauungsplan für das Gelände aufstellt. „In dem Fall könnten wir die Entwicklung dort oben besser steuern“, meint Grasl. Denn mehrfach hatte der Rat in den vergangenen Jahren bekräftigt, dass die Entwicklung auf der Anhöhe am Ortsrand nicht endlos so weitergehen könne.
Der Münsinger Rathauschef weist allerdings auch darauf hin, dass Agrobs ein wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler sei. Die Firma beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. 30 von ihnen sind in einem Büro im Gewerbegebiet Am Schlichtfeld in Münsing ausgelagert – auf Dauer ist das kein Idealzustand. Im Jahr 2022 machte Agrobs laut Thomas Berger einen Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro.
Die Kritiker der Erweiterungspläne, darunter die Vorstandschaft des Ostuferschutzverbands (OSV), sehen in den neuen Gebäuden eine Verschandelung des Landschaftsbilds und prangern die Versiegelung von Grünland an. In einer Pressemitteilung fragt sich der Vorsitzende Johannes Umbreit, was schwerer wiege: der verständliche Wunsch eines heimischen Betriebs nach Vergrößerung oder der Schutz des Außenbereichs vor weiterer Zersiedelung und Versiegelung, deren Ende „nicht abzusehen“ sei. Bereits der geplanten und mittlerweile vom Gemeinderat genehmigten Freiflächen-Photovoltaik-Anlage von rund fünf Hektar Größe stand der OSV skeptisch gegenüber. Außerdem befürchtet der Umweltverband eine weitere Zunahme des Schwerlastverkehrs zwischen Münsing und Degerndorf. Darauf entgegnet Thomas Berger: „Neu geschaffene Lagermöglichkeiten am Standort würden die Warenbewegungen zu den gut 20 Außenlagern in der Region reduzieren.“
Mit der Freiflächenanlage möchte Agrobs seinen eigenen Strom generieren. Über 90 Prozent davon sollen ins Netz fließen. 250 Kilowatt Strom liefern bereits Module auf den Dächern der bestehenden Hallen. „Wir sehen uns als ökologisch verantwortungsvollen Betrieb“, sagt Simon Berger, selber Gemeinderat der Einigkeit Degerndorf.
Isar Loisachbote, 31. August 2023, Tanja Lühr
„Entwicklung nicht verhindern,
aber steuern“
Geplante Erweiterung der Firma Agrobs: Gemeinderat beschließt Aufstellung eines Bebauungsplans
Münsing – Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen, einen Bebauungsplan (B-Plan) für das Firmengelände des Pferdefutterherstellers Agrobs in Degerndorf aufzustellen. Der Tagesordnungspunkt hatte zahlreiche Zuhörer ins Rathaus gelockt.
Wie berichtet möchte das florierende Unternehmen an der Angerbreite zwei neue Produktions- und Lagerhallen von 50 mal 30 Metern Größe zusätzlich zu den bestehenden fünf Hallen bauen. Sie sollen nördlich des Betriebsgeländes entstehen. In einer internen Sitzung hat die Leiterin der Bauabteilung des Landratsamts, Juristin Maya Mantel, den Mandatsträgern wohl gesagt, Agrobs dürfe in jedem Fall bauen – ob nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das staubintensive Betriebe im Außenbereich zulässt, oder mit einem durch die Gemeinde aufgestellten Bebauungsplan. Das berichtete Helge Strauß (CSU) von den Vorberatungen. „Wir können also gar nichts beeinflussen“, ergänzte sein Fraktionskollege Thomas Schurz. Beide sprachen sich gegen einen B-Plan aus, weil dieser nur Zeit und Geld koste. Schurz drückte es, wie immer, plakativ aus: „Über was entscheiden wir hier: Darüber, ob zwei Hallen gebaut werden oder ob zwei Hallen gebaut werden.“
Ganz so ist es Bauamtsleiter Stephan Lanzinger zufolge nicht. „Wir können die bauliche Entwicklung mit einem Bebauungsplan zwar nicht verhindern, aber steuern“, erklärte er. Über die Größe der Gebäude lasse sich beispielsweise reden und weitere, eventuell geplante Neubauten könnten abgelehnt werden.
Ein Antrag von Christine Mair (Grüne), Erweiterungen im Norden des Geländes per B-Plan ganz auszuschließen, fand keine Mehrheit. Mit 9:5 Stimmen beschloss der Rat, einen Bebauungsplan in Angriff zu nehmen. Susanne Huber (Freie Wähler) sagte, das in der Bevölkerung heiß diskutierte Thema verdiene eine „sorgfältige Abwägung“. Ernst Grünwald (Wählergruppe Ammerland) meinte, die Mühe sei man den nachfolgenden Generationen schuldig. Professor Matthias Richter-Turtur (Grüne) sprach sich ebenfalls dafür aus, um das „grenzenlose Wachstum“ der Firma zu bremsen. Denn Sorgen bereiten den Kritikern nicht nur die Flächenversiegelung und die Zersiedelung der Landschaft, sondern auch der Schwerlastverkehr, der zum Teil mitten durch Münsing nach Degerndorf rollt. Der Bauantrag der Firma Agrobs auf Grundlage des BImSch-Gutachtens im nächsten Tagesordnungspunkt wurde folglich abgelehnt. Agrobs-Geschäftsführer und Gemeinderat Simon Berger (Einigkeit Degerndorf) war von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen.