„Wir arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie“

Der italienische Architekt Matteo Thun über seine Vorstellung von botanischem Bauen, überkommene Eitelkeiten und die Frage, warum es bei Bauprojekten in Deutschland immer Probleme gibt.

Interview von Christine Mortag, Starnberger und Wolfratshauser SZ, 31.03.2023

Der Architekt und Designer Matteo Thun hat schon auf der ganzen Welt gebaut, aktuell aber hält er sich auffallend häufig an den bayerischen Seen auf. Vier große Projekte stehen dort an, am Chiemsee hat er ein Luxushotel konzipiert, am Tegernsee wird die „Kirinus Alpenpark Klinik“ erweitert, am Bodensee hat der 70-Jährige das Interieur für eine Heilfastenklinik entworfen. Und dann wäre da noch Ambach am Starnberger See. Auf dem Areal der ehemaligen Wiedemann-Klinik soll eine moderne Seniorenresidenz nach seinen Plänen entstehen.

Zufall, dass es den gebürtigen Südtiroler immer wieder nach Bayern zieht? „Ich mag Locations, die einen Bezug zum Wasser haben. Eine horizontale Wasserlinie wirkt beruhigend, darum schauen sich Menschen einen Sonnenuntergang so gern am Meer an,“ sagt er gut gelaunt und ganz entspannt beim Gespräch in der Dependance seines Mailänder Studios, einem hellen Büro unterm Dach im Münchner Lodenfrey-Park. „Außerdem steht das erste Haus, das ich als Architekt gebaut habe, in Berg am Starnberger See. 1990 war das, ein Fertighaus in Holzbauweise.“

Gute Nerven, die braucht er auch beim Bauvorhaben in Ambach. Die Pläne sind seit Jahren fertig, dieses Frühjahr sollte es endlich losgehen, nun soll sich der Baubeginn doch noch einmal bis Herbst verzögern.

SZ: Mal ehrlich, dauert es bei anderen Projekten auch so lange?

Matteo Thun: Kommt natürlich darauf an, wo Sie bauen. Jedes Land hat seine Eigenarten. In Deutschland dauert es oft länger, weil alles bis ins letzte Detail geregelt und genormt ist, bis hin zum Neigungswinkel das Daches. Im Mittelmeerraum greifen mitunter andere Mechanismen. Da ist eher die Frage, mit welchen Mitteln Baugenehmigungen erwirkt werden. Aber Ambach war selbst für mich speziell.

Es gab ein Bürgerbegehren gegen den Bau.

Es gibt immer welche, die das Bauen grundsätzlich verhindern wollen. Eine Initiative von Bürgern aus Ambach klagte, die geplante Wohnanlage sei größer als die ursprüngliche Fläche der Gebäude. Das Areal wurde aufwendig neu vermessen. Dabei stellte sich heraus, dass die einstige Bebauung der Wiedemann-Klinik weitaus größer war als im Bürgerbegehren behauptet. Auch besteht kein Anlass zur Sorge, wir würden großflächig Bäume abholzen. Warum sollten wir? Es gibt dort einen fantastischen Baumbestand aus Feldahorn, Bergahorn, Hainbuche, Rotbuche, Kirsche, Linde und Esche. Um den zu erhalten, haben wir sämtliche Gebäude um den alten Baumbestand herum gruppiert. Die Anordnung der Bauten folgt der Natur, sie ist der Hauptakteur. Das verstehen wir unter botanischer Architektur.

Was genau haben Sie in Ambach vor? Wie wird die Seniorenresidenz aussehen?

Es sollen 80 Wohnungen entstehen mit einer Größe von 27 bis 89 Quadratmetern, verteilt auf fünf Gebäude, architektonisch angelehnt an Bauernhöfe mit ihren Langhäusern aus Hof und Stall. Die Sockel der Häuser sind aus Naturstein, die oberen Stockwerke sind meinen Plänen nach aus Holz, damit greifen wir lokale Bautraditionen auf. Die wunderschöne Lage am Hang mit Blick auf den Starnberger See wollen wir auch für die Freianlagen nutzen. Es wird einen Parkrundweg mit Ententeich und zahlreichen Ruheplätzen geben. Neben den beiden größten Gebäuden ist eine gepflasterte Freifläche mit einem Brunnen geplant, gedacht als zentraler Platz für Begegnungen.

Architektur: "Die Natur ist der Hauptakteur": Die neuen Gebäude für das Seniorenstift in Ambach sollen sich um den alten Baumbestand herum gruppieren.

„Die Natur ist der Hauptakteur“: Die neuen Gebäude für das Seniorenstift in Ambach sollen sich um den alten Baumbestand herum gruppieren.(Foto: KWA)

Architektur: Die Holzbauten sind lang gezogen und sollen so dem Gestaltungsprinzip alter landwirtschaftlicher Höfe folgen.

Die Holzbauten sind lang gezogen und sollen so dem Gestaltungsprinzip alter landwirtschaftlicher Höfe folgen.(Foto: KWA)

Worauf muss man bei der Planung einer Seniorenresidenz achten?

Da wir von älteren Bewohnern ausgehen, versteht es sich von selbst, dass alle Wohnungen barrierefrei sind. Man kommt überall mit dem Rollator oder Rollstuhl durch, die Bäder haben mehr Platz vor den Waschbecken und Toiletten, der Duscheinstieg ist ebenerdig. In den öffentlichen Bereichen sind alle Ebenen für jeden erreichbar. Und natürlich muss man darauf achten, dass die Schrägen trotz Hanglage maximal sechs Prozent Steigung haben. In fortgeschrittenem Alter kann es außerdem passieren, dass man vergisst, wo man ist.

Und was ergibt sich daraus?

Wege, die ein Ende haben, können für Menschen mit Demenz zum Problem werden, darum haben wir die Wege und die Gebäude kreisförmig angelegt, damit die Bewohner immer wieder zu ihren Wohnungen zurückfinden. Im Alter wird auch Privatsphäre immer wichtiger, das Bedürfnis, in gewissen Situationen nicht gesehen zu werden. Die Wohnungen sollen zwar hell und offen sein, aber nicht von allen Seiten einsehbar. Auf der anderen Seite ist sozialer Kontakt und Austausch gerade für ältere Menschen wichtig. Da gilt es, eine gute Balance zu finden.

Haben Sie bedacht, dass es gerade im Alter schwerfällt, nochmal umzuziehen und Vertrautes aufzugeben?

Selbstverständlich. Wir statten die Wohnung nur mit Küchenzeile und den Bädern aus, damit sich die Bewohner mit ihren eigenen, liebgewonnenen Möbeln und Objekten, ihren „Memory Items“, umgeben können und nicht in unpersönliche Wohnsituationen katapultiert werden. Mancher hängt doch an seinem Esstisch, an dem er sein Leben lang gesessen hat.

Seniorengerecht und trotzdem optisch ansprechend, geht das?

Das ist die Herausforderung, damit es eben nicht aussieht wie im Krankenhaus. Stichwort Stützgriffe in den Bädern. Die kann man zum Beispiel statt aus beigem Kunststoff auch aus versiegeltem Holz herstellen. Wichtig ist auch eine schmeichelhafte Beleuchtung, noch wichtiger aber der Hygieneaspekt, gerade für ältere Menschen. Deshalb sollten alle Armaturen und Schalter möglichst „Touch Free“ sein, also ohne Berührung funktionieren.

Ambach liegt zwar wunderschön am See, ist aber weitgehend abgeschnitten von sozialer Infrastruktur. Kein Geschäft, kein Arzt, der Bus fährt nur ein paar Mal am Tag.

Darum haben wir ein zentral gelegenes Restaurant, Schwimmbad, Gemeinschaftsräume, Kino- und Theatersaal mit eingeplant. Soweit ich weiß, werden Ärzte vor Ort sein, wobei eine Seniorenresidenz kein Altersheim ist. Obwohl Pflege und medizinische Betreuung bei Bedarf möglich sein sollen. Da fragen Sie aber am besten die Betreiberfirma, das „Kuratorium Wohnen im Alter“, kurz KWA.

Architektur: Beim historischen Waldschlössl auf dem Gelände ist gerade noch die Frage: abreißen oder neu aufbauen? Die KWA favorisiert derzeit eine Rekonstruktion.

Beim historischen Waldschlössl auf dem Gelände ist gerade noch die Frage: abreißen oder neu aufbauen? Die KWA favorisiert derzeit eine Rekonstruktion.(Foto: KWA)

Wenn Sie ein Bauprojekt angenommen haben, wie fangen Sie an?

Das hört sich jetzt wenig sexy an, aber bevor wir über die Architektur nachdenken, erstellen wir als Allererstes ein Energiekonzept. Die Frage, wo kommt die Energie her, wie können wir energiesparend und klimaschützend bauen, wird immer wichtiger. Nicht erst seit der aktuellen Krise. Welche alternativen Heiz- und Stromquellen gibt es? Wie ist der Lauf der Sonne, wie die Beschaffenheit des Geländes? Unser Ziel sind die drei Nullen, drei Zero: null CO₂, also effizientes Energiemanagement, geringe Emissionen; null Müll: Die Baumaterialien sollen wiederverwertbar oder recycelbar sein; und null Kilometer: Nutzung von Zulieferern, Arbeitskräften und Materialien aus der Nähe. Die Waldklinik Eisenberg in Thüringen haben wir ausschließlich mit lokalen Unternehmen gebaut. Das kommt der Gemeindekasse zugute und schafft eine ganz andere Verbindung. Da geht der Schreiner aus dem Ort mit seiner Familie vorbei und sagt stolz: Guck mal, das hab ich gebaut.

Was sieht Ihr Energiekonzept für Ambach vor?

Die Energie für Fußbodenheizung und Warmwasser wird durch Geothermie und Abluftwärmepumpen gewonnen. Natürlich braucht man dafür auch Strom. Aber den kannst du dir über Sonnenkollektoren gratis vom Dach holen.

Die wurden genehmigt? Die Gemeinde schreibt doch sogar die Farbe der Dachpfannen vor.

Ja, bei der Photovoltaik mussten wir leider Abstriche machen. Oft sind es veraltete Bauvorschriften, die zeitgemäßen Klimaschutz und Energieeffizienz verhindern. Das ist die Krux.

Wenn das geklärt ist, wie geht’s weiter?

Dann beginnt für mich der schönste Teil der Arbeit. Ich lasse die Umgebung auf mich wirken. Mein Ziel bei jedem Projekt ist es, die Gebäude so gut wie möglich in die Natur zu integrieren. Die Hanglage ist dafür optimal.

Im Ernst? Jeder stöhnt doch über schräge Grundstücke.

Gebäude auf einer ebenen Fläche stehen da wie ein Klotz, wie ein Fremdkörper. Das entspricht nicht meinem Verständnis von Architektur. Wir arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie. Hanglagen sind dynamischer, bieten mehr Möglichkeiten, optische Hürden zu vermeiden. Mit den Fassaden aus Holz und der Begrünung der Dächer werden die Häuser in Ambach nach und nach in der Landschaft verschwinden. Wenn man von Tutzing herüberschaut, wird man nur Bäume sehen, keine Gebäude.

Will nicht jeder Architekt, dass seine Häuser erstens herausstechen und zweitens als sein Werk erkannt werden?

Ach herrje, das ist so überholt und letztes Jahrtausend. Es wäre ganz schlimm, wenn jemand sagen würde, das Haus sieht typisch Achtzigerjahre oder typisch Thun aus. Wir versuchen uns, so weit es geht, von Designstatements zu entfernen und den Zeitgeist außen vor zu lassen. Nachhaltigkeit hat auch damit zu tun, dass man bescheiden und zeitlos in der Zeichensprache bleibt. Lieber Eco statt Ego.

Architektur: Architekt Matteo Thun vor ein paar seiner Entwürfe für das KWA-Seniorenstift in Ambach.

Architekt Matteo Thun vor ein paar seiner Entwürfe für das KWA-Seniorenstift in Ambach.(Foto: Catherina Hess)

Sie bauen bevorzugt mit Holz. Warum?

Holz hält ewig, wird mit den Jahren immer schöner, ist nachhaltig und gut für die Gesundheit. Wir nehmen es meist nur unterbewusst wahr, aber wenn das Raumklima stimmt, fühlen wir uns wohl. Holz oder Lehmputz absorbiert die Feuchtigkeit, dadurch spürt man sie nicht in den Gelenken, es findet ein für den Organismus gesunder Austausch statt. Im Gegensatz zu Stahlbeton. Da geht die Luft nicht rein und nicht raus, mit nachweislich gesundheitlichen Schäden, bis hin zu Zahnausfall.

Sie sind Architekt und Designer. Darum planen Sie oft nicht nur das Gebäude, sondern auch die Innenausstattung – bis hin zur Klobrille.

Interdisziplinär und ganzheitlich zu denken, das ist die Mailänder Schule. Eigentlich aus einer Not heraus entstanden. Architekten wie Ettore Sottsass oder Achille Castiglioni schlugen sich erstmal als Designer durch, weil bei uns so wenig neu gebaut wurde. So war es auch bei mir. Heute ist der holistische Ansatz natürlich ein Vorteil, weil der Bauherr alles aus einer Hand bekommt. Der Nachteil: Du kannst dich nicht mehr rausreden, wenn was schiefläuft.

Neben Ihrem Stammsitz in Mailand haben Sie seit 2020 auch eine Dependance in München. Aus welchem Grund?

Es ist immer besser, wenn man die Projekte von Anfang bis Ende selbst betreut und begleitet. Wir sind jetzt in der Lage, mehr Leistungsphasen anzubieten, haben den direkteren Draht zum Kunden. Die Münchner Mitarbeiter können in kürzester Zeit auf die Baustellen fahren. Vorher waren wir auf lokale Architekten angewiesen, wo es ständig hieß: „Liebe Mailänder, schöner Entwurf, aber so geht’s nicht.“ Jetzt gucken wir selbst, was geht und was nicht.

Wie sind Sie überhaupt zu dem Projekt in Ambach gekommen?

Es war ein Wettbewerb, wir wurden angefragt. Wir haben unsere Pläne mehrfach auf der Gemeinde vorgestellt und bekamen am Ende den Zuschlag.

Könnten Sie sich vorstellen, Ihren Lebensabend in der Seniorenresidenz in Ambach zu verbringen?

Das hat mich meine Frau auch schon gefragt. Sie stammt vom Bodensee und kann es sich durchaus vorstellen. Ich bin gedanklich noch nicht so weit, aber fragen Sie mich gern in zehn Jahren nochmal.

Ärger um Senioren-Anlage in Münsing: Beton statt Holz – Bürgermeister spricht von „Mogelpackung“

Es soll eine große Wohnanlage für Senioren werden. Die Baugenehmigung wurde vor Monaten erteilt. Jetzt meldet sich die KWA – und plant einige Änderungen. Der Gemeinderat fühlt sich getäuscht.

Isar Loisachbote, 30. März von Tanja Lühr

Münsing – Der Gemeinderat fühlt sich vom „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) getäuscht. Das Unterhachinger Unternehmen, das wie berichtet im Münsinger Ortsteil Ambach eine Senioren-Wohnanlage mit 79 Apartments, Schwimmbad, Veranstaltungssaal und Tiefgarage bauen möchte, hat vier Monate nach Erteilung der Baugenehmigung den ersten Änderungsantrag (Tektur) eingereicht. Der Bauherr möchte jetzt das historische „Waldschlössl“ inmitten des Ensembles doch nicht wie ursprünglich geplant sanieren und zu einem Restaurant- und Verwaltungsgebäude umbauen. Stattdessen will KWA es abreißen und mit originalgetreuer Fassade wieder errichten.

Ärger um Senioren-Anlage in Münsing: Bürgermeister spricht von „Mogelpackung“

Wie KWA-Baumanager Gerhard Schaller in der Gemeinderatssitzung am Dienstag erklärte, könne die Gebäudesubstanz nach Prüfung durch einen Fachmann nicht erhalten werden. Im Zuge der Freilegung seien wesentlich größere Schäden am Mauerwerk als vermutet erkannt worden. Außerdem soll ein anderes Gebäude um eineinhalb Meter größer werden als geplant. Beides hätte der Gemeinderat noch geschluckt. Ursula Scriba (Bürgerliste) bedauerte allerdings, dass das „Herzstück Waldschlössl“ abgebrochen werden soll. Nach Meinung von Helge Strauß (CSU) ließe es sich durchaus sanieren. Dass KWA von der Holzbauweise, mit der Architekt Matteo Thun von Anfang an geworben hatte, auf Ziegel- und Betonbau mit Holzverkleidungen umschwenken möchte, will sich der Gemeinderat jedoch nicht gefallen lassen. Laut Schaller hat man festgestellt, dass es bei einer reinen Holzbauweise Probleme mit der Statik und Bauphysik geben würde. Die 2,20 Meter breiten Balkone etwa würden ohne Stützen nicht aus reinem Holz funktionieren. Stützen wolle man jedoch keine – wegen der angestrebten „horizontalen Optik“ der Gebäude.

Stararchitekt macht einen Entwurf – „dann stellt sich heraus: Er funktioniert nicht“

Architektin Ursula Scriba ist schleierhaft, warum man die Tragwerksproblematik nicht von Anfang an erkannt hat. Susanne Huber (Freie Wähler) spottete: „Da macht ein Star-Architekt wie Matteo Thun so einen Entwurf und dann stellt sich heraus: Er funktioniert nicht.“ Selbst Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) fand deutliche Worte: „Herr Thun hat uns eine Holzbauweise mit Holz aus der Region, kohlendioxidneutral und zu 100 Prozent recyclebar, vorgestellt. Und jetzt geht’s hier um eine Holzoptik“. Das sei eine „Mogelpackung“.

Zimmerermeister Thomas Schurz (CSU) sagte, er fühle sich „geblendet“. Stefan Holzheu (Wählergruppe Holzhausen) sprach von einer „Salamitaktik durch die Tekturen“ und appellierte an den Bauherren, sein Versprechen einzuhalten. Dem schloss sich Christine Mair (Grüne) an. Zumindest in den Obergeschossen könne man ohne Weiteres Holz verwenden.

Holzbauweise sollte nachhaltig werden – jetzt gibt es ganz andere Pläne

Huber sieht das Vertrauen, das der Gemeinderat KWA von Anfang an entgegengebracht habe, aufs Spiel gesetzt. Strauß mutmaßte, dem Bauherrn gehe es „nur ums Wirtschaftliche“, was auch Schurz vermutet. Mit 9:6-Stimmen votierte der Gemeinderat für die beiden Änderungen, das heißt, Abriss des Waldschlössls und Überschreitung eines Bauraums. Ausdrücklich vermerkte das Gremium zum Tekturantrag, dass man besonderen Wert auf eine ökologische Bauweise unter Verwendung regionaler Materialien, insbesondere Holz, lege.

Schaller hatte der geballten Kritik nicht viel entgegenzusetzen. Der KWA-Baumanager versprach, sie mit nach Unterhaching zu nehmen. Eine Stellungnahme war von dort am Tag nach der Gemeinderatssitzung für unsere Zeitung nicht zu erhalten. Bürgermeister Grasl suchte am Mittwoch extra noch einmal die Präsentation des international bekannten und mehrfach ausgezeichneten Mailänder Architketen Matteo Thun für unsere Redaktion heraus. Thuns Entwurf mit sechs lang gezogenen Neubauten in Holzfertigbauweise rund um die Villa Waldschlössl setzte sich 2018 bei einem von der Gemeinde organisierten Wettbewerb gegen das Modell des Büros Beer, Bembé, Dellinger mit sieben kleineren Wohnhäusern und ebenfalls Beibehaltung des „Waldschlössls“ durch. Mit den Schlagworten „zero CO2, zero km und zero waste“ warb Thun damals für seine Häuser aus regionalem Holz. Für den Gemeinderat war das neben der Funktionalität ein wesentliches Argument.

Holzbauweise für Wohnstift unverhandelbar

Wolfratshauser SZ, 30.03.2023 von Benjamin Engel

Das KWA will seine Seniorenrichtung in Ambach doch als Massivbau errichten – und löst damit Kritik in Münsing aus.

Für den Bau des Ambacher Seniorenwohnstifts droht das „Kuratorium Wohnen Alter“ (KWA) im Münsinger Gemeinderat massiv an Vertrauen zu verlieren. Schon vor drei Jahren hatte das Gremium kritisch reagiert, als das Unternehmen bekanntgab, die oberen Stockwerke statt in Holz- in Massivbauweise zu errichten. Ein Rückzieher seitens des KWA folgte. Nun schwenkt das Unternehmen erneut um. Im Rahmen einer Tektur zum Baugenehmigungsantrag wurde öffentlich, dass nur noch eine Ziegelbauweise vorgesehen ist, was viele Gemeinderäte massiv kritisierten. Außerdem will das KWA das historische Waldschlössl-Gebäude abreißen und neu aufbauen statt wie angekündigt zu erhalten. Das Unternehmen argumentiert mit statischen und bauphysikalischen Gründen.

Bleiben die Pläne unverändert, wäre somit nur die Fassade holzverkleidet. „Das reicht uns nicht“, so Münsings Bürgermeister Michael Grasl (FW). Die Holzbauweise sei ein wesentlicher Bestandteil des Architektenwettbewerbs gewesen. Baumeister Matteo Thun habe dies so vorgestellt. Laut Münsings Rathaus-Chef sei der Tekturantrag aus rechtlicher Sicht aber nicht abzulehnen. Es lasse sich nur die Gestaltung, nicht aber die Materialauswahl regeln. Im Waldschlössl sei die Bausubstanz aber so schlecht, dass ein originalgetreuer Neubau besser sei als der Erhalt. Schlussendlich stimmte der Gemeinderat mit neun zu sechs Stimmen zwar der Tektur zu. Im Beschluss findet sich der Satz: „Der Gemeinderat legt besonderen Wert auf eine ökologische Bauweise unter Verwendung regionaler Materialien (insbesondere Holz).“

KWA hält Holz wegen der Statik und Bauphysik für problematisch

Als „ökologisch gar nicht so schlecht“ bezeichnete Gerhard Schaller die KWA-Pläne. Der Geschäftsführer des unternehmensinternen Baumanagements verwies etwa auf 4000 bis 5000 Kubikmeter Abbruchmaterial der früheren Sanatoriumsgebäude, die wieder verwendet würden, etwa Stahl, der zuvor getrennt worden sei. „Die Balkone sind frei tragend, müssen gleichzeitig die Dachlast tragen“, so Schaller. „Das können sie ohne Stützen nach unten in Holz nicht bauen.“ Damit würden die Gebäude auch die von Architekt Matteo Thun angedachte Horizontalwirkung der Fassade verlieren. Zudem komme es in den KWA-Einrichtungen auch immer einmal zu Zimmerbränden, weil etwa demenziell erkrankte Bewohner Kerzen anzündeten und so Feuer auslösten. Müsse gelöscht werden, sei die eingedrungene Feuchtigkeit nicht mehr aus der Gebäudesubstanz herauszubringen. „Das ist für uns hoch problematisch“, so Schaller und räumte ein, mit diesen Schwierigkeiten schon früher gerechnet zu haben.

Vertrauen habe hohen Wert, so Susanne Huber

Damit ließ sich der Gemeinderat jedoch kaum positiver stimmen. „Wir bekommen nicht das, was man uns versprochen hat“, kritisierte Susanne Huber (FW) und erinnerte an den hohen Wert des Vertrauens. „Alles, was jetzt weg ist, ist sehr schwer wieder zu gewinnen.“ Ursula Scriba (Bürgerliste) sprach von einem Armutszeugnis. Jahre seien vergangen, bis publik geworden sei, dass ein Massivbau geplant sei. Dass das Waldschlössl – dort sind Restaurant und Lobby des Wohnstifts geplant – abgerissen werden solle, empfinde sie als Brüskierung des Gemeinderats.

Eine Holzbauweise in den Obergeschossen, wenn wohl auch teurer, weiterhin für machbar zu halten, betonten einige Gremiumsmitglieder. „Ich bin frustriert, weil eine CO₂-neutrale Bauweise bei mir großen Einfluss hatte, wofür ich mich entschieden habe“, so Christine Mair (Grüne). Thomas Schurz (CSU) kündigte an, der Tektur nicht zuzustimmen. „Es muss ein klares Zeichen sein, dass wir uns vera…t vorkommen.“

Die Reaktion von KWA tags darauf: Der Vorstand sei in einer Frühjahrstagung und könne sich erst anschließend beraten, so Geschäftsführer Gerhard Schaller per E-Mail.

Kommentar

Vom Wert des Vertrauens

Mit ökologischen Aspekten haben die Bauherren und Architekt Matteo Thun für die Pläne zum Ambacher Seniorenwohnstift geworben. Wenn nun auf Massiv- statt Holzbau gesetzt werden soll, beschädigt dies das wichtige Vertrauensverhältnis zur Gemeinde.

Eine gute Geschichte erzählen zu können, sei wichtig, um die Menschen von der eigenen Idee zu überzeugen. So wird es wenigstens heutzutage regelmäßig betont. Insofern hat der durch das „Kuratorium Wohnen im Alter“ (KWA) beauftragte Architekt Matteo Thun alles richtig gemacht, als er für seine Pläne des Ambacher Seniorenwohnstifts warb. Im Mittelpunkt standen die ökologischen Aspekte – von der Holzfertigbauweise in den oberen Stockwerken der am Archetypus des Langhauses orientierten Gebäuden, der Nutzung möglichst regionalnaher Materialien bis zu begrünten Dächern, wodurch die Häuser gleichsam mit der Landschaft verschmelzen sollten. Was der italienische Architekt zu berichten wusste, klang womöglich aber fast zu schön.

Das KWA versucht inzwischen zum zweiten Mal, sich von zentralen Element der Holzbauweise in den oberen Stockwerken abzuwenden. Der Hintergrund aus Unternehmenssicht: Statische und bauphysikalische Probleme und wohl auch schlicht und einfach Kostengründe. Nun kann es durchaus sein, dass im Planungsprozess neue Erkenntnisse zum Umdenken zwingen. Allerdings kommt das Umschwenken von Holz- zur Massivbauweise reichlich spät. Nach einem langjährigen Planungsverfahren hat der Gemeinderat den Bauantrag bereits genehmigt und konnte drei Jahre lang darauf vertrauen, dass die KWA die gewünschte Holzbauweise auch umsetzt.

Wenn wirklich stimmt, dass der Geschäftsführer des KWA-Baumanagements deswegen schon länger mit möglichen Statik-Problemen rechnete, wie er in Münsings jüngster Ratssitzung äußerte, hätte dies das Unternehmen dem Gemeinderat frühzeitig offenlegen müssen. Denn solche Transparenz stiftet Vertrauen. Insofern ist die Kritik in Münsings kommunalpolitischem Gremium berechtigt, auch wenn eine Ablehnung des Tekturantrags auch gegen die Rechtslage konsequenter gewesen wäre. Das KWA ist nun gefordert, Vertrauen zu halten.

Pressemitteilung

OSV ist anerkannter „Anwalt von Umwelt und Landschaft“

Der Ostuferschutzverband erhält Anerkennung als Umweltvereinigung

und Befugnis zur „Verbandsklage“

Der Schutzverband für das Ostufer des Starnberger Sees e.V. (OSV) fördert entsprechend seiner satzungsgemäßen Aufgabe den Umwelt-, Landschaft- und Denkmalschutz sowie die Kultur in seinem Tätigkeitsgebiet. Dieses erstreckt sich von der Linie Starnberg-Seeshaupt nach Osten bis zum Wieder-Abfall des Geländes in das Isar- oder Loisachtal. Dem Satzungszweck kommt der OSV insbesondere durch Vortragsveranstaltungen, Eingaben an die Gemeinden im Tätigkeitsbereich und Stellungnahmen gegenüber Behörden sowie durch Beratung der Mitglieder nach.

Mit der am 15.03.2023 erteilten Anerkennung als Umweltvereinigung i. S. d. Umweltrechts-behelfsgesetzes (UmwRG) durch das Bayerische Landesamt für Umwelt kann der OSV diesen Aufgaben nun noch effektiver nachkommen. Neben den der gesamten Öffentlichkeit zukommenden Beteiligungsmöglichkeiten bei öffentlichen Planungsvorhaben eröffnet die Anerkennung dem OSV nunmehr weitere Partizipationsrechte, etwa bei Vorhaben zum Netzausbau. Das Immissionsschutzrecht fordert als besondere Form der Sachverständigenpartizipation die Umweltvereinigungen sogar auf, die Behörden bei der Genehmigungserteilung in einer dem Umweltschutz dienenden Weise zu unterstützen.

Das stärkste Instrument unter den neuen Beteiligungsmöglichkeiten ist aber sicherlich die vom Umweltrechtsbehelfsgesetz eingeräumte Befugnis zur sog. altruistischen Verbandsklage. Anerkannte Umweltvereinigungen haben demnach die Möglichkeit, bestimmte Planungs- und Verwaltungsentscheidungen (etwa Bebauungspläne oder bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen) gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, ohne dass – wie es das Verwaltungsprozessrecht sonst vorsieht – eine Verletzung in eigenen Rechten geltend gemacht werden müsste.

Die Herausforderungen, die sich der Gemeinschaft am Ostufer des Starnberger Sees stellen, sind gewaltig. Beispielsweise sind die Auswirkungen des Klimawandels und die Förderungen erneuerbarer Energien in Ausgleich zu bringen mit der Bewahrung des Landschaftsbildes und der Vermeidung unnötiger Flächenversiegelung. Der OSV wird die neuen Beteiligungsmöglichkeiten als anerkannte Umweltvereinigung verantwortungsvoll einsetzen, um künftige Planungs- und Genehmigungsverfahren konstruktiv zu begleiten. Sofern erforderlich, wird man aber auch von dem Verbandsklagerecht Gebrauch machen müssen. Dies bringt die Rolle als „Anwalt von Umwelt und Landschaft“ mit sich.