KWA und das Ambacher Gefühl

Leserbrief Süddeutsche Zeitung am 30.10.2018
Zu „Streit um Seniorenstift am See“ vom 25. Oktober:

Benjamin Engel schreibt in seinem Artikel „Streit um Seniorenstift am See“ ganz richtig: Den Anwohnern sind 80 geplante Wohneinheiten zu viel. Die Bürger haben sich im Sommer in ihren Bedenken und Anregungen klar geäußert: „80 Wohneinheiten sind zu viel, es muss abgespeckt werden“. Jeder bebaute Quadratmeter erhöht die Grundstückspreise. Einheimische wissen nicht mehr, wie sie ihr Erbe gerecht aufteilen sollen und müssen tradierte Familiensitze verkaufen. Als Gemeinderätin und Vorsitzende des Ostuferschutzverbandes stehe ich hinter den Bürgern: So habe ich mich auch mehrfach deutlich in der Gemeinderatsitzung vom 23.10.2018 geäußert.

Die Gemeinde selbst ist dem Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) bereits mehrmals in folgenden Schritten entgegengekommen: Erster Schritt: KWA hat das Grundstück erworben mit dem in der Baunutzungsverordnung als „Sonstiges Sondergebiet, hier Gesundheitszentrum, Klinik“, ausgewiesenen Areal. Um dort Seniorenwohnungen zu bauen,muss diese Kategorie geändert werden. Die Gemeinde kam KWA entgegen und hat ihre Bereitschaft erklärt, diese Nutzungskategorie im Flächennutzungsplan zu verändern,um das Vorhaben zu ermöglichen. Zweitens gab es einen Aufstellungsbeschluss am 27. September 2017 zur Aufstellung eines Qualifizierten Bebauungsplanes und damit erhöhtes Baurecht in Toplage am Starnberger See für das Seniorenstift.

Jetzt verlangen wir, wie ich klar in der Sitzung einforderte: KWA specke ab, erarbeite Dir die Überschrift:KWA und dasAmbacher Gefühl.

Ursula Scriba, Ammerland

„KWA, mach’ Deine Hausaufgaben“

Leserbrief Münchner Merkur, Isar Loisachbote vom 26.10.2018

„Architekten machen ihre Hausaufgaben“ vom 25. Oktober, zum geplanten Seniorenwohnstift in Ambach

Vielen Dank für den Artikel von Tanja Lühr. Als Gemeinderätin und Vorsitzende des Ostuferschutzverbandes ergänze ich den Artikel um die entscheidenden Fragen, die ich in der Sitzung stellte.

Für die Bürger, die Mitglieder und mich forderte ich neben dem Thema fehlender Straßenbreite der Erschließung vor allem jedes Architekturbüro auf, die Wohneinheiten, die Baumasse zu reduzieren.

Das engagierte Büro Beer Bembé, Dellinger – das Büro mit dem Ambacher Gefühl, das die Anregungen der Bürger und des KWA (Kuratorium Wohnen im Alter, Anm. d. Red.) arbeitsintensiv aufgenommen hatte – antwortete, dies sei Aufgabe des zukünftigen Bauherrn, des KWA. Deshalb die dringende Aufforderung: „KWA, mache jetzt Du Deine Hausaufgaben – biete den Bürgern die verlangte Reduzierung der Wohneinheiten, der Baumasse.“
Die Gemeinde Münsing kam mit dem Aufstellungsbeschluss für einen qualifizierten Bebauungsplan am 27. September 2017 den Wünschen des Investors entgegen, die Gemeinde ist bereit, den Flächennutzungsplan von der Sondernutzung Gesundheit, Klinik in Wohnen zu ändern und zusätzliches Baurecht auszuweisen. Jetzt muss auch KWA bereit sein, den Bürgern entgegenzukommen. „KWA – mach’ Deine Hausaufgaben!“

Ursula Scriba, Ammerland

Auf dem Weg zum Wettbewerbsergebnis Bürgerhaus „Neuer Pallaufhof“ Münsing

Mitglieder des Arbeitskreises:
Christiana Biron, Johannes Umbreit, Gregory Prade, Georg Sebald

Mitglieder des Lenkungsausschusses:
Ursula Scriba, Thomas Schurz, Regina Reitenhardt, Ernst Grünwald

– die wichtigsten Schritte und Entscheidungen der Gemeinde in Auszügen

April 2008 Das Gesamtgrundstück wird von der Gemeinde erworben
12.11.2011 1. Klausur des Gemeinderates in Königsdorf
2011 Vorschläge von Kultur veranstaltenden Vereinen wie Holzhauser Musiktage oder OSV
24.01.2013 Round Table Runde von Kulturträgern und Kulturanbietern in Münsing im Hotel-Restaurant Huber am See, protokolliert von Vertretern der Agenda Kultur; erste Äußerung des Raumbedarfs aus Sicht der Kulturvertreter
12. Juli 2014 Der neu gewählte Gemeinderat bildet einen Arbeitskreis primär für die Bedarfsermittlung des neuen Pallaufhofes
Der Arbeitskreis tagte sieben Mal öffentlich

Entscheidungen der Gemeinde in Auszügen

  1. Bedarf Schule und Mittagsbetreuung (Frau Banner)
  2. Bereich Soziales (Frau Reitenhardt, Herr Lohse)
  3. Raumverhältnisse im Rathaus 1978-2014 (Herr Kühn)
  4. Themenschwerpunkt Kultur (Frau Biron und Herr Sebald)
  5. Sichtung und Gewichtung
  6. Vertiefung und Zusammenfassung; Ertüchtigung des Gemeindesaales und Prüfung der Nutzungs- und Sanierungsmöglichkeiten
  7. Vorstellung einer grundsätzlichen Aufstockungsmöglichkeit des jetzigen Rathauses (Studie Adldinger)
10.06.2015 Gemeinsame Sondersitzung des Gemeinderates und des AK Pallaufhof
21.07.2015 Grundsatzbeschluss des Gemeinderates über ein Haus der Kinder und eine Unterbringung der Verwaltung im neuen Pallaufhof
08.03.2016 Projektstudie Büro Adldinger über die Unterbringung des gesamten Raumbedarfs für Rathaus und Saal im neuen Gebäude
09.04.2016 2. Klausur des Gemeinderates in Königsdorf; Beschluss für die Auslobung eines Wettbewerbs:

Vortrag über Wettbewerbe Projektsteuerung

Bedarf aus allen Bereichen wird konkretisiert Saal als Versammlungsstätte

10.02.2017 3. Sonderklausur an einem Freitagnachmittag über Raumbedarf und Thema Versammlungsstätte
Besichtigung des Rathauses und Bürgerhauses in Gilching
27.06.2017 4. Sonderklausur zur endgültigen Abstimmung des Raumbedarfs, zur Nahwärmeversorgung NEU und zur Folgenutzung des Saales sowie zur Einfügung nach § 34 BauGB
23.01.2018 Beratung    und    Beschlussfassung    über    die    Zusammensetzung    des Preisgerichtes für den Architektenwettbewerb zum neuen Bürgerhaus
20.03.2018

 

Erneute Beratung und ggf. Beschlussfassung über die Billigung der Auslobung für den nichtoffenen Realisierungswettbewerb mit Ideenteil für das Bürgerhaus „Neuer Pallaufhof“ in Münsing im Hinblick auf die Zahl der nachzuweisenden Stellplätze

2. August 2018
Sitzung des Preisgerichts zum Realisierungwettbewerb „Neuer Pallaufhof“
Protokoll der Preisgerichtssitzung

Dokumentation_Realisierungswettbewerb

Häuser erzählen Geschichten

Ein neues Buch über die Tutzinger Baumeisterfamilie Knittl und historische Bauten am Starnberger See

Vor drei Jahren stieß eine Ausstellung im Ortsmuseum in Tutzing unter dem Titel: „Knittl, Baumeister, Tutzing – Häuser und Villen am Starnberger See“ auf großes Interesse. Die Kuratorin Stefanie Knittl veröffentlicht nun ein mit Zeitdokumenten und Fotografien ausgestattetes Buch über die Baumeisterfamilie Knittl (1872-1987), ihre Häuser und Villen sowie über die Menschen, die in ihnen wohnten. In den beiden Tutzinger Buchhandlungen ist das Buch bereits erhältlich.

Stefanie Knittl dokumentiert auf 300 Seiten mit 345 Abbildungen das historische Bauen am Beispiel von mehr als 200 Häusern. Erzählt wird Orts-, Regional- und Architekturgeschichte, aber vor allem die Geschichte des Wohnens und Lebens am Starnberger See über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert. Die Baumeisterfamilie war verzweigt, so dass Bauten nicht nur in Tutzing entstanden, sondern auch in Feldafing, Seeshaupt, Pöcking, Bernried, dem Ostufer und anderen Schauplätzen im Voralpenland.

„Wichtig war mir, Einblick in das gesellschaftliche Leben zu geben und die Hintergründe aufzuzeigen, warum man heute anders baut und ein altes Haus nicht einfach nachgebaut werden kann“, erklärt Stefanie Knittl. Darüber, wie die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft die Architektur verändert haben, und wie Erfolg und Ende des einst größten Baugeschäfts am Starnberger See verlaufen sind, erfahren Sie in einem interessant gestaltetem Buch, das viele persönliche und zwischenmenschliche Blickwinkel aufzeigt und die noch vielen „kleinen“, bisher eher unbekannten Geschichten der Bewohner dieser Häuser erzählen. In diesem Sinne kein klassisches Heimatbuch.

Erhältlich ist das Buch für 39,80 Euro in den  Tutzinger Buchhandlungen sowie nach Bestellung auf www.villaknittl.de.
und jetzt auch bei „Mein lieber Schwan“, Hauptstraße 6 in Münsing


Das Erbe der Baumeister

Von Katja Sebald, Starnberger SZ vom 19. Juli 2018

Tutzing – „Entweder ich verkaufe jetzt alles oder ich mache was draus“, dachte Stefanie Knittl, nachdem sie ein altes baufälliges Haus an der Tutzinger Hauptstraße, dazu ein großes Grundstück und mehr als ein Jahrhundert Familiengeschichte geerbt hatte. Die 50-Jährige ist die letzte in der Ahnenreihe der Baumeisterfamilie Knittl: Ihre Vorfahren betrieben einst das größte Baugeschäft weit und breit, sie haben unzählige Häuser und Villen gebaut und damit die Architekturlandschaft rund um den Starnberger See nachhaltig geprägt. Sie selbst hat sich am Ende entschieden, etwas aus ihrem Erbe zu machen: 2012 sanierte sie mit großem Aufwand das denkmalgeschützte Stammhaus der Firma Knittl und dokumentierte anschließend die Firmen- und Familiengeschichte.

Im Jahr 1864 hatte Herzog Ludwig in Bayern, Sisis ältester Bruder, den Tiroler Maurergesellen Josef Knittl nach Garatshausen geholt. Jahre lang beschäftigte er ihn beim Umbau des Schlosses, bis sich Knittl 1872 selbständig machte und eine Tutzinger Fischertochter heiratete. Damit begann die Geschichte der Baumeisterdynastie Knittl. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie erlebte Tutzing einen wahren Bauboom, der Firmengründer hatte viel zu tun: Prägnante Bauten wie die Villa Trutz und die Villa Thudichum in Tutzing oder die Villa Reber in Pöcking entstanden, aber auch viele kleine Handwerkerhäuser. In der zweiten Generation wuchs die Firma in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf 350 Mitarbeiter an. Xaver Knittl war in der Prinzregentenzeit der „Platzhirsch“ unter den Baumeistern rund um den See. Er realisierte mehr als 250 Bauprojekte, darunter das Tutzinger Kloster, die Grundschule, das Rathaus und beide Kirchen. Für die von ihm gebauten Villen und Landhäuser entwickelte er den typischen „Knittl-Stil“ mit aufwendigem Zierfachwerk. Sein jüngerer Bruder Engelbert hatte in Feldafing das Baugeschäft von Johann Biersack übernommen, wo er nun ebenfalls an Villenbauten beteiligt war und unter anderem die mittlerweile denkmalgeschützte Badeanstalt entwarf. In der dritten Generation führte Carl Knittl das Tutzinger Baugeschäft bis in die 1950er Jahre. Unter Karl Xaver Knittl, Vater von Stefanie Knittl, endete 1987 die Baumeistertradition: Zuletzt konnte er – wie viele andere Handwerksbetriebe – dem Wettbewerbsdruck durch Billiganbieter nicht mehr standhalten.

Für Stefanie Knittl, die den geschäftlichen Überlebenskampf ihrer Eltern hautnah erlebt hatte, stellte sich nie die Frage, ob sie das Familienunternehmen übernehmen sollte. Sie absolvierte ein Ingenieurstudium, studierte dann Politik. Heute ist sie Berufsschullehrerin in München und unterrichtet unter anderem Sozialkunde. Ihre Familiengeschichte, aber auch die Geschichte des Bauens und Wohnens am Starnberger See interessiert sie vor allem unter soziologischen Gesichtspunkten: „Mich fasziniert der Zusammenhang zwischen Architektur und Gesellschaft“, sagt sie, „das Denken im Bau hat sich komplett verändert und damit auch das Verhältnis der Menschen zu ihren Häusern.“ Fortschrittsgläubigkeit, gesetzliche Vorgaben sowie wirtschaftliche Aspekte lassen nurmehr standardisierte, seelenlose Bauten statt individueller Häuser entstehen. Ein Haus wie das ihrer Familie könne man heutzutage nicht mehr bauen. Seit Jahren setzt sie sich deshalb für Denkmalschutz und den Erhalt alter Bausubstanz ein.

Bei der Sanierung ihres Elternhauses stieß sie auf handgeschriebene Betriebsbücher, historische Dokumente und Fotografien, aus denen sie 2016 eine Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum zusammenstellte. Viele Stunden hatte sie schon damals über alten Plänen im Staatsarchiv verbracht. Jetzt entstand aus ihrer Forschungsarbeit ein Buch, in dem sie auf 300 Seiten die von der Baumeisterfamilie Knittl in 115 Jahren Firmengeschichte realisierten Projekte nahezu lückenlos dokumentiert: Landhäuser, Villen, Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels, Gastwirtschaften, landwirtschaftliche Gebäude, Brücken und Mauern, nicht nur Tutzing, Feldafing, Garatshausen und Pöcking, sondern auch in Starnberg, Bernried, Seeshaupt, am Ostufer und in den Voralpen. Das Buch erzählt aber auch von Erfolg und Ende einer typischen Handwerkerfamilie am Starnberger See. Und nicht zuletzt erzählt es die „kleinen Geschichten“, wie Knittl sagt: Von Maurern, die 50 Jahre lang in der Firma beschäftigt waren und fast zur Familie gehörten. Von Krankheit und Tod, Heiraten und Kinderkriegen, Sparen und auch vom Scheitern: Diese Geschichten machen das Buch zu einem eindringlichen Stück Orts- und Regionalgeschichte.

Jagdhornklänge fürs Jägerhaus

Von Sabine Bader, Stanrberger SZ vom 26.06.2918

Allmannshausen – Der Maler Gabriel von Max (1840 bis 1915) hätte sie sicher gemocht, die kleine Bronzeskulptur, mit der der Ostufer-Schutzverband alljährlich jene Villenbesitzer ehrt, die ihre denkmalgeschützten Häuser besonders liebevoll in Schuss halten. In diesem Jahr gibt es gleich zwei Neuerungen: Zum einen steht die Villa, um die es geht, zum erstem Mal in der fünfjährigen Geschichte des Preises nicht in der Gemeinde Münsing, der Heimat des Schutzverbands, sondern in der Nachbargemeinde Berg. Gewonnen hat das dortige Jägerhaus des Schlosses Unterallmannshausen, auch bekannt unter dem Namen Villa Rambaldi. Zum anderen geht die Auszeichnung erstmals an eine Eigentümergemeinschaft: Die Erbengemeinschaft von Nagel zu Aichberg. Ihr steht die 103-jährige Maria-Gabriele von Nagel zu Aichberg vor, die mit einigen ihrer Familienangehörigen auch zur Preisverleihung in den Gasthof „Zur Post“ nach Aufkirchen gekommen ist.

Noch heute bewohnt sie das Anwesen am Ostufer des Sees alljährlich zwischen Frühjahr und Herbst mit ihrer Tochter Barbara Bering. Nur im Winter leben die Frauen in München: Die Villa wird nur mit Kachelöfen beheizt. Die anderen Familienmitglieder nutzen das Haus nur im Sommer sporadisch. Ansonsten wohnen noch zwei Mieter ganzjährig im Gebäude. Es ist also ständig bewohnt. „Wir lieben das Haus sehr, sind auch in Aufkirchen zur Schule gegangen“, erzählt Barbara Bering der SZ.

Die Geschichte des Hauses hängt eng mit Schloss Unterallmannshausen zusammen. Die Villa war einst das südlich gelegene Jägerhaus des Schlosses und wurde von Otto Graf Rambaldi erbaut, nachdem dieser Schloss Unterallmannshausen 1880 an den Mannheimer Chemieunternehmer Christoph Heinrich Boehringer verkauft hatte. Die Villa zählt laut Kreisheimatpfleger Gerhard Schober zu den typischen Landhäusern am Starnberger See. Und doch sticht sie Spaziergängen und Radlern sofort ins Auge. Denn das Jägerhaus wirkt weit weniger bäuerlich als andere Landhäuser, was sowohl an den feingliedrigen, schmiedeeisernen Balkonen als auch der doppelläufigen Freitreppe zum See liegt.

Apropos Jägerhaus: Die Vorsitzende des Ostufer Schutzverbands, Ursula Scriba, ist selbst Jägerin und läutete die Preisverleihung mit einem Ständchen der Münchner Reiterlichen Jagdhornbläser ein, denen sie selbst angehört. Aber auch die Klassikfreunde kamen an diesem Abend auf ihre Kosten: Professor Johannes Umbreit (Klavier) und Therese Hahn (Violine) lockerten die Veranstaltung musikalisch auf. Scriba ist hin und weg vom Gebäude, dass es auszuzeichnen gilt. Denn sie ist selbst Architektin. Wen wundert es also, dass sie in ihrem einstündigen Vortrag den Gästen der Preisverleihung in Aufkirchen alle Vorzüge des Gebäudes minutiös erklären konnte. „Das Haus hat die Jury sofort überzeugt“, sagte sie. „Die Abstimmung war unstrittig.“ Der Bau besteche durch seine perfekten Proportionen, und auch die Fenster seien im „Goldenen Schnitt“, sagte sie.

Doch dem Verband geht es nicht nur darum, schöne Denkmalbauten zu würdigen. Er will mit dem Preis auch erreichen, dass noch mehr Eigentümer sich dessen bewusst werden, was es bedeutet, ein Baudenkmal zu besitzen. Das erfordert neben vielen Absprachen mit den Denkmalschützern auch erhöhten finanziellen Aufwand. Denn die Gebäude sind alle in einem Alter, in dem es ständig etwas zu renovieren gibt. Im Fall der Villa Rambaldi hätten die Eigentümer das Glück, dass ein Familienmitglied Schreinermeister sei und damit ein ausgewiesener Fachmann, erzählt Scriba.

Auch der stellvertretende Landrat Georg Scheitz zollte „allen, die in einem denkmalgeschützten Haus leben, Respekt“. Und mit Blick auf die 103-jährige Geehrte meinte er: „Wenn ich sie so anschaue, dann ist es ein sehr gesundes Haus.“ Er hoffe, so Scheitz, dass der Preis weitere Denkmaleigentümer motiviere. Und auch Vinzenz Dufter vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, Münsings Rathauschef Michael Grasl und die Dritte Bürgermeisterin von Berg, Elke Link, hoffen, dass der Preis weitere Eigentümer wachrüttelt (Grasl).

Dass das bislang nicht immer fruchtet, weiß Grasl am Besten. Steht doch in seiner Gemeinde, in Ammerland, die denkmalgeschützte Max-Villa, die seit vielen Jahren zusehens verfällt. Mit aus diesem Grund hat der Ostufer Schutzverband seinen Denkmalpreis vor fünf Jahren auch nach dem Maler Gabriel von Max benannt. Der Künstler und Naturforscher Gabriel von Max liebte Affen über alles. Er malte sie in allen erdenklichen Posen. Die Preis-Skulptur stammt aus der Hand des Ammerlander Bildhauers Ernst Grünwald. Sie zeigt darum einen Affen, der auf einer Säule hockt und eine Miniaturausgabe der Max-Villa auf dem Schoß trägt. Aber dazu will das Bronzeäffchen lieber nichts sagen.

Das Juwel von Allmannshausen

VON VOLKER UFERTINGER, Isar Loisachbote vom 23. Juni 2018

Erneut hat der Ostuferschutzverband den Gabriel-von-Max-Denkmalpreis vergeben. Zum ersten Mal ging er an eine Erbengemeinschaft, die die Villa Rambaldi in der Nähe des Allmannshauser Schlosses hegt und pflegt.

Link zum Originalartikel im Isar Loisachbote vom 23. Juni 2018

Münsing/Allmannshausen – Wer am Ostufer des Starnberger Sees auf der Assenhauser Straße nordwärts schlendert, gelangt irgendwann zum altehrwürdigen Schloss Allmannshausen. Doch schon wenige hundert Meter vorher steht rechterhand ein entzückendes kleines Anwesen: Das ehemalige Jägerhaus des Schlosses, nach dem einstigen Eigentümer auch Villa Rambaldi genannt. Dass der Anblick beim Betrachter Glücksgefühle auslöst, ist nach Angaben vor Ursula Scriba, Architektin und Vorsitzende des Ostuferschutzverbands, kein Zufall, sondern vom – unbekannten – Architekten genau so gewollt: „Die Front bildet ein regelmäßiges Quadrat, und wenn wir so etwas sehen, fühlen wir uns einfach wohl.“ Perfekte Proportionen, makellose Haltung, ein lässiger Umgang mit der schwierigen Hanglage am Ostufer: Das sind die architektonischen Markenzeichen der Villa Rambaldi.

Sämtliche Juroren des Gabriel-von-Max-Denkmalpreises haben unter den sechs Vorschlägen die formschöne Villa mit ihren grünen Fensterläden und dem filigranen Eisenbalkon auf Platz eins gewählt. „Das Votum war also eindeutig“, sagte Scriba in ihrer Laudatio. Und so brachte die Verleihung des Gabriel-von-Max-Denkmalpreises am Mittwochabend im Landgasthof zur Post in Aufkirchen zwei Neuheiten mit sich. Erstmals blieb der Preis nicht in Münsing, sondern ging in die Gemeinde Berg. Und: Zum ersten Mal wurde eine Erbengemeinschaft ausgezeichnet, bestehend aus den vier Familien Nagel zu Aichberg, Bering, Keitlinghaus und Breitenbach. Vier Generationen leben dort zeitweise unter einem Dach, meist im Sommer, im Winter ist die Villa mangels Heizung unbewohnt. Besonders hob Ursula Scriba hervor, dass Felix Keitlinghaus, von Beruf Schreiner, viel an dem denkmalgeschützten Haus selbst macht. „Die Geduld und das Engagement im Umgang mit dem ehrwürdigen Gebäude ist vorbildhaft“, sagte Scriba bei dem kleinen, aber feinen Festakt.

Der Gabriel-von-Max-Denkmalpreis hat eigentlich einen traurigen Hintergrund: Anlass für seine Verleihung ist die Tatsache, dass ein besonders schönes Exemplar, die Villa des Malers, Darwinisten und Spiritisten Gabriel von Max (1840 – 1915) in Ammerland, mangels Interesse der Eigentümer vor aller Augen zusehends verfällt. Doch statt darüber zu klagen, prämiert der Ostuferschutzverband (OSV) lieber Besitzer von Denkmälern, die es besser machen. Dazu gehörte bislang der Gorythomahof der Familie Strobl in Weipertshausen (2014), das Handwerkerhaus der Familie Wagner in Ammerland (2015), das Schloss Ammerland von Werner Döttinger (2016) sowie der Eierwastl der Familie Noppes in Degerndorf (2017). Jedes einzelne Beispiel zeigt, dass es geht, wenn man will. „Mit diesem Preis sendet der Ostuferschutzverband ein Signal rund um den See“, sagte der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl. Und noch etwas hob er hervor: „Wer Denkmäler erhält, stellt übergeordnete Interessen über die eigenen.“ Und das sei heutzutage die absolute Ausnahme

Nicht zu vergessen: Der Abend wurde auch musikalisch begleitet, von Therese Hahn an der Violine und OSV-Mitglied Johannes Umbreit am Klavier. Ihre Mozart-Sonate und ihre Schumann-Romanze schmeichelte dem Ohr, wie der Anblick der Rambaldi-Villa dem Auge. Es war eben ein Abend in Aufkirchen, der dem Schönen gewidmet war.

 

Die Geschichte des Hauses

Die Geschichte des Hauses ist natürlich eng mit der des Allmannshauser Schlosses verknüpft, das heute dem Freistaat gehört und an die Religionsgemeinschaft „Wort des Lebens“ verpachtet ist. Der Pate der Bewerbung, Juror Manfred Stecher aus Münsing, hat einiges aus der Historie von Schloss und Villa zusammengetragen. Eine wichtige Rolle spielte demnach die international gut vernetzte Adelsfamilie Hörwarth, die 1696 das Schloss hatte errichten lassen. Sie ließ etwa 1780 auch die kleine Villa für die Jäger und möglicherweise auch Förster anlegen. 1800 erlosch das Geschlecht, durch Erbteilung gingen große Teile von Allmannshausen an die Familie Rambaldi.

1880 trat der Chemieunternehmer Christoph Heinrich Böhringer auf den Plan: Er ließ das Ensemble im Stil der Neo-Renaissance umbauen und verhalf ihm zu dem Aussehen, das es auch heute noch hat. 1883 heiratete der Schriftsteller Karl von Rambaldi die Böhringer-Tochter Mathilde. Deren Tochter, die ebenfalls den Namen Mathilde trug, heiratete in Erster Ehe Heinrich von Nagel zu Aichberg, der im Ersten Weltkrieg fiel. Diesen Namen trägt heute noch die älteste der acht Eigentümer, die 103 Jahre alte Gabriele von Nagel zu Eichberg, die die Verleihung des Preises sichtlich genoss.  vuVilla Rambaldi in Allmannshausen

Gabriel von Max und seine „Faust“-Bilder

Montag, 30. April 2018, Isar-Loisachbote
von VOLKER UFERTINGER

Münsing/München – München huldigt dem „Faust“. Noch bis Juli läuft ein Festival, wie es die Stadt noch nicht gesehen hat. Im Mittelpunkt: Goethes großes Drama, das wohl wichtigste oder zumindest bekannteste Werk der deutschen Literatur. In einer unüberschaubaren Anzahl an Veranstaltungen wird der Gelehrte, der sich dem Teufel verschreibt, als Prototyp des modernen Menschen dargestellt, unruhig, getrieben, rastlos. Die Ausstellung „Du bist Faust!“ in der Kunsthalle München an der Theatinerstraße zeigt, wie der „Faust“ Eingang in die bildende Kunst gefunden hat. Drei der ausgestellten Bilder stammen von Gabriel von Max: „Mephisto in Fausts Kleidern“ (1869), „Gretchen in der Walpurgisnacht“ (um 1875) und „Die Kindsmörderin“ (1877). Sie wurden aus ganz Deutschland zusammengetragen.

Gabriel von Max ist das, was man eine schillernde Figur nennt. Er malte Bilder, die die Zeitgenossen elektrisierten, etwa die „Märtyerin am Kreuz“ von 1867, das wohl bekannteste Beispiel seiner berühmten „Seelenmalerei“. Er war ein früher Anhänger Darwins und von dessen umkämpfter Evolutionstheorie und hatte Riesenerfolge mit Affenbildern. Das Geld, das er damit erwirtschaftete, steckte er in eine 60 000 Objekte umfassende Sammlung, vor allem bestehend aus prähistorischen Tier-Schädeln. Und: Ab etwa 1900 wohnte er am Starnberger See, in jener 1871 errichteten Villa, die seit vielen Jahren dem Verfall preisgegeben ist.

Zeit seines Lebens war Gabriel von Max bekennender Verehrer des Weimarer Dichters. „Ich bewundere Göthes okkultistisches Wissen, seine Geschicklichkeit im Schreiben und im Innern anders zu denken, seine Keckheit und Missachtung der Leute. Poetisch zu sein traf er auch“, schreibt er einmal. Eine besondere Stellung nahm für den gebürtigen Prager – wie für fast alle Zeitgenossen – der „Faust“ ein, vor allem der 1808 erschienene erste Teil der Tragödie. Ende der 1860er Jahre erhielt Gabriel von Max den Auftrag, eine Prachtausgabe zu illustrieren, wie sie für die damalige Zeit typisch war. Doch die – insgesamt 60 – Zeichnungen, die er anfertigte, waren dem Berliner Verleger Grote nicht prächtig genug. Zu wenig Pomp, zu wenig vaterländisch, zu wenige historische Details: Das waren die Einwände gegen die Illustrationen des eigenwilligen Künstlers. Das Projekt zerschlug sich.

Immerhin gingen aus diesen Arbeiten teilweise jene Bilder hervor, die heute in München zu sehen, besser: zu bewundern sind. Da wäre einmal das Bild „Mephisto in Fausts Mantel“ von 1869. Es zeigt, wie Teufel und Faust zu einer Figur verschmelzen. „Die linke Hand liegt, vom Umhang befreit, ruhig auf dem Schoß, während die rechte sich, zur Kralle geformt, unter dem Mantel hervorschiebt und dabei ein Stück des roten Ärmels sichtbar werden lässt“, heißt es im Ausstellungskatalog. Faust hat längst eine doppelte Identität. Die Tragödie kann ihren Lauf nehmen.

Ebenso sehr wie der Faust beschäftigte den Maler dessen blutjunge Geliebte, das berühmte Gretchen. Bekanntlich bringt sie, von Faust verlassen, das gemeinsame Kind um und wird dafür zum Tode verurteilt wird – ein Schicksal, das damals häufig vorkam und das die Generation Goethes entsetzte. Das Bild „Gretchen in der Walpurgisnacht“ (um 1875) zeigt die Vision, die Faust während eines Hexensabbats in der Nacht auf den 1. Mai von seiner Ex-Geliebten hat. Geisterhaft starr schaut sie aus, eine kleine Flamme auf dem Kopf, die Raben neben ihr verstärken die düstere Stimmung.

Allgemeiner gehalten ist der Titel des Bildes „Die Kindsmörderin“ (1875). Es zeigt eine Frau in einer extrem seelischen Notlage, die verzweifelt und voller Liebe das von ihr soeben getötete Kind küsst. Genau dies ist der Fall von Gretchen – und der Kern der „Gretchentragödie“.

Vergleicht man von Max’ Illustrationen mit denen vieler Zeitgenossen, fällt auf, wie wenig er mit nationalistischem Pomp anfangen konnte. Nach der vorherrschenden Lesart war der „Faust“ ein Beweis dafür, dass die Deutschen anderen Nationen ebenbürtig, wenn nicht überlegen sind. Da machte Gabriel von Max nicht mit. Auch in dieser Hinsicht war der Wahl-Ammerlander ein eigenwilliger Mann.

Infos:

Die Ausstellung in der Kunsthalle dauert noch bis 29. Juli. Ein Aufsatz über Gabriel von Max und seine Faustillustrationen bietet der Ausstellungskatalog des Lenbachhauses „Gabriel von Max: Malerstar, Darwinist, Spiritist“ (2010). Infos zum Faustfestival im Internet unter www.faust.muenchen.de

Neueste Entwicklung 2022

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/muensing-ort29101/vom-verfall-bedroht-doch-der-fall-villa-max-liegt-weiterhin-bei-gericht-91699532.html

Villa Max „Das traurigste Kapitel der Villengeschichte“

Von Benjamin Engel

Münsing – Zum dritten Mal haben die Eigentümer den Abriss der denkmalgeschützten Villa Max in Ammerland beantragt. Das Tölzer Landratsamt teilt mit, dass der Antrag bereits am 5. Februar eingegangen ist. Bisher seien die Eigentümer aufgefordert worden, die Unterlagen für ihr Ansinnen zu vervollständigen. Sobald das geschehen sei, werde das Landesamt für Denkmalpflege beteiligt, so heißt es aus der Kreisbehörde. Unabhängig davon haben die Eigentümer mit den Behörden laut Landesamt für Denkmalpflege vereinbart, die stark beschädigte Balkonbrüstung aus Holz kontrolliert abzutragen. Die Fachbehörde geht von einer Neukonstruktion im Zuge der Instandsetzung aus.

Damit flammt die Kontroverse um das frühere Haus des als Affenmaler bekannten Künstlers Gabriel von Max (1840-1915) erneut auf. Schon seit Jahrzehnten lassen die Eigentümer das 150 Jahre alte Gebäude – sie haben es Mitte der 1990er-Jahre gekauft – verfallen. Das Landratsamt zog sogar vor Gericht, um das Innere der Villa durch Baukontrolleure dokumentieren und fotografieren zu dürfen. Nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von 2013 müssen die Eigentümer das dulden.

Die Auseinandersetzungen um das Haus sind für Münsings Bürgermeister Michael Grasl (FW) „das traurigste Kapitel der Villengeschichte am Starnberger See“. Auf den erneuten Abrissantrag reagiert er gelassen bis konsterniert. „Für uns ist das kein Grund, die Alarmglocken läuten zu lassen“, sagt er auf Nachfrage. Für die Gemeinde sei die Entscheidung vollkommen klar, das Einvernehmen zu verweigern. Persönliche Kommentare zu den Eigentümern wolle er sich lieber ersparen, fügt Grasl hinzu. Gespräche hätten nicht weitergeholfen. Der Abrissantrag sei so sang- und klanglos gekommen wie gewohnt.

Erfolgreich waren die Eigentümer mit einer Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan der Kommune an der südlichen Seestraße inklusive der Villa Max. Damit will Münsing dort eine einzeilige Bebauung festschreiben. 2017 erklärte jedoch der bayerische Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan für unwirksam. Die Richter bemängelten, dass die Gemeinde ihre rigiden Festsetzungen nicht konsequent umsetze. So solle einerseits die einzeilige Bebauung festgeschrieben werden. Andererseits erlaube die Gemeinde auf einem bereits mit zwei Wohngebäuden bebauten Grundstück ein weiteres Wohnhaus, so argumentierte der Verwaltungsgerichtshof damals. Die Kommune arbeitet daran, die Mängel im Bebauungsplan zu „heilen“.

Nach dem bayerischen Denkmalschutzgesetz haben Eigentümer ihre Baudenkmäler „instandzuhalten, instandzusetzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen“. Derzeit sieht das Tölzer Landratsamt als untere Denkmalschutzbehörde die Eigentümer der Villa Max nur verpflichtet, die nackte Bausubstanz zu erhalten.

Im Inneren sind seit fast zwei Jahrzehnten wertvolle Bestandteile des Interieurs verschwunden. Darunter fielen Kachelöfen und Möbel. Von der Renaissance-Decke im früheren Speisezimmer fehlt jede Spur. Anfang Januar 2012 hatte das Tölzer Landratsamt den zweiten Abrissantrag für das Ammerlander Anwesen endgültig abgelehnt. Die Möglichkeit dagegen vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, nutzten die Eigentümer nicht. Stattdessen zogen sie den im März 2011 gestellten Abrissantrag zurück. Von Außen wirkt das denkmalgeschützte Haus schon seit langem verwahrlost. Am Dach der Veranda sprießt das Gras. Die Holzbrüstungen sind verfallen. Die weiße Farbe an der Holzverschalung blättert ab und von der Fassade bröselt der Putz.

Wolfratshauser SZ , 14. März 2018

Abrissantrag, der dritte

Eigentümer der Villa Max starten neuen Versuch – Grasl genervt

Münsing – Es war längere Zeit ruhig um die Villa Max in Ammerland. Jetzt haben die Eigentümer aus München, Mutter und Sohn, erneut einen Abrissantrag für das denkmalgeschützte Haus aus dem Jahr 1871 gestellt. Der Antrag ging Anfang Februar direkt bei der Unteren Denkmalschutzbehörde am Landratsamt ein, teilt Pressesprecherin Marlies Peischer mit. Die Behörde leitete ihn an die Gemeinde Münsing weiter.

Diese hat laut Bauamtsleiter Stephan Lanzinger bereits dazu Stellung genommen. Ihre Ablehnung werde sie demnächst an die Denkmalschutzbehörde schicken. „Wir werden uns auf unsere Aussage zum Abbruchantrag von 2011 beziehen. Es hat sich seitdem nichts geändert“, erklärt Lanzinger. Die Haltung der Gemeinde sei seit vielen Jahren bekannt, ergänzt Bürgermeister Michael Grasl: „Mich nervt das Ganze allmählich.“

Der erste Abrissantrag der Eigentümerin, die die Villa 1996 erworben hat, wurde abgelehnt, eine Klage dagegen 2005 vom Münchner Verwaltungsgericht abgewiesen. Es folgte ein Antrag auf Sanierung und Erweiterung im Jahr 2006. Das von den Behörden geforderte denkmalgerechte Instandsetzungskonzept legten die mittlerweile beiden Bauwerber jedoch nie vor. Stattdessen stellten sie 2011 den zweiten Abrissantrag, der wieder abgelehnt wurde. Diesmal klagten sie nicht dagegen. Sie zogen ihren Antrag zurück.

„Sang- und klanglos“, wie Bürgermeister Grasl sagt, starteten die Eigentümer nun einen dritten Versuch. Die Gemeinde habe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen. Auch mit dem Landratsamt gab es laut Pressesprecherin Peischer kein Vorgespräch. Weil der Antrag unvollständig sei, habe man weitere Unterlagen verlangt. Sobald diese vorliegen, werde man das Landesamt für Denkmalpflege beteiligen. Nach dem bayerischen Denkmalschutzgesetz müssen Eigentümer ihre Baudenkmäler „instand halten, beziehungsweise instand setzen, sachgemäß behandeln und vor Gefährdung schützen“.

Bei der Villa Max direkt am Seeufer ist davon nicht viel zu sehen. Das Gebäude, das einst die Künstlerfamilie Gabriel von Max bewohnte, verfällt. Wegen des Abrissantrags macht sich Bürgermeister Grasl keine großen Sorgen: „Die Max-Villa ist und bleibt ein Denkmal.“ Tanja Lühr

Münchner Merkur, Isar Loisachbote, 16. März 2018

Ehrenpreise made in Münsing

VON VOLKER UFERTINGER, Isar Loisachbote vom 24. Februar 2018

Der Ammerlander Künstler Ernst Grünwald ist ein gefragter Bildhauer. Zum Broterwerb fertigt er auch Ehrenpreise an. Diese hübschen, kleinen Auftragswerke haben schon die verschiedensten Leute bekommen. Etwa der berühmte Basketballer Dirk Nowitzki.

Münsing – Der neueste Ehrenpreis aus der Werkstatt von Ernst Grünwald – der Kulturpreis der Stadt Geretsried für Werner Sebb – trägt den schönen Namen „Dialog“. Auf einer Bank sitzt links eine lesende Frau, rechts macht ein Akrobat einen Handstand, beide im Gleichgewicht. Wie er auf die Idee gekommen ist? „Ich wusste ja nicht, ob die Auszeichnung an eine Frau oder einen Mann geht“, erzählt er. „Also kommen beide Geschlechter vor.“ Eine Schwäche für Akrobaten hat er ohnehin. Der Rest war künstlerische Freiheit.

Kulturpreis der Stadt Geretsried

Auftragsarbeiten wie der „Dialog“ spielen für Künstler wie Grünwald (61) eine wichtige Rolle. „Sie dienen schlicht und einfach dem Broterwerb“, sagt er. Während man bei Ausstellungen nie vorhersagen kann, ob sich ein Käufer findet, landet in diesem Fall das Geld verlässlich auf dem Konto. Wobei die Arbeit nach bestimmten Wünschen eine ganz andere ist. „Wenn ich mir sonst ein Werk vornehme, horche ich mich hinein“, sagt Grünwald. „Bei Auftragsarbeiten horche ich eher anderen zu.“

So zum Beispiel bei einem Werk aus dem Jahr 2007, dem „goldenen Waigel.“ Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hatte den Preis für den größten deutschen Steuerzahler ausgelobt und nach dem ehemaligen Bundesfinanzminister benannt. Der Auftrag ging an Grünwald. „Gott sei Dank ist Herr Waigel ein Mann mit markantem Äußeren“, erinnert er sich. So war es leicht, eine wiedererkennbare Figur in der Größe von 22 Zentimetern anzufertigen, die über zwei mächtige Augenbrauen und einen Aktenkoffer verfügt.

Auch Sporttrophäen stammen aus der Werkstatt am Riedweg in Ammerland. So zählte Grünwald jahrelang den Internationalen Basketballverband FIBA zu seinen Kunden. Der in der Schweiz ansässige Verband orderte die Auszeichnungen „Young Player“, „Womens Player“ sowie „Player of the Year“. Der gebürtige Münchner hat sie alle aus Bronze und sehr dynamisch bei der Ausübung ihrer Sportart gestaltet. Einer der Preisträger: Dirk Nowitzki, der wohl berühmteste Basketballer der Welt. Wer weiß, vielleicht hat die kleine Skulptur aus Bronze in der Villa von Nowitzki in Dallas einen Ehrenplatz.

Doch es müssen nicht immer die ganz großen Namen sein. So hat der Künstler, zugleich Dritter Bürgermeister der Gemeinde, auch den Münsinger „Energiewende-Cup“, den „Lupus-Cup“ für den Golfclub Wolfrathausen und die Bürgermedaille für die Gemeinde Krailling kreiert. Alle zwei Jahre verleiht außerdem die Evangelische Akademie Tutzing einen Preis für Nachwuchskünstler. Sein Name: „Phönix“, das sprichwörtliche Tier erhebt sich in der Darstellung von Ernst Grünwald soeben aus der Asche in die Lüfte. Das Material: Messing – also ausnahmsweise nicht das vom Künstler geliebte Bronze.

Besonders wichtig findet Grünwald den Gabriel-von-Max-Denkmal-Preis. Damit wird in Münsing ein Stück lokale Kulturpolitik gemacht. Denn: Mit der Auszeichnung prämiert der Ostuferschutzverband jedes Jahr ein Positivbeispiel in Sachen Denkmalschutz. Das hat durchaus seinen Sinn, denn die Villa Max in Ammerland, das einstige Domizil des Malers, Spiritisten und Darwinisten Gabriel von Max, ist ein abschreckendes Negativbeispiel. Sie verfällt, ohne dass die Eigentümerin auch nur das Geringste dagegen unternimmt. Grünwald hat sich von der Tatsache inspirieren lassen, dass das Lieblingstier des Malers der Affe war. So kommt es, dass die vorbildlichen Denkmalschützer des Ostufers jetzt zur Feierstunde ein solches Tier aus Bronze verliehen bekommen. Der Affe sitzt auf einer Säule, hält eine Miniaturausgabe der Villa im Schoß und grübelt offensichtlich vor sich hin. Worüber? Die Evolution? Den Lauf der Zeit? Den mangelnden Respekt vor Denkmälern? Da kann sich jeder seinen eigenen Reim machen. Wie immer bei der Kunst.

Was mit seinen Ehrenpreisen nach der Verleihung passiert, erfährt Grünwald selten. Dass sich jemand meldet, um sich zu bedanken oder über die Botschaft des Kunstwerks zu philosophieren, passiert praktisch nie. Grünwald hat nur einen Wunsch. „Es wäre schön, wenn sie nicht in irgendeiner Schublade verschwinden.“ Wer sie kennt, kann nur sagen: Wäre wirklich jammerschade drum.

 

„Mächtiges Gefühl der Scham“

Von Benjamin Engel, Wolfratshauser und Starnberger SZ 24. Januar 2018

Münsing – Die Musiktheaterregisseurin Verena von Kerssenbrock bewundert ihren Urgroßvater Colombo Max (1877 bis 1970). „Für uns war er immer der Nonno“, erzählt sie. Der Maler und Sohn des Künstlers Gabriel von Max sei ein Vorbild gewesen, das sie als Kind noch persönlich erlebt habe. Colombo Max habe sehr viel gewusst, ganz in und mit der Natur gelebt, erinnert sie sich. Eine weitere Facette lernte Kerssenbrock kennen, als sie auf seine mehr als 1000 Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg stieß. Die zeigen ihn und seine Frau Paula als Skeptiker gegen den Kriegswahnsinn. Daraus ist ein Buch entstanden: „Die Münchner Künstlerfamilie Max. Feldpostbriefe 1914-1918“.

Von der Lektüre der Briefe war die Regisseurin sofort begeistert. „Das sind wahnsinnig spannende, sehr detaillierte Zeitdokumente“, erläutert sie. Paula hatte aus Liebe zu Colombo – sie hatten 1910 geheiratet – ihre Tanzkarriere aufgegeben. Am Gasthaus in Ammerland – in dem Ort hat die Künstlerfamilie Max ein Sommerhaus – liest sie von der Mobilmachung der deutschen Soldaten und notiert am 5. August 1914 in ihrem Tagebuch: „Man glaubt zu träumen, hier diese Ruhe und draußen soll Krieg werden. Mein Verstand kann diese beiden Dinge nicht vereinen.“ Warum ein so selbständiger Mann wie Colombo gezwungen wird, „alles zu verlassen und zum Raufen zu gehen“, versteht sie nicht. „Sind die Menschen noch nicht reif und gebildet genug, um sich so blutig wie Buben oder Raufbolde zu schlagen.“

An dem Buch hat Kerssenbrock fünf Jahre gearbeitet. Sie transkribierte die teils nur schwer entzifferbaren handschriftlichen Feldpostbriefe aus fünf Kriegsjahren. Die Korrespondenz war teils in Familienbesitz, teils wurde sie im Archiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg fündig. In den Räumen lagerten viele Briefe in Kisten, erzählt sie. „Die waren noch ungeordnet.“ Die ursprüngliche Idee, die Briefe nur für den privaten Familienkreis zu bearbeiten, gab Kerssenbrock bald auf. Zu spannend erschienen ihr die Briefe als Zeitdokumente für die Öffentlichkeit. Sie kontaktierte den Münchner Scaneg Verlag, der das Buch Ende 2017 herausgab.

Colombo Max wurde als Unteroffizier der Landwehr eingezogen. Von Ingolstadt kam er mit seinem Bataillon im Oktober 1914 an die Westfront. Seine Aufgabe war es, die Infanterie mit Munition zu versorgen. Später war er für die Verpflegung der Soldaten verantwortlich. Noch in Ingolstadt hält Colombo beim Anblick von gefangenen französischen Soldaten fest: „Wenn sie nicht rote Hosen anhätten, könnte man sie für intelligente Bayern ansehen.“ Im April 1915 schreibt er an seine Frau aus Fournes im französischen Flandern von Totenkreuzen, die wie Blumen in den Himmel wachsen. In der Kirche hat die Muttergottes keinen Kopf und keine Hände mehr. „Weggeschossen“, notiert er. „Bei Anblick von Verwundeten, Leichen und all dem Zerstörten habe ich immer nur ein mächtiges Gefühl der Scham“, schreibt er ein paar Tage später.

In inniger Verbundenheit präsentiert sich die Familie Max mit Paula, Colombo und Sohn Thomas (von links) auf einem Gemälde. Foto: Privat

 

Colombo und seine Frau korrespondierten fast täglich. Von Kriegsbegeisterung ist dabei nie zu lesen. Er kann nicht verstehen, warum nur von der hohen Begeisterung der Soldaten und den mächtigen Tönen der Kanonen geschrieben wird. Der Kriegslärm erzeugt in ihm „Wut aus Scham über die Menschheit“. Diese pazifistische Grundhaltung hatte wohl auch mit seiner Erziehung zu tun. Colombo war das dritte Kind aus der Ehe des Malers Gabriel von Max (1840 bis 1915) mit Emma Kitzing. Er hatte noch eine Schwester, Ludmilla, und den Bruder Corneille, ebenfalls Maler. Auf Wunsch des Vaters lebte die Familie isoliert. Er selbst und Hauslehrer unterrichten die Kinder, die keine Schule besuchten. Eine Kinderbuchautorin berichtet, dass die Buben auch nicht mit Soldaten spielen durften

Schrecken ohne Ende

Der Widerstandskämpfer Thomas Max wurde in den letzten Kriegstagen von einem glühenden Nazi in Grünwald erschossen. Das Ereignis wirkt bis heute nach, in der Familie des Opfers und der des Täters

Von Bernhard Lohr

Alles schien nach Plan zu laufen. Thomas Max war in seiner Wohnung, als gegen 8 Uhr die Meldung über Radio verbreitet wurde, die Freiheitsaktion Bayern (FAB) habe die Kontrolle über staatliche Stellen übernommen. Er wurde am Morgen des 28. April 1945 vom Glücksgefühl des nahenden Kriegsendes übermannt und tanzte vor Freude. Dann klingelte das Telefon. Man rief ihn als Arzt zu einem Verletzten ins nahe Rathaus. Seine sechsjährige Tochter Veronika wollte noch mitkommen. Doch ihr Vater wies sie an zu bleiben. Kurz darauf traf Max auf den glühenden NS-Anhänger Friedrich Ehrlicher. Es gab ein Wortgefecht. Und dann hörte die Tochter im Garten des Hauses die Schüsse, die ihren Vater im Alter von 38 Jahren tödlich in den Rücken trafen.

Thomas Max war mit den Kreisen um die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ befreundet und Anhänger der Freiheitsaktion Bayern, deren Mitglieder sich am 28. April an 78 Orten erhoben, um das sinnlose Sterben zu beenden. In Grünwald machten sich die Aktivisten daran, Sprengladungen an der Grünwalder und der Großhesseloher Brücke zu entfernen. Thomas Max setzte mit Freunden in den frühen Morgenstunden zudem den Ortsgruppenleiter Karl Müller und andere Nazigrößen im zweiten Stock des Rathauses fest. Zwei FAB-Aktivisten schoben Wache, als Friedrich Ehrlicher, Zugführer des Grünwalder Volkssturms, in Begleitung von zwei Hitlerjungen kam und die Nationalsozialisten befreite. Dabei wurde der FAB-Mann Erich Sachsinger durch Schüsse an Schulter und Achsel verletzt und Thomas Max wurde gerufen, um seinem Mörder in die Arme zu laufen. Der Aufstand der Freiheitsaktion brach zusammen und die NS-Herrschaft wurde um Tage verlängert. Am 1. Mai rollten Panzer der US-Armee durch Grünwald.

Thomas Max‘ Enkelin Verena von Kerssenbrock hat ein Buch zur Familiengeschichte veröffentlicht. An die Wand projiziert: Thomas Max mit seinen Eltern Colombo und Paula.

Mehr als 70 Jahre später hat Veronika von Kerssenbrock die Schüsse noch im Ohr, die ihr den Vater raubten und das Leben der Familie veränderten. Sein Tod war ein Schock für sie und ihren damals achtjährigen Bruder Nikolaus. „Ich habe ihn noch tot gesehen“, erinnert sich der heute 81-Jährige an das Bild, wie der Vater in einer blutdurchtränkten Militärjacke mit entfernten Hoheitsabzeichen in einem Schuppen in der Nähe des Tatorts lag. Dort hatten ihn Ehrlichers Anhänger lebend hingebracht. Erst zwei Stunden nach seinem Tod wurde die Familie benachrichtigt.

An die Ermordung von Thomas Max am 28. April erinnert ein Gedenkstein vor dem Rathaus. Die Dr.-Thomas-Max-Straße ist nach dem Mann benannt, dem der Widerstand gegen Gewalt und staatliche Willkür in die Wiege gelegt schien. Thomas Max war Adoptivsohn des Malers Colombo Max, der unter dem Eindruck der Gräuel an der Front im Ersten Weltkrieg eine stark pazifistische Ader entwickelte. In einem Feldpostbrief schrieb Colombo Max an seine Frau Paula den prophetischen Satz „Tommi muss ein Freiheitskämpfer werden. Wir sind’s nicht. Noch nicht“. Als sein Sohn ermordet wurde, wollte Colombo Max erst nicht mehr leben und wurde dann für seine Enkel Veronika und Nikolaus Vaterersatz. Sie besuchten ihn in der Max-Villa in Ammerland am Starnberger See, wo der Historienmaler Gabriel von Max schon gelebt und gearbeitet hatte, der Vater von Colombo und Corneille Max – der Malerbrüder aus Ammerland.

Colombo Max kam nie richtig hinweg über die Ermordung des geliebten Sohns , den er in seinen Feldpostbriefen im Ersten Weltkrieg viele Male als „lieben Tommi“ Grüße und Küsse ausrichten ließ. Auch ein Brief des gerade elfjährigen Tommi an seinen Vater, der als Soldat in Frankreich war, ist in dem dieser Tage erschienenen Buch „Die Münchner Künstlerfamilie Max“ abgedruckt, in dem Tommi seinem Vater von den Ereignissen im November 1918 berichtet: „In München ist Revolution! Die Soldaten sind frei und haben heute Nacht in die Luft geschossen. Maschinengewehre haben sie aufgestellt und Unser König hat abgedankt. Bayern ist Republik! […]Gruß und Kuss Dein Sohn Tommi“ Diesen Umsturz erlebte Thomas Max als Kind freudig mit, so wie er als Erwachsener das Kriegsende 1945 erwartete. Als Familienvater war Thomas Max in den Widerstand gegen Diktatur und Militarismus gegangen, als es geboten war – und fand doch nur den Tod.

Der nur ein Jahr ältere Todesschütze Friedrich Ehrlicher stand politisch auf der Gegenseite. Er war seit 1930 Mitglied der NSDAP gewesen und unter anderem Leiter der Abteilung Propaganda/Rednerwesen im Gau München-Oberbayern. Von 1938 bis 1945 führte er das Stadtjugendamt und kämpfte bis zum Schluss für den Fortbestand der Diktatur. Im Jahr 1952 musste er sich wegen der Schüsse auf Thomas Max vor Gericht verantworten. Colombo Max verfolgte die Verhandlung und erlebte, wie seine Familie ein zweites Mal Opfer wurde. „Richter zu alt (National verkalkt)“, notierte Colombo Max damals in sein Tagebuch. Stimmung „pro Ehrlicher“. Dieser sei ein „sturer Nazi“ und „militärisch“. Die Anklage lautete auf versuchten Totschlag an Sachsinger und Totschlag an Max. Ehrlicher wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ein viel zu mildes, ungerechtes Urteil, wie Colombo Max fand, weil er nicht gelten ließ, dass Ehrlicher angeblich in Notwehr gehandelt hätte. Thomas Max war beim Zusammentreffen bewaffnet. Aber: „Wenn Tommi wirklich geschossen hat, war es in Notwehr. Er konnte sich denken, dass er in den nächsten Stunden gehängt würde, wenn er lebend denen in die Hände fällt.“ So der Vater. Der Täter war jedenfalls bald raus aus dem Gefängnis. Grund sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, sahen er und seine Familie über Jahrzehnte in der jungen Bundesrepublik nicht.

So geriet für die Familie von Thomas Max das Ende des NS-Regimes nicht zur inneren Befreiung. Die Gesellschaft war in den Fünfzigerjahren weit davon entfernt, Widerstandskämpfer als Helden anzusehen. Die Münchner Familientherapeutin Eva Madelung und der Historiker Joachim Scholtyseck beschreiben in ihrem Buch „Heldenkinder, Verräterkinder: Wenn die Eltern im Widerstand waren“, wie belastend für viele Nachkommen das Erbe war. NS-Täter wie Friedrich Ehrlicher waren nicht nur vor national gesinnten Richtern wieder obenauf. Der Verdienst etwa der Männer des 20. Juli wurde herabgesetzt und linker Widerstand nicht anerkannt. Behörden erließen Bescheide, dass „keine staatliche Unterstützung an Verräterfamilien“ zu zahlen sei. Selbst Mitglieder der „Weißen Rose“ hätten sich nicht getraut, sich öffentlich zum Widerstand zu bekennen, schreiben Madelung und Scholtyseck. Widerstandsfamilien seien isoliert gewesen und auf sich gestellt und hätten unter einem janusköpfigen Vermächtnis der Widerstandskämpfer zu leiden gehabt: Helden oder Verräter? Täter oder Opfer? Das war für viele Menschen damals nicht ausgemacht. Madelung und Scholtyseck gehen dem Phänomen in Interviews mit Betroffenen auf den Grund.

Nikolaus Max musste als nicht einmal zehnjähriger Bub erleben, wie verstörend die Umwelt auf die Ermordung seines Vaters reagierte. Der Täter kam gefühlt mit einem Freispruch weg. „Das Ganze ist der Familie sehr nahe gegangen“, sagt der 81-Jährige. Die Familien Ehrlicher und Max kannten sich. Man begegnete sich. Nikolaus Max ging sogar mit einem Sohn des Friedrich Ehrlicher in die Schule und hörte sich an, wie dieser sagte, dass dessen Vater seinen erschossen habe. Mit dem Täter kreuzten sich die Wege des Nikolaus Max später beinahe, als er in München an der Briennerstraße Kurse an der Gewerbeschule besuchte. Friedrich Ehrlicher war dort tätig. Max belegte einen Samstagskurs, Ehrlicher arbeitete dort unter der Woche. Begegnet sind sie sich nicht. Und doch war Nikolaus Max immer klar, wenn er die Schwelle zur Schule überschritt: Hier geht auch der andere ein und aus.


Dann vergingen Jahrzehnte. Nikolaus Max machte als Kaufmann sein Glück. Friedrich Ehrlicher lebte später in Haar. Die Geschehnisse vom 28. April 1945 gerieten in den Hintergrund. Doch wie durch ein unsichtbares Band blieben die Familien Max und Ehrlicher durch die Vergangenheit weiter verbunden. Ein Sohn von Friedrich Ehrlicher sprach Veronika von Kerssenbrock vor zehn Jahren bei einer Gedenkfeier für ihren Vater in Grünwald an und offenbarte ihr, dass auch die Täterfamilie bis heute unter dem Ereignis am Kriegsende leidet. Gesprochen wurde aber lange nicht darüber. Jetzt vor kurzem erst wandte sich ein Guy Hofmann mit einem Brief an Veronika von Kerssenbrock. Er ist ein Großneffe zweiten Grades des Volkssturmmanns Friedrich Ehrlicher. Hofmann kam nach dem Krieg zur Welt und war schon jenseits der 50, als er erkannte, wie in seiner Familie das Verbrechen an Thomas Max verdrängt wurde. Eine beiläufige Bemerkung in der Familie brachte Hofmann darauf, den Namen des entfernt Verwandten in eine Internet-Suchmaschine einzugeben, wo er auf einen Artikel in der Online-Enzyklopädie Wikipedia über seinen Großonkel stieß.

Als Guy Hofmann von dem Mord an Thomas Max erfuhr, versetzte es ihm einen Stich. Er dachte an Thomas Max‘ Tochter und Sohn und seine fünf eigenen Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren. Er fand den Gedanken furchtbar, dass Max‘ Kinder keinen Vater gehabt haben. Die Tat eines Fanatikers, sagt Hofmann. In der Familie war das aber nie offen Thema. „Es ist wirklich abenteuerlich“, findet Hofmann. Er und Veronika von Kerssenbrock telefonierten und sie gab ihm weitere Unterlagen. Von Kerssenbrock gibt sich heute versöhnlich und sagt: „Ich glaube, dass es im Moment für diese Familie noch viel schlimmer ist, die Geschichte zu verarbeiten. Als Kind war es natürlich schwer, aber für mich ist es vorbei. Wenn ich ihnen dabei helfen kann, es zu verarbeiten, ist das in Ordnung.“ Die Kinder könnten schließlich nichts dafür.

Doch es lässt sie auch nicht los. Guy Hofmann engagiert sich heute im Osnabrücker Forum „Kriegskinder und Kriegsenkel“ und fragt sich: „Wie viel Nazi steckt in mir?“ Dem gebürtigen Münchner gehen Szenen aus seiner Kindheit und Jugend nicht mehr aus dem Kopf. Ihn beschäftigt, dass Friedrich Ehrlicher lange den 8. Mai als einen „Tag der Niederlage“ bezeichnete und sein Großvater, ein erfolgreicher Geschäftsmann in München, noch in den Sechzigerjahren an Hitlers Geburtstag, dem 20. April, die Reichskriegsfahne hisste. Die Firmenfahrzeuge waren nicht zufällig schwarz-weiß-rot lackiert, in den Farben der umstrittenen Reichskriegsflagge.

Der gelernte Gesundheits- und Krankenpfleger Guy Hofmann erkennt in manchen, die in seiner Generation psychische oder körperlichen Leiden entwickeln, „Symptomträger“, die mit der „gewissen Gefühlsunterkühlung der Eltern“ zu kämpfen haben. „Mit diesem Schicksal bin ich nicht alleine.“ Über Krieg und Schuld zu sprechen war wichtig für Hofmann. Mit seiner Mutter oder Tante ging das nicht.

Hofmann arbeitet nun die Familiengeschichte auf. „Ich kämpfe gegen das Vergessen an“, sagt Hofmann. Gemeinsam mit einem Enkel Friedrich Ehrlichers, dem Romanistikprofessor Hanno Ehrlicher, will er für Wikipedia einen Lexikonartikel für Thomas Max erarbeiten. Beistand erhalten sie von der Historikerin Veronika Diem, die über die Freiheitsaktion Bayern promovierte. Sie hat den Aufstand am 28. April 1945 untersucht, bei dem im südbayerischen Raum 57 Menschen ihr Leben verloren. Außer Max erschossen NS-Schergen von der Grünwalder Widerstandsgruppe den französischen Kriegsgefangenen Lucien Merlin.