Ar­chi­tek­tur für die Oh­ren

Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis ent­wi­ckelt mit sei­nem Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per „So­und­dra­ma­tur­gi­en“ – ei­ne neue Kunst­form, die un­ge­ahn­te Klang­land­schaf­ten er­öff­net

In­ter­view: Ste­pha­nie Schwa­de­rer, Wolfratshauser SZ vom 12.01.2023

Münsing: Der Am­ba­cher Mul­ti­me­dia­künst­ler Fe­lix Kruis, Jahr­gang 1984, hat Kunst­wis­sen­schaft stu­diert und war Meis­ter­schü­ler von Ste­phan Hu­ber an der Münch­ner Aka­de­mie der Bil­den­den Küns­te. Sei­ne Pro­jek­te be­we­gen sich zwi­schen Thea­ter, Per­for­mance, Film und Mul­ti­me­dia­kunst. Seit ei­ni­gen Jah­ren be­fasst er sich in­ten­siv mit dem The­ma Klang und Raum.

SZ: Herr Kruis, ken­nen Sie Men­schen, die nie ei­nen Kopf­hö­rer auf­set­zen?

Fe­lix Kruis: Nein. Der Kopf­hö­rer ist ei­ner der neu­en gro­ßen Re­zep­ti­ons­stan­dards in un­se­rer Welt ge­wor­den.

Den­noch soll es sie noch ge­ben. Was ent­geht ih­nen?

Auf die­se Fra­ge gibt es ge­wiss ganz un­ter­schied­li­che Ant­wor­ten. Be­zo­gen auf mei­ne Ar­beit wür­de ich sa­gen: Ih­nen ent­ge­hen drei­di­men­sio­na­le Hör­land­schaf­ten, wie man sie nie mit ei­nem Laut­spre­cher er­le­ben könn­te.

Sind die­se Hör­land­schaf­ten ei­ne neue Er­fin­dung?

Nein, 3D-Au­dio gibt es be­reits seit Jahr­zehn­ten, aber es steckt noch im­mer in den Kin­der­schu­hen. Zu­sam­men mit Ju­li­an Käm­per ent­wick­le ich seit 2019 ein Feld­re­cher­che-Pro­jekt mit dem Ti­tel So­und­dra­ma­tur­gi­en. Das um­fasst ein Ge­biet mit rie­si­gem Po­ten­zi­al.

Klang im rea­len Le­ben ist im­mer drei­di­men­sio­nal. Was zeich­net 3D-Au­dio aus?

Das stimmt, im All­tag hö­re ich die Ge­räu­sche um mich her­um in 3D. So­bald ich aber bei­spiels­wei­se ein Mu­sik­stück mit Laut­spre­cher an­hö­re, egal ob Mo­no oder Ste­reo, wird der Klang – ver­ein­facht ge­sagt – zwei­di­men­sio­nal. Das kann man sich wie ei­ne Ki­no­lein­wand vor­stel­len: In der Brei­te wird ein Klang­feld er­zeugt. Drei­di­men­sio­na­ler Klang hin­ge­gen titscht über­all her­um, kommt aus ei­ner Ecke, kor­re­liert mit ei­nem Raum, biegt um die Ecke und ver­schwin­det wie­der.

Bild­haue­rei für die Oh­ren?

Eher Ar­chi­tek­tur. Man setzt den Hö­rer nicht mehr vor die Lein­wand, son­dern er­schafft ei­nen ge­plan­ten künst­le­risch-äs­the­ti­schen Raum um ihn her­um.

Auf You­tube kann man Ih­ren Kol­le­gen Ju­li­an Käm­per bei ei­nem Kopf­hö­rer­kon­zert mit den Münch­ner Phil­har­mo­ni­kern er­le­ben. Er be­wegt sich auf der Büh­ne, hat zwei klei­ne Mi­kro­fo­ne in den Oh­ren und lässt die Gäs­te das Kon­zert auf die­se Wei­se mit sei­nen Oh­ren hö­ren. War­um?

Der ganz gro­ße Un­ter­schied zu ei­nem nor­ma­len Kon­zert­er­leb­nis be­steht zu­nächst ein­mal dar­in, dass sich mit dem Kopf­hö­rer der Sweet Spot der Mu­sik de­fi­nie­ren lässt. Al­so der Punkt, der ein op­ti­ma­les Klang­er­leb­nis bie­tet. Bei ei­nem ana­lo­gen Kon­zert in ei­nem Raum lässt sich nur un­ge­fähr ab­schät­zen, wie die Mu­sik bei den Leu­ten an­kommt. Die Mu­si­ker spie­len ir­gend­wie in Rich­tung Pu­bli­kum. Sie wis­sen aus Er­fah­rung: Wenn ich so oder so mit mei­nem Kol­le­gen zu­sam­men­spie­le, wird das wahr­schein­lich so und so bei den Leu­ten an­kom­men. In der Re­gel funk­tio­niert das ei­ni­ger­ma­ßen. Mit dem Kopf­hö­rer än­dert sich al­les ra­di­kal. Mein Kol­le­ge hat die­ses spe­zi­el­le Mi­kro­fon in den Oh­ren, das es al­len an­de­ren, die im Raum Kopf­hö­rer tra­gen, er­mög­licht, mit sei­nen Oh­ren zu hö­ren. Und die Mu­si­ker spie­len nun ex­pli­zit für sei­ne Oh­ren. Das ver­än­dert ra­di­kal das gan­ze Spiel und die In­ter­pre­ta­ti­on ei­nes Stü­ckes. Auch be­stehen­de Stü­cke be­kom­men ei­ne ganz neue Fas­sung. Das ist noch ra­di­ka­ler als bei un­ter­schied­li­chen Di­ri­gen­ten, die ja auch ih­re ei­ge­ne Hand­schrift ha­ben.

Das hei­ßt: Der So­und­dra­ma­turg mit den klei­nen Mi­kro­fo­nen im Ohr ent­schei­det, wie ein Stück klingt.

Ge­nau. Im Fall der Münch­ner Phil­har­mo­ni­ker ha­ben sich Ju­li­an Käm­per und ich zu­sam­men mit den Mu­si­kern ei­ne ex­ak­te Cho­reo­gra­fie aus­ge­dacht. Da war nichts zu­fäl­lig. Des­halb ist es auch nicht ver­gleich­bar mit be­geh­ba­ren Kon­zer­ten, bei den man sich die Or­te aus­sucht, an de­nen man den Mu­si­kern lauscht.

Wird man künf­tig mit Kopf­hö­rern ins Kon­zert ge­hen?

Nein, ich wür­de nicht sa­gen, dass al­le Kon­zer­te der Welt auf die­se Wei­se ge­hört wer­den soll­ten. Es ist ei­ne ganz ei­ge­ne Hör­si­tua­ti­on mit ganz ei­ge­nen Mög­lich­kei­ten und ei­ner ganz ei­ge­nen Span­nung. Ei­ne ei­ge­ne neue Kunst­form. Wir ma­chen auch Ex­pe­ri­men­te mit Thea­tern oder Kopf­hö­rer-Fil­me. Die Tech­nik ist all­ge­mein­gül­tig und kann sehr gut für sich al­lein ne­ben al­len an­de­ren Auf­füh­rungs­for­men ste­hen.

Sie sa­gen, den Men­schen feh­le ein „vor­der­grün­di­ges Be­wusst­sein für die uns um­ge­ben­de Klang­sphä­re“. Liegt in un­se­ren Köp­fen et­was brach, das sich auf­we­cken und schu­len lässt?

Tat­säch­lich kön­nen Men­schen nicht so gut drei­di­men­sio­nal hö­ren, wie sie den­ken. Links und rechts kann man sehr gut un­ter­schei­den, aber bei oben und un­ten oder vorn und hin­ten wird es schon pro­ble­ma­ti­scher, vor al­lem wenn der Klang et­was wei­ter weg ist. Bas­si­ge Klän­ge sind zu­dem schwie­ri­ger zu er­fas­sen als hel­le, schnei­den­de. Wenn wir et­was drei­di­men­sio­nal ar­ran­gie­ren, müs­sen wir es ähn­lich wie beim Thea­ter über­trei­ben, da­mit es nor­mal an­kommt. Fakt ist: Es gibt kei­ne drei­di­men­sio­na­le Hör­kul­tur. We­der bei Kon­zer­ten noch beim Fil­me­schau­en sind wir da­mit ver­traut, auch Dol­by Sur­round än­dert dar­an nichts. Man hat kei­ne Er­war­tung an ein drei­di­men­sio­na­les Hö­ren und weiß gar nicht: Was ist in­ter­es­sant, wor­auf muss ich ach­ten? Des­halb bau­en wir un­sere 3D-Kon­zer­te wie ei­ne klei­ne Schu­lung auf. Wir be­gin­nen mit ei­ner mi­ni­ma­lis­ti­schen Klangim­pro­vi­sa­ti­on, und zum Schluss gibt es bei­spiels­wei­se ein kom­ple­xes Stück von John Ca­ge, in das man sich rich­tig fal­len­las­sen kann. Auch bei den Ra­dio­sen­dun­gen, die wir für den BR und SWR pro­du­zie­ren, neh­men wir die Hö­rer bei der Hand und len­ken ih­re Auf­merk­sam­keit. Da­bei kann man auch Tricks an­wen­den oder mit iko­ni­schen Klän­gen ar­bei­ten, al­so mit Klän­gen, die mit ei­ner kla­ren Er­war­tung ver­bun­den sind.

Funk­tio­niert So­und­dra­ma­tur­gie auch bei Leu­ten, die schlecht hö­ren oder ein Hör­ge­rät brau­chen?

Wenn man äl­ter wird und ge­wis­se Tö­ne nicht mehr wahr­neh­men kann, wird auch das 3D-Hö­ren schwie­ri­ger. Das ist so. Auch das 3D-Gu­cken im Ki­no kann nicht je­der, man­chen wird schlecht oder schwind­lig da­von. Für Hör­ge­schä­dig­te gibt es die Mög­lich­keit der In­duk­ti­ons­über­tra­gung. Da­mit ha­ben wir noch nicht ge­ar­bei­tet. Aber auch das ist ein span­nen­des Feld.

Von wel­cher Klang­land­schaft träu­men Sie? Was wür­den Sie ger­ne in 3D um­set­zen?

Da ha­be ich kei­nen spe­zi­el­len Wunsch. Es ist eher um­ge­kehrt: Für mich ist es in­ter­es­sant, sehr ge­nau hin­zu­hö­ren, wie ein­zel­ne Räu­me klin­gen, und den ein oder an­de­ren dann für ein spe­zi­el­les Kon­zert aus­zu­wäh­len oder für ein akus­ti­sches Thea­ter­stück mit ei­nem En­sem­ble. Ne­ben der künst­le­ri­schen Ar­beit ha­be ich aber auch ei­nen wis­sen­schaft­li­chen An­spruch: Wel­che Me­cha­nis­men be­stim­men ei­ne 3D-Klang­land­schaft? Wel­ches Hand­werk­zeug brau­che ich, um ei­ne ge­wis­se Wirk­mäch­tig­keit zu er­zie­len? All das wur­de noch nie er­fasst.

Sie stel­len Ih­re Ar­beit dem­nächst beim Ost­ufer­schutz­ver­band vor. Was möch­ten Sie ih­ren Gäs­ten in Holz­hau­sen mit­ge­ben?

Ei­nen Ein­druck da­von, wie sich die Tech­nik und die Hör­ge­wohn­hei­ten in der Welt ge­än­dert ha­ben und wel­che künst­le­ri­schen Mög­lich­kei­ten dies er­öff­net. Ich se­he mich nicht als Auf­klä­rer. Aber ich wür­de schon ger­ne ver­mit­teln, dass man den neu­en Tech­ni­ken durch­aus Po­si­ti­ves ab­ge­win­nen kann. Al­lein mit ei­nem Smart­pho­ne und ei­nem Kopf­hö­rer las­sen sich ganz neue künst­le­ri­sche Di­men­sio­nen er­schlie­ßen.

„Die Zu­kunft des Mu­sik­hö­rens“, Frei­tag, 27. Ja­nu­ar, 19.30 Uhr, Al­tes Schul­haus Holz­hau­sen, Kirch­berg­stra­ße (ge­gen­über der Holz­hau­ser Kir­che), 15 Eu­ro. Bis Mit­te Fe­bru­ar stel­len wir Ih­nen Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den Tas­si­lo-Kul­tur­preis 2023 vor. Al­le No­mi­nier­ten fin­den Sie im In­ter­net un­ter sz.​de/​tassilo

Medizinische und humanitäre Hilfe

Ghanaische Ärztekammer würdigt langjähriges Engagement von Prof. Matthias Richter-Turtur, Mitglied des Beirates im OSV

Münsing/Ghana – Seit mehr als 35 Jahren setzt sich der Münsinger Professor Matthias Richter-Turtur, Chirurg und ehemaliger ärztlicher Direktor der Kreisklinik Wolfratshausen, ein für die Ausbildung afrikanischer Chirurgen und für die Verbesserung der chirurgischen Versorgung in afrikanischen Krankenhäusern. Dafür wurde er jetzt zum Ehrenmitglied der Ghanaischen Ärztekammer (Ghana College of Physicians and Surgeons) ernannt.

1986 besuchte Richter-Turtur das westafrikanische Land zum ersten Mal, um dort humanitäre und medizinische Hilfe zu leisten. „Es war der Beginn einer sehr fruchtbaren Partnerschaft, die noch heute Früchte trägt“, heißt es in der Begründung zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Während seiner Dienstzeit als Chirurg in Wolfratshausen von 1995 bis 2007 wurden dort allein vier Fachärzte für Chirurgie aus Ghana ausgebildet und 15 weitere in den großen Münchner Krankenhäusern auf ihrem Werdegang und bei Facharztprüfungen unterstützt.

Richter-Turtur sorgte für die passenden Aus- und Weiterbildungsplätze in den Krankenhäusern und für die Arbeitserlaubnis in Deutschland. Nicht wenige junge Mediziner nahmen er und seine Frau bei sich zu Hause in Ammerland auf. „Alle Ärzte kehrten zurück in ihr Heimatland und arbeiten heute in leitenden Funktionen in öffentlichen Krankenhäusern“, berichtet der 74-Jährige. Auch im Ruhestand machte er seinen Einfluss und seine Kontakte geltend, damit medizinisches Equipment und zuletzt Medikamente für Covid-19-Patienten nach Ghana gelangten.

Richter-Turtur ergänzt, dass der Lions Club München-Isartal einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der meist langjährigen Weiterbildungsaufenthalte der jungen Ärzte in Form von Stipendien unterstützt habe. „Unser gemeinsames Engagement diente der Verbesserung der medizinischen Versorgung in Ghana“, so der Münsinger.

Inzwischen konnte die Aktivität verlagert und ausgeweitet werden in eine Klinikpartnerschaft zwischen der TU München und dem Komfo Anokye Teaching Hospital im ghanaischen Kumasi. Bei der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft in der Hauptstadt Accra im Dezember wurde der Münsinger nach englischer Tradition mit Doktorhut und reich geschmücktem Talar ausgestattet. Die Auszeichnung würdige auch die Kreisklinik Wolfratshausen in ihrer damals wichtigen Funktion als Ausbildungsstätte für junge Mediziner aus Entwicklungsländern, betont Richter-Turtur.  

TANJA lÜHR, Isar Loisachbote, 10. Januar 2023

Brief an den Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Grasl,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,

wie wir dem aktuellen Aushang der Tagesordnung für die Sitzung am kommenden Dienstag, entnehmen konnten, sollen unter TOP 9 und 10 die Aufstellungsbeschlüsse für vorhabenbezogene Bebauungspläne für zwei Freiflächen-PV-Anlagen gefasst werden. Aus der Presse haben wir entnommen, dass eine Anlage mit ca. 2,7 ha in der Nähe der Autobahnausfahrt Münsing, die andere mit ca. 5 ha in der Nähe des Betriebs Agrobs realisiert werden sollen.

Wir begrüßen, sowohl aus ökologischen wie auch aus Gründen der Energieversorgung in der aktuellen Energiekrise, das von der Gemeinde Münsing vorgelegte Tempo, sowie den Umstand, dass sich die Gemeinde eine Leitlinie zur Entwicklung von Freiflächen-PV-Anlagen gegeben hat, außerordentlich.

Angesichts des Umstandes, dass diese Anlagen mindestens auf die Dauer von 20, wenn nicht 30 Jahren das Orts- bzw. Landschaftsbild Münsings maßgeblich gestalten werden, auch weil ein Freiflächen-PV-Ausbau in Münsing mit einer Fläche von bis zu 25 ha insgesamt vorgesehen ist, bitten wir darum, noch vor Fassen des Aufstellungsbeschlusses eine vorgezogene Bürgerveranstaltung oder ein sonstiges vorgezogenes „Vorverfahren“ durchzuführen. Dieses Vorverfahren soll es einerseits allen Interessenten, die ebenfalls erwägen, Flächen für die Freiflächen-PV zu nutzen, ermöglichen, diese bei der Gemeinde anzumelden;  wir sind uns nicht sicher, ob alle Eigentümer von geeigneten Flächen hinreichend Kenntnis über diese anstehenden Entwicklungen in Münsing haben. Auf Basis dieser dann innerhalb einer festzulegenden, nicht allzu langen Frist eingehenden Anmeldungen könnten die dann der Gemeinde gemeldeten Flächen nach einem Kriterien- oder Punktekatalog bzw. der Leitlinie, die sich die Gemeinde Münsing gegeben hat, transparent und vergleichbar bewertet und in eine Reihung gebracht werden. Bei dieser Veranstaltung bzw. in diesem Vorverfahren sollten

auch die Möglichkeiten der bekannten Bürgerbeteiligungsmodelle dargestellt werden, damit die Bürger rechtzeitig Gelegenheit erhalten, hierfür Interesse auszubilden und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu prüfen. Insbesondere sollte es auch dazu dienen, mit den verschiedenen Eigentümern vorab im Rahmen einer Art städtebaulichem Vorvertrag verbindlich zu regeln, dass und welche Art von Bürgerbeteiligungsmodell gewählt wird, weil andernfalls zu befürchten stünde, dass die Bebauungsplanungsverfahren eine solche Eigendynamik entwickeln, dass am Ende diese Thematik zu kurz kommt.

Eine solche Vorgehensweise scheint uns auch gerade aus Gründen der Akzeptanz dieser Anlagen durch die Bürger Münsings geboten. Insbesondere sollte vermieden werden, dass mit den beiden Aufstellungsbeschlüssen jetzt eine Art von Windhundrennen beginnt, wobei dann möglicherweise nicht die geeignetsten Flächen ausgewiesen werden, sondern die der schnellsten Antragsteller. Die Problematik wird offensichtlich, als ja durch die beiden antragsgegenständlichen Flächen schon fast ein Drittel der beabsichtigten Gesamtfläche von 25 ha belegt würde, wovon ein Antragsteller allein ein Fünftel der Gesamtfläche für sich beansprucht. Wir halten es deswegen für essentiell, dass eine Gesamtübersicht über alle in der Gemeinde zur Verfügung stehenden bzw. nach der Leitlinie geeigneten Flächen erlangt wird (sofern noch nicht gegeben) und diese vor Entscheidung über die Ausweisung eine Gesamtbewertung ermöglicht. Im Rahmen der Bewertung sollte auch erwogen werden, jeweils eine Visualisierung, mit Blickrichtungen von verschiedenen Standpunkten aus, durchführen zu lassen.

Diese Vorprüfung ist aus unserer Sicht spätestens im Verfahren ohnehin durchzuführen, da aus naturschutzrechtlichen Gründen eine Alternativenprüfung notwendig sein dürfte. Eine solche Vorprüfung ist aber aus unserer Sicht auch angesichts der Leitlinie der Gemeinde Münsing erforderlich, weil dort nachvollziehbarerweise auf eine ausgewogene Verteilung der Anlagen im Gemeindegebiet Wert gelegt wird. Dabei sollte es aber nicht nur auf die Anzahl der Anlagen, sondern vielmehr auch auf die dem jeweiligen Standort angemessene Größe im Gemeindegebiet ankommen. So dürfte es grundsätzlich wohl angemessener sein, auf eine größere Anzahl kleinerer Anlagen zu setzen, und zwar auch gerade aus Gründen der Akzeptanz der Anlagen in der Bürgerschaft. Dabei scheint es uns aber –  und insofern würden wir darum bitten, die entsprechende Aussage in der Leitlinie noch einmal zu diskutieren und gegebenenfalls nachzuschärfen – unerlässlich auf Bürgerbeteiligungsmodelle zu setzen (s.o.). Diese Modelle sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendiger Faktor zur Erhöhung der Akzeptanz und Transparenz.

Bei der Bauleitplanung wird es aus unserer Sicht schließlich darauf ankommen, bereits im Durchführungsvertrag Regelungen zum Rückbau der Anlagen vorzusehen. Die Erfahrung zeigt, dass dort, wo einmal gebaut worden ist, ein Rückbau und eine Rückkehr zur Landwirtschaft oder zur Natur eben nicht erfolgt. Ein Verweis auf  die spätere Möglichkeit, mittels Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans einen solchen Rückbau zu ermöglichen, ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Die Rechtsfolge des Rückbaus muss bereits jetzt mit bedacht sein.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dieses Schreiben in geeigneter Form den Gemeinderatsmitgliedern rechtzeitig vor der Sitzung zur Verfügung stellten. Wir würden es sehr begrüßen, wenn man sich im Interesse des Landschaftsbildes noch einmal die Zeit nähme, allgemein abzufragen, ob es weitere geeignete oder vielleicht auch geeignetere Flächen gibt bzw. weitere Eigentümer, die diese zur Verfügung stellen würden und wenn man im Sinne der Transparenz und Akzeptanz bei den Bürgern vorab eine eigene Veranstaltung wie oben dargestellte durchführte.

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Umbreit, Petra Schulze, Manfred Stecher, Gustav Neumeister, Mechthild Felsch

Bericht in der Wolfratshauser SZ vom 25.10.2022:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/photovoltaik-muensing-bebauungsplanverfahren-ostuferschutzverband-erneuerbare-energie-1.5680483

Bericht im Isar Loisachboten vom 25.10.2022
https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/knapp-acht-hektar-photovoltaik-buergerbeteiligung-gefordert-91873592.html

Bericht in der Wolfratshauser SZ vom 27.10.2022
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/photovoltaik-muensing-gemeinderat-muensing-michael-grasl-erneuerbare-energien-1.5682210

Bericht im Isar Loisachboten vom 28.10.2022
https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-startschuss-fuer-bau-von-zwei-freiflaechen-photovoltaik-anlagen-91877870.html

„Der OSV ist nun wieder arbeitsfähig.“

Johannes Umbreit ist der neue Vorsitzende des 1929 gegründeten Ostuferschutzverbandes. Im Gespräch erklärt er, wie er sich die künftige Arbeit im Vorstand vorstellt – und wie sich der Verband künftig politisch positionieren will.

Von Benjamin Engel, Wolfratshauser SZ, 4. Oktober 2022

Der Wechsel an der Spitze des Ostuferschutzverbandes (OSV) im vergangenen Juli war turbulent. Schlussendlich löste der bisherige Stellvertreter Johannes Umbreit die langjährige Vorsitzende Ursula Scriba im Vorsitz ab. Umbreit, Professor an der Hochschule für Musik und Theater München, hatte gemeinsam mit den übrigen Vorstandsmitgliedern zunächst zu einer parallelen Mitgliederversammlung eingeladen, dann aber entschieden, sich doch der Versammlung anzuschließen, die Scriba einberufen hatte. Dort wurde er zum Vorsitzenden gewählt.

SZ: Herr Umbreit, ist der Ostuferschutzverband durch die jüngsten Querelen im Vorstand beschädigt?

Johannes Umbreit: Eine Beschädigung eines Vereins kann meiner Ansicht nach nur vorliegen, wenn gegen die Vereinsziele verstoßen wird. Ein Wechsel im Vorsitz ist ein demokratischer Vorgang, und an seinem Stuhl sollte niemand kleben. Die Mitglieder des Vereins haben das wahrscheinlich auch so gesehen, denn Austritte gab es so gut wie keine. Mit der Neuwahl des Vorstands wurde die Lähmung der Vorstandsarbeit überwunden, das Gremium ist nun wieder arbeitsfähig.

Sie sind jetzt neuer OSV-Vorsitzender. Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?

Den Schwerpunkt meiner Tätigkeit sehe ich darin, den Verein mit der Gesamtheit des Vorstandes zu führen und die Projekte gemeinsam abzustimmen. Es geht darum, den Schutz von Landschaft, Umwelt und Denkmälern der Kulturlandschaft Starnberger See in den Mittelpunkt zu stellen.

In der Satzung steht, dass sich das Tätigkeitsgebiet des OSV von der Linie Starnberg-Seeshaupt bis zum Abfall des Isar- beziehungsweise Loisachtals erstreckt. Der OSV ist aber meist nur in Münsing aktiv. Woran liegt das, und werden Sie das ändern?

Dass der OSV nur am südlichen Ostufer tätig ist, hat sicher neben den historischen Gegebenheiten auch seine Gründe in der Struktur der Besiedelung. Im Bereich Berg/Percha ist schon früher in ganz anderem Maßstab das Seeufer bebaut und die ehemals einheimische Bevölkerung ausgetauscht worden. Kontakte zu Vereinen hat es immer wieder gegeben, und es gibt auch eine Anzahl von Mitgliedern aus diesem Bereich. Eine Intensivierung wäre natürlich wünschenswert.

In der Vergangenheit waren der OSV und die Bürgerliste eng verzahnt. Die Bürgerliste galt als politischer Arm des OSV. Das ist mit Ihrer Wahl nicht mehr so. Ist das eine richtige Trennung oder doch ein signifikanter Einflussverlust?

In der Vergangenheit hat es sich mehrfach gezeigt, dass die Personalunion von OSV-Vorstand und Vertretung der Bürgerliste im Gemeinderat problematisch ist, daher war die Trennung dieser beiden Vereinigungen längst überfällig und wurde schon vor Jahren vehement gefordert, um unabhängig agieren zu können. Ob das nun ein signifikanter Einflussverlust oder die Chance ist, die Unabhängigkeit für unbequeme Themen zu nutzen, wird die Zukunft zeigen. Den Mitgliedern der Bürgerliste bleibt es unbenommen, sich für die Ziele des OSV einzusetzen, wenn sie diese teilen. Weitergehende politische Ziele und Ambitionen sind durch den Vereinszweck nicht gedeckt. Der OSV braucht Gehör bei allen politischen Gruppierungen.

Bei seiner Gründung 1929 hatte sich der OSV zum Ziel gesetzt, die Dampfschifffahrt und den Tourismus zu fördern. Müsste sich der Verein nicht auch zu Themen wie dem abgebauten Dampfersteg in Ammerland oder dem geschlossenen Gastbetrieb im Hotel Sailer positionieren?

Nach hundert Jahren hat sich der Tourismus am Seeufer doch sehr verändert. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass zum Beispiel die Zahl der Radfahrer inzwischen die Zahl der Besucher, die per Schiff kommen, um ein Vielfaches überstiegen hat. Eine Position des OSV muss hier sicher genau bedacht werden, bevor Forderungen aufgestellt werden. Uns allen ist noch in Erinnerung, wie die Schlösser- und Seenverwaltung vor vielen Jahren den Ambacher Steg abzubauen versuchte. Damals war es möglich, durch Briefe und Gespräche das Amt davon zu überzeugen, den Steg zu erneuern und wieder gangbar zu machen, aber das gelang uns beim Staat. Unser Verein kann sich zwar wünschen, dass der Dampfersteg beim Hotel Sailer wieder errichtet wird, die Entscheidung liegt aber beim Grundeigentümer.

Wo sehen Sie denn den OSV in vier Jahren vor der nächsten turnusgemäßen Vorstandswahl? Ist dann beispielsweise endlich die Pocci-Kapelle für die Öffentlichkeit zugänglich?

Eine Fertigstellung der Schlosskapelle Ammerland nach so langer Zeit ist natürlich wünschenswert. Aber wir sind hier nicht das Gremium, das entscheidet, sondern geben Impulse und haben Spenden für das Projekt gesammelt.

Laut der ersten konstituierenden Vorstandssitzung soll es künftig einen Stammtisch geben, um den direkten Kontakt zu den Mitgliedern zu erhöhen. Gibt es schon einen ersten Termin dafür und wie häufig soll der Stammtisch stattfinden?

Über den Ort und Zeitpunkt des Stammtisches werden wir in der nächsten Vorstandssitzung Anfang Oktober sprechen. Geplant ist, diese Einrichtung in möglichst vielen Ortsteilen stattfinden zu lassen, um direkt mit einer großen Anzahl von Bürgern in Kontakt zu kommen.

Müsste der OSV nicht mehr tun, um seine Außenwirkung zu verstärken, etwa auch in sozialen Medien präsent sein?

Auch über diesen Punkt müssen wir im Vorstand beraten. Wir haben einen guten Internetauftritt, der die Mitglieder immer auf dem Laufenden hält. Persönlich bin ich kein Freund der sozialen Medien, aber wenn es uns gelingt, den Verein zu verjüngen – und das sehe ich als eine der wichtigsten Aufgaben – kann es durchaus sein, dass sich hier etwas verändert.

Interview mit dem Vorstandsteam im Merkur vom 11.10.2022

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/das-image-des-ostuferschutzverbands-querelen-im-vorstand-beendet-91844116.html

PRESSEMITTEILUNG zur Vermarktung der Bonsels Villa in Ambach

Mit Schrecken entnehmen die Ambacher Bürger der Süddeutschen Zeitung vom 24.07.22, dass nun auch das Anwesen der altehrwürdigen Waldemar-Bonsels-Villa in den Sog von Bodenspekulation und Grundstücksverwertung gerät. Die eigens eingerichtete Waldemar-Bonsels-Stiftung sollte eigentlich dem Andenken von Waldemar Bonsels in Ambach auf seinem Grundstück dienen, die Erträge einem guten Zweck. Das ging jahrzehntelang gut. Bonsels-Verehrer konnten vor Ort an seinem Grab des Meisters gedenken und – wenn sie Glück hatten – Zugang zum noch im Original Zustand befindlichen Arbeitszimmer erhalten. Die Mieterträge des Anwesens konnten der Satzung der Stiftung gemäß verwendet werden.

Nun will aber der Stiftungsrat – dem Zeitgeist und dem Profitinteresse folgend – mehr aus dem Stiftungsvermögen herausholen. Das Grundstück und die Villa sollen meistbietend verkauft werden. Um den Verkaufswert zu steigern kämpft die Stiftung sogar noch um ein Baurecht für ein zweites Haus auf dem Grundstück, obwohl auch der Denkmalgarten unter den Denkmalschutz fällt und der Rahmenplan der Gemeinde Münsing ausdrücklich vorsieht, dass keine weitere Bebauung erfolgen soll. Man darf gespannt sein, ob die Stiftungsaufsicht diesem Umsturz der Stiftungsstruktur zustimmen wird und ob die Gemeinde Münsing ihrem eigenen Rahmenplan folgt und eine weitere Bebauung dieses Grundstücks verhindert. Denn eine weitere Bebauung dient nur der Grundstücks-verwertung und Gewinnmaximierung, schadet aber der landschaftlichen Schönheit des Ostufers, dem Denkmal Bonsels-Villa und dem Andenken ihres ehemaligen Bewohners. Dem Makler Herbst bleibt sein schöner Seeblick aber erhalten, auch wenn es nicht zum Verkauf kommt.

Johannes Umbreit, Petra Schulze, Manfred Stecher, Gustav Neumeister,
Mechthild Felsch

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/bonsels-villa-ambach-waldemar-bonsels-waldemar-bonsels-stiftung-muensing-verkauf-satzung-steht-nicht-entgegen-regierung-von-oberbayern-stiftungsaufsicht-1.5644449

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/muensing-ambach-bonsels-villa-waldemar-bonsels-biene-maja-villa-verkauf-ostuferschutzverband-osv-entsetzt-offener-brief-1.5634309

https://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen-aktuell/im-feinen-starnberg-biene-maja-villa-steht-zum-verkauf-80911522.bild.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/bodenspekulation-beruehmte-villa-starnberger-see-zum-verkauf-im-sog-der-91715596.html

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/muensing-gemeinderat-lehnt-neubau-an-der-bonsels-villa-ab-90971239.html?itm_source=story_detail&itm_medium=interaction_bar&itm_campaign=share

Mitgliederversammlung 2022

Liebe Mitglieder,

wir freuen uns melden zu können, dass wir am Freitag bei einer gemeinsamen Veranstaltung im Gasthof Gerer Vorstand und Beirat neu gewählt haben und alle versöhnt nach Hause gehen konnten.

Die im Pinocchio versammelten Mitglieder hatten sich kurzfristig entschlossen, zur Vermeidung einer drohenden Spaltung in die Versammlung im Nebenraum des Gasthofs Gerer umzuziehen – trotz der befürchteten Ansteckungslage. Tatsächlich war dann der Versammlungsraum überfüllt, sodass etliche Mitglieder vom Gastraum aus versuchen mussten, der Versammlung zu folgen. Wir hoffen, dass sich niemand infiziert hat.

Nach freimütiger Aussprache über die Probleme im Vorstand und über die Schwerpunkte der künftigen Vereinsarbeit wurde dann Prof. Johannes Umbreit mit 33 Stimmen zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt. Die bisherige 1. Vorsitzende Ursula Scriba, der für ihre Verdienste gedankt wurde, erhielt 22 Stimmen.

In der Folge wurden ohne Gegenkandidaten in den Vorstand gewählt:

– Petra Schulze als 2. Vorsitzende

– Manfred Stecher als Kassier

– Gustav Neumeister als 1. Beisitzer

Ebenfalls ohne weitere Kandidaten wurden in den Beirat gewählt:

– Mechthild Felsch

– Mechtild Schönberger

– Martin Maier

– Prof. Matthias Richter-Turtur

– Carl Schmöle

Danken möchten wir der scheidenden 1. Vorsitzenden Ursula Scriba für 17 Jahre unermüdlicher Arbeit, ebenso den bisherigen Beiräten Anatol Regnier, Albert von Schrenck-Notzing, Florian Rank und Markus Feigl.

Besonderer Dank gilt Alexander von Schrenck-Notzing für seine kompetente, einfühlsame und unerschrockene Versammlungsleitung.

Herzlich begrüßen wir unsere 19 Neumitglieder. Bitte treten Sie mit uns in Kontakt. Für Anregungen und eventuelle Probleme stehen wir gerne zur Verfügung.

Wir möchten die anstehenden Aufgaben kollegial und einvernehmlich wahrnehmen und in Vorstand und Beirat nach Talent und Neigung verteilen. Alle Entscheidungen sollen demokratisch gemeinsam im Team getroffen werden. Wenn unsere konstituierende Sitzung stattgefunden hat, werden wir Sie unterrichten, was wir uns vorgenommen haben.

Wir sind froh, dass es gelungen ist, die drohende Spaltung des Vereins zu überwinden. Wir hoffen, dass wir den gemeinsamen Zielen dienen können und bitten dafür um Ihre Unterstützung.

Mit besten Grüßen

Johannes Umbreit     1. Vorsitzender    
Petra Schulze              2. Vorsitzende     
Manfred Stecher        Kassier   
Gustav Neumeister 1. Beisitzer                


https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/versammlung-mit-tumulten-turbulente-kampfabstimmung-im-ostuferschutzverband-91673411.html

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/ostuferschutzverband-mitgliederversammlung-waehlt-vorsitzende-ursula-scriba-ab-johannes-umbreit-setzt-sich-durch-muensing-1.5623283

Postkarte des Sanatoriums Wiedemann in seinen Glanzzeiten

Ende eines kuriosen Verfahrens

Das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“ ist Geschichte

Am 17. Mai 2022 hat der Münsinger Gemeinderat das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“ endgültig als unzulässig zurückgewiesen, obgleich er es selbst in einer denkwürdigen Sitzung am 1. November 2021 angenommen hatte. Dadurch wurde damals der Bürgerentscheid obsolet. Nach mehr als sieben Monaten ist eine Bürgerinitiative an ihr Ende gelangt.

Ein kurzer Rückblick sei erlaubt: Im Herbst 2021 haben 431 Bürgerinnen und Bürger das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“unterstützt und damit dem lang bestehenden Unbehagen in Teilen der Bevölkerung über die Größe des vom „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) geplanten Seniorenwohnstifts auf dem ehemaligen Wiedemann-Kurgelände in Ambach noch einmal mächtigen Ausdruck verliehen. Die Hoffnungen waren groß, im Dialog mit Gemeinde und KWA eine Verkleinerung zu erreichen.

Auf den Unterschriftslisten war der Altbestand mit 3918 qm angegeben. Woher diese Zahl stamme, sei völlig unklar, kam es von Bürgermeister und Verwaltung, niemand habe sie je gehört.

Die Peinlichkeit war  groß. Die Zahl von 3918 qm entstammte keineswegs der Fantasie der Initiatoren, sondern der gemeindeeigenen Homepage. Dass die Gemeinde nicht wusste, was in ihrer eigenen Homepage steht, war damit für alle Augen sichtbar. Zudem wurde deutlich, dass ihre oft wiederholten Beteuerungen, der Neubau werde nicht größer als der Altbestand sein, in den Wind gesprochen waren: Bürgermeister und Verwaltung kannten die Größe des Altbestands gar nicht. Erst der Druck durch das Bürgerbegehren hatte die neuerliche Vermessung bewirkt.

Die Gemeinde  machte sich unverzüglich daran, das Bürgerbegehren auszuhebeln. Die eilig eingeleitete Vermessung hätte ergeben, dass der Altbestand mit ca 5600 qm größer als der geplante Neubau von 4785 qm sei. Diese Vermessung beruhte aber auf willkürlich gewählten Methoden und entsprach nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Berechnungsverordnung.

Ein kurioses Verfahren bahnt sich seinen Weg. Kein Dialog fand statt, eine von engagierten Münsinger Bürgern veranlasste private Vermessung durch zwei  vereidigte Gutachter, die zu anderen Ergebnissen als die Gemeinde kam, wurde nicht einmal diskutiert, auch alle anderen Vorschläge wurden vom Tisch gewischt. Der Bürgermeister, so hatte man den Eindruck, empfand das Bürgerbegehren als persönliche Kränkung und mutwillige Behinderung seines Wirkens.

Das von den Initiatoren des Bürgerbehrens angerufene Verwaltungsgericht befasste sich erstaunlicherweise wenig mit den gemeindlichen Zahlenspielen.  Statt dessen wird den Initiatoren  ein „Verstoß gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot“ vorgeworfen. Gemeint sind jene der gemeindlichen Homepage entnommenen 3918 qm – wer sich auf offizielle Zahlen verlässt, sollte sich warm anziehen, könnte man meinen, denn sind sie fehlerhaft, liegt die Schuld nicht bei den Verursachern, sondern bei denen, die sie glauben. Auch dass die Gemeinde den im Bürgerbegehren formulierten Halbsatz „und den bestehenden Bebauungsplanentwurf entsprechend abändert“ in ihrer Annahme weggelassen hat, erweist sich im Nachhinein zu ihrem Vorteil.

Dieser Schachzug führte dazu, dass das Verwaltungsgericht das Bürgerbegehren für nicht erledigt ansah und eine Entscheidung über seine Zulässigkeit anmahnte. Ergebnis siehe 17.Mai.

 Bereits am 23. Mai  hat die Gemeinde den umstrittenen Bebauungsplan  „Seniorenwohnstift Ambach“ mit einer Bebauung von 4785 qm in Kraft gesetzt. Nach ihrer Auffassung darf diese Fläche nochmals um 50 %  durch  Nebenanlagen überschritten werden, sodass sogar nun eine versiegelte Grundfläche von 7178 qm zugebaut wird- mehr als dort jemals vorhanden war. Es mutet an, dass das Gezerre um Quadratmeterzahlen der KWA nunmehr ermöglicht, die von Anfang an gewünschte, maximale Bebauung für ihr Vorhaben verwirklichen kann.

Es wird nun also nichts mehr daran zu ändern sein, dass KWA, gemeinsam mit der Gemeinde im bisherigen Außenbereich, der sonst von jeglicher Bebauung freizuhalten ist, eine Wohnanlage mit 80 Wohnungen, Schwimmbad, Vortragssaal, Restaurant etc. errichten wird.

Dass Bürgerbegehren sich in die Planungshoheit von Gemeinden einmischen, ist in Bayern zulässig und dass sie alle verfügbaren Mittel nutzen, ist ihr gutes Recht. Das müsste man als Politiker aushalten können.

Unser Dank geht an alle Unterstützerinnen und Unterstützer, besonders an diejenigen, die von Haus zu Haus gegangen sind und Stimmen gesammelt haben. Immerhin gebührt uns die Ehre, das erste Bürgerbegehren in der Geschichte Münsings gewesen zu sein. Vielleicht – hoffentlich – haben künftige Initiativen mehr Erfolg. Von bürgerschaftlichem Engagement sollte man sich dadurch nicht abschrecken lassen.

Initiatoren des Bürgerbegehrens:

Anatol Regnier, OSV Beirat

Dr. Agnete von Specht, OSV Mitglied

Alexandra Theiss, OSV Mitglied

Presseerklärung der Initiatoren des Bürgerbegehrens vom 12.6.22

Das Seniorenwohnstift im Modell: Auf dem ehemaligen Klinikgelände sollen 79 Wohnungen entstehen.
© Tanja Lühr

„Wir wissen nicht, wie es weitergeht“

Anatol Regnier, Initiator des Bürgerbegehrens, schließt Klage nicht aus – Artikel in der „Bunten“

Münsing – Die Macher des Bürgerbegehrens sind sich noch nicht schlüssig, wie sie sich zum jüngsten Gemeinderatsbeschluss stellen sollen. Sänger und Autor Anatol Regnier teilt mit: „Momentan gibt es nichts Neues. Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ Wie berichtet hatte der Gemeinderat in seiner Sitzung Anfang November den Inhalt des von 430 Münsingern unterzeichneten Bürgerbegehrens, dass das geplante Seniorenwohnstift in Ambach nicht größer werden darf als die alte Wiedemann-Klinik, übernommen. Was wie ein Erfolg klingt, war in Wahrheit höchstens ein halber. Denn: Bei einer aufwändigen Neuvermessung des Klinikareals kam heraus, dass die Wiedemann-Klinik größer war als ursprünglich angenommen, nämlich 5060 statt, wie angenommen, 3918 Quadratmeter. „Die Prämissen sind einfach geändert worden“, erklärt Regnier. Ob er und seine Mitstreiter klagen wollen, ist noch nicht klar. Es wäre das erste Mal, dass ein Bürgerbegehren den Rechtsweg beschreitet, wenn der Inhalt vom Rat übernommen worden ist.

Derweil hat sich auch das Klatschmagazin „Die Bunte“ in seiner Ausgabe vom 18. November des Themas angenommen – wohl wegen der vergleichsweise hohen Promi-Dichte in Ambach. Früher unterzogen sich Fernseh-Berühmtheiten wie Inge Meysel, Heinz Rühmann und Harald Juhnke in der Wiedemann-Klinik Frischzellen-Kuren, heute leben dort Comedian Michael Mittermaier, Schauspieler Josef Bierbichler und Internet-Milliardär Oliver Samwer („Zalando“).

Grund genug, Regnier unter der Rubrik „Small Talk aus Feinsten Kreisen“ unter dem Titel „Unruhe am Villen-Ufer“ zu befragen. Er beteuert, dass er das Projekt keineswegs verhindern will. „Unser Unbehagen richtet sich ausschließlich gegen die Größe.“ Und: „Uns wurde vorgeworfen, wir hätten was gegen alte Leute. Das ist völliger Unsinn. Die meisten von uns sind doch selber alt.“ Vom Ausgang des Bürgerbegehrens ist in dem Artikel nicht die Rede.  vu

Freitag, 26. November 2021, Isar-Loisachbote / Lokalteil

Zahl „wohl versehentlich“ veröffentlicht

SENIORENWOHNSTIFT – Bürgermeister Grasl äußert sich zur Versiegelung

Münsing – Auf den offenen Brief der Initiatoren des Bürgerbegehrens für die Verkleinerung des KWA-Seniorenwohnstifts, veröffentlicht in unserer Zeitung, äußert Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) sich in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Initiatoren beriefen sich bei der Sammlung von Unterschriften wie berichtet auf eine auf der Homepage der Gemeinde genannte Zahl zur Grundfläche des ehemaligen Wiedemann-Sanatoriums. Das Architekturbüro Matteo Thun, das den Neubau entworfen hat, hatte 3917,96 Quadratmeter angegeben. Die Kritiker um Anatol Regnier verglichen diese Zahl mit der Grundfläche des geplanten Neubaus (4687,20 Quadratmeter) und forderten, dass das Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) kleiner baut, um nicht mehr Fläche als bisher zu versiegeln.

Mittlerweile hat die Gemeinde jedoch wie berichtet nachmessen lassen und ist auf 5060 Quadratmeter bei der ehemaligen Klinik gekommen. Die alte, „wohl versehentlich“ veröffentlichte Zahl 3917 sei „ohne Relevanz für den Bebauungsplan“, betont Rathauschef Grasl. Allein das jetzt vorliegende Aufmaß bilde zweifelsfrei den Bestand ab. Dass erst das Bürgerbegehren diese Klarheit gebracht habe, sei richtig. Andererseits sei es in einem Bebauungsplanverfahren nicht zwingend vorgeschrieben, den Altbestand eines bebauten Areals auf den Quadratmeter genau per Aufmaß zu ermitteln. Die neue Planung mit 80 Wohnungen, Restaurant, Veranstaltungsräumen und Schwimmbad ordne sich nachweislich diesem Bestand unter, was immer die Zielvorgabe der Gemeinde gewesen sei, schreibt Grasl.

Mit Annahme des Bürgerbegehrens zeige die Gemeinde, dass sie zu ihrem Wort stehe. „Weiter möchte ich betonen, dass niemand anstrebt, die bei der Neuvermessung aktuell ermittelte Zahl von über 5000 Quadratmeter Grundfläche auszuschöpfen. Im Verfahren bleibt die jetzige Fassung.“ Die versiegelten Flächen und bestehenden Kubaturen seien offenkundig bereits zu Zeiten des Sanatoriums relativ hoch gewesen, was in der Diskussion oft zu kurz gekommen sei, so der Bürgermeister. Künftig entfalle aber zum Beispiel ein Gebäude am Pilotyweg zugunsten eines dauerhaft festgesetzten Parks.

Der vorhabenbezogene Bebauungsplan biete juristisch eine maximale Verbindlichkeit und Absicherung für die Kommune. Die Vertragsgestaltung, Nachweise der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von KWA und Belegungsrechte durch Gemeindebürger seien Aufgaben des gewählten Gemeinderats. Im Entwurf des städtebaulichen Vertrags seien bisher alle Forderungen der Gemeinde fixiert. Der Vertrag werde dem Gemeinderat vor Beurkundung und vor Satzungsbeschluss vorgelegt, so Grasl, sobald alle Punkte juristisch geklärt seien.  tal

Donnerstag, 11. November 2021, Isar-Loisachbote / Lokalteil

Die verflixte 3918

WIEDEMANN-KLINIK – Zahl aus dem Bürgerbegehren stammt von der Homepage der Gemeinde

VON VOLKER UFERTINGER

Münsing – Es war eigentlich zu erwarten: Im Nachgang der Sondersitzung zum geplanten Seniorenwohnstift in Ambach gibt es Debatten um die Zahl 3918. So viele Quadratmeter hatte angeblich die alten Wiedemann-Klinik umfasst, und größer – so die zentrale Forderung – sollte der Neubau nicht werden. Diese Zahl aber sei ihm nicht bekannt und auch nicht belastbar, konterte Bürgermeister Michael Grasl in der Sitzung. Stattdessen hatte er eine Neuvermessung des Areals veranlasst, und die ergab 5060 Quadratmeter. Diese Zahl übernahm der Gemeinderat einstimmig. Sie beziffert fortan das Maximum an Fläche für das Seniorenwohnstift. Salopp formuliert: Das Bürgerbegehren war ins Leere gelaufen.

Das kann und will der Ambacher Autor und Sänger Anatol Regnier so nicht stehen lassen. Er und seine Mitstreiter hatten im Lauf der vergangenen Wochen 431 Unterschriften gesammelt, keineswegs nur im Ambach, sondern in der ganzen Gemeinde. Er sieht sich nun dem Verdacht ausgesetzt, die Bürger mit unlauteren Mitteln zur Unterschrift bewegt zu haben. „Dass wir mit Fantasiezahlen operiert haben sollen, ist ein schwerwiegender Vorwurf“, schreibt er in einem offenen Brief an den Bürgermeister.

Darin macht er deutlich, dass die Zahl von der Gemeinde selbst kommuniziert worden sei – und zwar auf der eigenen Homepage. Sie geht zurück auf einen Plan des Architekturbüros Matteo Thun & Partners vom 23. März 2021. Dort heißt es: „Grundfläche – bestehend 3917,96 Quadratmeter, Grundfläche – Neubau 4687,20 Quadratmeter.“ Daher seine: „Können Sie uns zu Ihrer Aussage eine Erklärung abgeben?“

Bürgermeister Michael Grasl ist zerknirscht. „Dass die Zahl in den Verlautbarungen der Gemeinde und in den amtlichen Unterlagen der Auslegung verwendet wurde, räume ich ein und bedaure ich auch“, teilt er mit. Derzeit wird geprüft, wie die – faktisch falsche – Zahl dorthin gelangen konnte. Sobald dies feststeht, werden der Gemeinderat und die Öffentlichkeit informiert. „Wir werden niemanden im Unklaren lassen.“

Allerdings relativiert der Rathauschef die Relevanz dieser Zahl und weist darauf hin, dass sie keinerlei rechtliche Bedeutung besitzt. Die 3918 wird weder in der Satzung noch in der Planzeichnung genannt. Sie ist, wie von Regnier richtigerweise moniert, auf einer Skizze des italienischen Architekturbüros zu finden, wo sie eigentlich nichts verloren hat. „Hätte das federführende Büro Goergens die Zahl bemerkt, hätte es „natürlich interveniert“, so Grasl. Eine Anfrage bei Matteo Thun, wie sie zu der Zahl gekommen sind, laufe. „Es ist stark zu vermuten, dass dort die berühmten Äpfel mit Birnen verglichen worden sind.“

Doch wie dem auch sei: Jetzt liegt das Ergebnis einer genauen, objektiven Vermessung vor, und das heißt für Grasl: „Die Zahl ist sowieso obsolet.“ Fest steht, dass der Streit um die verflixte 3918 keine Auswirkung auf Planzeichnung und Satzungstext haben wird. Gleiches gilt für das Bürgerbegehren, das der Rathauschef als „erledigt“ betrachtet. „Das Projekt muss und wird sich nun zwingend dem Bestand unterordnen. Auch das ist ja ein gutes und allseitig gewolltes Ergebnis.“

Eine Freude für Till Eulenspiegel

„Rat nimmt Bügerbegehren an“ vom 4. November

Till Eulenspiegel hätte seine Freude gehabt. Das Bürgerbegehren „Seniorenanlage in Ambach kleiner planen!“ wurde vom Gemeinderat angenommen. Allerdings mit einem Schönheitsfehler: Bis heute wird auf der Homepage der Gemeinde offiziell der Altbestand der Kur-Klinik mit 3917,96 Quadratmetern benannt.

Auf wundersame Weise kommt der Architekt, der gleichzeitig die Gemeinde und den Investor KWA berät, nun auf 5060 Quadratmeter. Das ist um ein Drittel mehr. Folgt man diesem Rechenkunststück wörtlich, so ergibt sich als Ergebnis des Bürgerbegehrens, dass der Vorhabenträger sogar noch mehr bauen dürfte, als bisher geplant. Das Ergebnis des Bürgerbegehrens „…kleiner planen…“ wurde damit schlichtweg in das Gegenteil verkehrt.

Ob dieser „geschickte Schachzug“ dem Schutz des Ostufers dienlich sein wird und die Stimmung der begehrenden Bürger heben wird, wage ich zu bezweifeln. Nicht ohne Grund hat Till Eulenspiegel nach seinen Heldentaten stets das Weite gesucht.

Johannes Auffarth, Ambach

Samstag, 06. November 2021, Isar-Loisachbote / Lokalteil

Rat nimmt Bürgerbegehren an

Nach Neuvermessung: Seniorenwohnstift wird nicht größer als die alte Klinik

VON VOLKER UFERTINGER

Münsing – Das erste Bürgerbegehren in der Geschichte der Gemeinde hat einen überraschenden Ausgang genommen: Der Gemeinderat hat sich in der Sondersitzung am Dienstag den Forderungen der Initiatoren angeschlossen. Einstimmig wurde der Beschluss gefasst, dass das geplante Seniorenwohnstift Ambach nicht mehr Fläche verbrauchen darf als die alte Wiedemann-Klinik.

Das fiel dem Gemeinderat relativ leicht. Denn: Eine Neuvermessung hat ergeben, dass das einstige Sanatorium, in dem in den 1960er Jahren die Reichen und Schönen ein- und ausgingen, klar größer war als im Bürgerbegehren behauptet, nämlich 5060 und nicht 3918 Quadratmeter. Die Obergrenze für das neue Sanatorium liegt bei 4785 Quadratmetern. „Wir haben ja gemeinsame Ziele“, erklärte Michael Grasl. „Wir wollten immer, dass sich der Neubau in den Fußabdruck der ehemaligen Klinik einfügt.“ Ein Bürgerentscheid ist damit hinfällig.

Planer Christian Weigl, der das Seniorenwohnstift städtebaulich begleitet, erläuterte, wie die Gemeinde vorgegangen ist. „Es war das Ehrlichste, den Bestand neu zu vermessen.“ Der Aufwand in den vergangenen Wochen war immens, das mittlerweile überwucherte Gelände musste teils freigelegt werden. Auch die Berechnung der Flächen gestaltete sich wegen der Hanglage komplex. „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet“, versicherte der Experte den Gemeinderäten und den etwa 30 Zuhörern. Ergebnis: Die bebaute Grundfläche der ehemaligen Wiedemann-Klinik beträgt 5060 Quadratmeter – deutlich mehr, als was dem neuen Bauherrn „Kuratorium Wohnen im Alter“ zugestanden wird.

Welche Schlüsse waren aus diesem überraschenden Befund zu ziehen? Der Anwalt der Gemeinde, Gerhard Spieß, brachte zwei Alternativen ins Spiel: Entweder das Bürgerbegehren als unzulässig abzulehnen, weil es inhaltlich von falschen Voraussetzungen ausgeht. Oder es dem Gemeinderat zum Beschluss vorzulegen. Dazu riet Rathauschef Grasl nachdrücklich. „Eine Ablehnung wäre nicht unser Verständnis von Bürgerbeteiligung.“

Widerworte kamen lediglich von Prof. Matthias Richter-Turtur (Grüne). Er sprach von „erstaunlichen Rechenkünsten“ und zog die erste Auslegung in Zweifel. „Die ist doch dann Makulatur.“ Weigl verneinte: „Die Zahlen in der Auslegung waren richtig.“ Spieß ergänzte: „Die einzig richtige Zahl im Bürgerbegehren stammt aus der Auslegung.“ Zwei andere Gemeinderäte brachten schlicht ihre Erleichterung zum Ausdruck. Thomas Schurz (CSU) erklärte: „Endlich ist in Stein gemeißelt, dass wir keinen falschen Grundsatzbeschluss gefasst haben.“ Und Stefan Holzheu (Wählergruppe Holzhausen) fügte hinzu: „Ich als Ambacher bin froh zu sehen, dass das Neue nicht größer wird als das Alte.“ Sonst gab es keine Wortmeldungen. Das Ergebnis war eindeutig: 14:0 Stimmen, drei Gemeinderäte – Josef Strobl, Helge Strauss und Bernhard Ruhdorfer – fehlten entschuldigt.

Anatol Regnier, Initiator des Bürgerbegehrens, war über den Verlauf des Abends verwundert. „Die Zahl, die wir im Bürgerbegehren genannt haben, ist doch von der Gemeinde selbst immer genannt worden.“ Im Moment ist er ratlos, ob und wie es weitergeht. Fest steht nur: „Ich werde jetzt sicher nicht mit dem Zollstock losziehen und nachmessen.“

Bürgermeister Michael Grasl weist die Behauptung von sich, die Zahl von 3918 Quadratmetern für die Wiedemann-Klinik je kommuniziert zu haben. „Das wüsste ich. Auch kein Mitarbeiter konnte sie verifizieren.“ Wichtig sei ihm immer nur gewesen, „im Bestand zu bleiben“. Derzeit befindet man sich in der zweiten Auslegung, die Behandlung der Einwände ist für Anfang 2022 geplant. Wann gebaut wird? Höchst ungewiss.#

KOMMENTAR
Geschickter Schachzug
VOLKER UFERTINGER

Es war geschickt, wie die Gemeinde Münsing mit dem Bürgerbegehren umgegangen ist. Das Areal neu auszumessen, zeigte den Kritikern: Wir nehmen Euch ernst. Den Inhalt zu übernehmen, demonstrierte ihnen: Wir haben gemeinsame Ziele. Die positiven Nebeneffekte: Die Meuterer haben keine Handhabe mehr. Und, genau so wichtig: Es wird nicht noch mehr Zeit verloren.

Tatsächlich, es ist viel Zeit vergangen, seit fünf Jahren wird über das Seniorenwohnstift diskutiert. Über all den Bedenken könnte man fast vergessen, dass es objektiv ein Glücksfall ist: Es hat sich ein seriöser Träger gefunden, der in einer älter werdenden Gesellschaft einen dringenden Bedarf deckt. Die Ruinen verschwinden, ein preisgekrönter Architekt baut. Was will man mehr?

Donnerstag, 04. November 2021, Isar-Loisachbote / Lokalteil